„Mindszenty hatte einen ungeheuer klaren Blick für Ungerechtigkeiten“

21. Februar 2019 in Interview


Botschafter Habsburg zur laufenden Seligsprechung des Ungarn: „Ein Kardinal, der sich erst gegen Nationalsozialismus, dann in Gefängnis und Verfolgung gegen Kommunismus eingesetzte, muss Gewissensvorbild sein.“ kath.net-Interview von Petra Lorleberg


Vatikan (kath.net/pl) „Ein Kardinal, der sich erst gegen den Nationalsozialismus, dann in Gefängnis und Verfolgung gegen den Kommunismus eingesetzt hat, muss ein Vorbild im Gewissen sein.“ Das sagt Eduard Habsburg-Lothringen, früherer Pressesprecher des damaligen Bischofs von St. Pölten, Klaus Küng, Autor, Familienvater, Katholik und seit 2015 Botschafter Ungarns beim Heiligen Stuhl sowie beim Souveränen Malteserorden. kath.net interviewte den in Rom lebenden Botschafter aus Anlass der Zuerkennung des heroischen Tugendgrades an den berühmten ungarischen Kardinal József Mindszenty (1892-1975). Die Feststellung des heroischen Tugendgrades ist in der katholischen Kirche eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Selig- und Heiligsprechung.

kath.net: Was war Ihre erste spontane Reaktion, als Sie davon erfuhren, dass Papst Franziskus Kardinal Mindszenty den heroischen Tugendgrad zuerkannt hat?

Eduard Habsburg: Übergroße Dankbarkeit war mein erstes Gefühl. Sie müssen wissen, mein Vater, Michael Habsburg, der Präsident der Mindszenty-Stiftung, hat sich sein ganzes Leben lang für diese Seligsprechung eingesetzt. Ich erinnere mich, dass er mir als Kind immer gesagt hat: „Im Moment gibt es noch so viele Widerstände, dass ich nicht weiß, ob ich die Seligsprechung noch erleben werde. Aber du wirst sie erleben!“ Mit Gottes Hilfe sieht es jetzt so aus, als ob sie beide erleben werden. Der heroischer Tugendgrad ist so etwas wie die Glocke, die die letzte Runde einläutet.

kath.net: Als Botschafter am Heiligen Stuhl haben Sie ab und zu die Gelegenheit, Papst Franziskus zu treffen. Wissen Sie denn, was er persönlich von Kardinal Mindszenty hält?

Habsburg: Mit dem Papst habe ich nicht direkt über den ungarischen Kardinal gesprochen. Aber ich weiß, dass er schon seit seiner Zeit in Buenos Aires über alle ungarischen Ereignisse von 1956 und die Personen sehr gut informiert war. Und aus einigen Bemerkungen, die in den Medien berichtet wurden oder die ich von anderen Leuten gehört habe, scheint es mir, dass der Papst Mindszenty sehr schätzt.

kath.net: Was beeindruckt Sie besonders an Kardinal Mindszenty?

Habsburg: Ich glaube, am allermeisten seine große Klarheit. Er hat in wechselnden und schwierigen politischen Verhältnissen jederzeit einen ungeheuer klaren Blick für Ungerechtigkeiten gehabt. Mindszenty besitzt eine beeindruckende Sicherheit in der Entscheidung. Diese Klarheit verbindet sich bei ihm mit einem großen persönlichen Mut.

Und dann würde ich seinen Humor unterstreichen. Auf den Fotos blickt der Kardinal zwar notgedrungen sehr oft ernst drein, aber wenn man seine Autobiografie liest, spürt man diesen Humor in seinen zum Teil absurden und liebevollen Beschreibungen von Details heraus blitzen.

Er war ein tief gläubiger Priester. Einmal fragte ich einen der Augenzeugen, der ihn noch gekannt hatte, ob seiner Meinung nach Mindszenty ein Heiliger gewesen sei. Er antwortete, ohne eine Sekunde zu zögern, mit ja. Ich fragte ihn, woher er das wisse. Er antwortete, weil er ihn beim Messopfer erlebt habe. Das ist eine Dimension, die wir bei all seinem Heldenmut und politischen Engagement nie vergessen dürfen.

kath.net: Man bezeichnet ja Thomas Morus als einen „Heiligen des Gewissens“. Würden Sie auch den Kardinal als ein christliches „Vorbild des Gewissens“ bezeichnen?

Habsburg: Ich glaube, davon kann man durchaus sprechen. Ein Kardinal, der sich erst gegen den Nationalsozialismus, dann in Gefängnis und Verfolgung gegen den Kommunismus eingesetzt hat, muss ein Vorbild im Gewissen sein. Er ist seinem Gewissen und seinen Überzeugungen sogar so weit gefolgt, dass es für seine kirchlichen Vorgesetzten und vielleicht den Heiligen Stuhl nicht immer ganz einfach gewesen sein muss, weil er so klar ‚Kante gezeigt‘ hat.

Zugleich hat er aber auch das Gewissen nie unabhängig von Gehorsam gesehen. Z.B., als Papst Paul VI ihm seinen Titel als Primas von Esztergom abnahm, hat er ihn in seinen Korrespondenzen nie wieder verwendet. Eine hohe Priorität des Gewissens, ja, aber eines geformten Gewissens.

kath.net: Was würde es für Ungarn, was für die ungarischen Katholiken bedeuten, wenn einer von ihnen, mit dem sie ja die jüngere Geschichte teilen, seliggesprochen würde?

Habsburg: In vielen Interaktionen auf Twitter stelle ich fest, wie viele Verehrer der Kardinal auf der ganzen Welt hat. Aber das ist noch einmal Lichtjahre weg von der Liebe und der Begeisterung für Kardinal Mindszenty, welche die Ungarn empfinden.

Wir wissen, dass zumindest eineinhalb Millionen Ungarn jeden Tag für seine Seligsprechung beten.

Eine Seligsprechung dieses Mannes kommt zugleich auch einer Anerkennung des Kampfes des ungarischen Volkes gegen Unterdrückung und Totalitarismus gleich.

kath.net: Was ist nun der nächste Schritt im Seligsprechungsverfahren?

Habsburg: Nach der Anerkennung des heroischen Tugendgrades wird nun in der Kongregation das Wunder untersucht. Wenn diese Untersuchung positiv ausfällt, und der Papst die Seligsprechung freigibt, wäre es theoretisch möglich, das Mindszenty beim Eucharistischen Kongress im September 2020 seliggesprochen wird.

Darauf hoffen wir alle in Ungarn, und ich bitte die Leser von kath.net, uns dabei im Gebet zu unterstützen.

kath.net: Ich bin mir sehr sicher, dass sich viele unserer kath.net-Leser von Ihrer Bitte um Gebetsunterstützung inspirieren lassen! Danke für das Interview.

Foto Botschafter Eduard Habsburg


Kardinal Mindszenty


Foto (c) Eduard Habsburg


© 2019 www.kath.net