„Synodale Erneuerung“ oder die Weisheit der Märtyrer?

21. September 2020 in Buchtipp


„Bei näherer Beschäftigung mit der ‚Synodalen Erneuerung‘ fiel uns auf, dass manche Leute daran denken, wesentliche Dinge des Glaubens und der Kirche zu verändern.“ Leseprobe aus Jugendbuch: Msgr. Peter von Steinitz – „Die Königin“


Münster (kath.net) Noch am gleichen Tag rief Leano die Neun zu einer Lagebesprechung ins Jugendheim. Es gab viel zu erzählen, Leano versuchte aber zu erreichen, dass die verständliche Begeisterung nicht in ein allgemeines Schulterklopfen überging. „Ihr habt vielleicht festgestellt, dass auch noch andere Christen in aller Welt diesen Vorbereitungsdienst tun. Das freut uns natürlich. Hinter allen diesen Aktionen steht unsere Königin, die alles aufbietet, um die Menschen vor der Katastrophe zu retten.“


Die Jugendlichen erzählten von ihren Abenteuern.


„Wenn ich bedenke, wie ich da in Gegenwart der Bundeskanzlerin aufgetreten bin, als wäre ich die Kaiserin von China“, lachte Anja, „normalerweise wäre ich im Boden versunken.“ „Und wie ich in Kairo zu Christen und Muslimen gesprochen habe – ich habe mich selbst nicht wieder erkannt“, sagte Said. „Die Juden nennen das chuzpe, manchmal möchte man sich wünschen, dass wir Christen mehr davon hätten“, sagte Leano, „aber ein weiterer Höhepunkt eures Ausnahme-Apostolats kommt erst noch.“


Er machte eine Pause. Getränke und Knabberzeug fielen diesmal aus, da auch die Pfarrei inzwischen finanziell nicht mehr so üppig wie früher ausgestattet war.


„Der Herr Pfarrer ist mit eurer Arbeit sehr zufrieden, aber ihr wisst auch selber, dass ihr von oben eine außerordentlich starke Hilfe bekommt, die euch vieles leicht macht. Ich wage sogar, das zu vergleichen mit der ersten Aussendung der Jünger, wie der Herr sie zu zweit in die Städte sendet, in die er dann selber gehen wollte. Sie sollten sein Kommen vorbereiten. Und alles ist ihnen auffallend gut gelungen. Sie berichteten dem Herrn: ‚Sogar die Dämonen haben uns gehorcht‘. Nichts anderes habt auch ihr getan. Ihr habt vielen Menschen geholfen, das diffuse Gefühl der Schuld dahin zu führen, wo es hin muss, nämlich zur Reue, zur Gottesliebe und zum guten Vorsatz.


Hier sind Thomas, Sophia und Maximilian. Ihr habt in der Zwischenzeit einen Personenkreis aufgesucht, der für die Kirche in unserem Land und auch darüber hinaus wichtig ist. Ich spreche von dem Unternehmen ‚Synodale Erneuerung‘ der Kirche in Deutschland. Thomas, bist du so nett und erzählst uns ein bisschen von euren Eindrücken?“


„Ja, gerne. Die Synodale Erneuerung hatte ihre erste Hauptversammlung 30.1.-1.2.2020 und die zweite 3.-5.9.2020 bzw. die Regionaltreffen. Zwei weitere werden noch folgen. Das Ganze soll im Oktober 2021 zuende gehen.


Wir haben uns natürlich gefragt, was sollen wir dort, wo Menschen sind, die doch schon glauben und sogar den christlichen Glauben weitertragen wollen. Aber dann haben wir daran gedacht, dass bei den ersten Vorgängen der Seelenschau – wie du das immer nennst – auch viele Personen, die wir bisher als gläubig kannten, sehr unruhig wurden, in sich gingen und den Beichtstuhl aufsuchten. Wir selber haben ja auch gemerkt, dass eine Beichte uns sehr geholfen hat, uns den Kopf frei zu machen.


Diese Synodenmitglieder, immerhin Bischöfe, Professoren und wirklich alles sehr ernsthafte Leute – so haben wir uns das gedacht – müssen über sehr wichtige Dinge des katholischen Glaubens nachdenken und Entscheidungen treffen, wo besonders zwei Dinge wichtig sind: Wahrheit und Liebe.“


Sophia warf ein: „Also Jesus Christus. Jesus sagt von sich, er ist der ‚Weg, die Wahrheit und das Leben‘, und außerdem ‚Gott, also er, ist die Liebe’.“


„Bei näherer Beschäftigung mit der ‚Synodalen Erneuerung‘ fiel uns auf“, sagte Maximilian, „dass manche Leute daran denken, wesentliche Dinge des Glaubens und der Kirche zu verändern. Und da haben wir uns natürlich gefragt: können wir das überhaupt beurteilen?“


Wieder Thomas: „Da steckten wir also richtig fest, aber dann machte uns Pfarrer Lichtenberg auf die Märtyrer aufmerksam, die zu allen Zeiten auch oft ungebildete Leute waren, aber trotzdem die Wahrheit vom Irrtum so genau unterscheiden konnten, dass sie für die Wahrheit sogar ihr Leben hingaben. Wir hatten uns ja schon früher mit dem Großonkel unseres Pfarrers, dem Märtyrer Bernhard Lichtenberg befasst.


Jetzt haben wir uns zusätzlich noch mit den jungen Leuten aus den verschiedensten Epochen beschäftigt. Das Ergebnis war immer dasselbe. Zuerst befragten wir Agnes, Cäcilia, Sebastian, Pantaleon, Tarcisius und andere. Und da hatten wir die Lösung: bei solchen komplizierten Fragen, ob zum Beispiel Frauen zu Priestern geweiht werden sollten, oder ob man die Moral in sexuellen Dingen erleichtern soll und so weiter, da sollte man die Märtyrer befragen. Und so haben wir zu ihnen gebetet und versucht uns vorzustellen, wie sie diese Probleme gesehen hätten.


Beim Thema Sexualmoral war es ganz einfach. Diese jungen Mädchen Cäcilia, Agnes, Katharina – sie hätten es leichter haben können, wenn sie gesagt hätten, in sexuellen Dingen muss man nicht so enge Maßstäbe anlegen. Oder die ungefähr dreißig Jungen in Uganda im 19. Jahrhundert, die sich am Hof des Königs Mwanga II. weigerten, sich den unsittlichen Forderungen des Königs zu fügen. Sie kannten noch nicht die neue Sexualmoral, die ihnen das Martyrium erspart hätte.


Viel schwieriger war die Frage, wie wir an die Leute heran kommen sollten. Die nächste Hauptversammlung war erst wieder in einem halben Jahr. Da half uns wieder einmal Pfarrer Lichtenberg. Er ist ja gut befreundet mit einem griechisch orthodoxen Priester namens Konstantin Maron, der bei der ‚Synodalen Erneuerung‘ als offizieller Beobachter im Auftrage der Orthodoxen Bischofskonferenz dabei ist. Er war so nett, und tat es aus Sympathie zu unserem Pfarrer, uns einen Gesprächstermin mit den Spitzen der ‚Synodalen Erneuerung‘, nämlich mit Bischof Blatzheim und dem Vorsitzenden des Zentralkomités der Deutschen Katholiken, Herrn Stahrenberg, zu erwirken, die diesen Termin, wie sie sagten, aus ökumenischen Gründen gerne wahrnehmen wollten, da sie ihn in einer Corona-Pause gut unterbringen konnten.


Das Ganze war vorgestern, also waren wir und alle Beteiligten noch ganz unter dem Eindruck der tiefen Gewissensprüfung von oben.


Das Gespräch war sehr angenehm. Außer dem Bischof und Herrn Stahrenberg waren noch ein Herr und eine Dame anwesend. Alle vier waren sehr ernst und begrüßten uns sehr freundlich.


Herr Stahrenberg sagte zu Beginn, dass er den Eindruck gewonnen habe, dass die Ereignisse der letzten Tage und Wochen ihnen allen einen tieferen Einblick in die Erfordernisse des heutigen kirchlichen Lebens vermittelt hätten, und dass man manche kontroversen Fragen noch mehr als bisher auf unseren Herrn Jesus Christus beziehen müsse. Das fand ich echt cool.


Wir sagten dann, besser gesagt, ich wurde als Sprecher der Gruppe ausgeguckt, „Verehrter Herr Bischof ...“, das heißt ich sagte „Exzellenz“, weil Leano mir gesagt hatte, dass man einen Bischof so anspricht, „wir sind Schüler aus der letzten Klasse des Helmholtz-Gymnasiums unserer Stadt. Durch das Corona-Geschehen haben wir Zeit verloren, aber auch viel Zeit gehabt, um über wichtige Dinge, vor allem des christlichen Glaubens nachzudenken.“


Der Bischof nickte sehr freundlich und stellte sofort eine Frage: „Und habt ihr darüber auch nachgedacht, dass die Kirche in Deutschland, besonders nach den Missbrauchsfällen, unbedingt eine Erneuerung braucht?“


„Jawohl, Herr Bischof, sagte ich, und wir haben uns auch in einem Seminar, das unser Pfarrer Lichtenberg und unser Betreuer Leano organisiert haben, mit den Themen beschäftigt, die die ‚Synodale Erneuerung‘ sich vorgeknöpft hat.“


Maximilian warf ein: „Bei dem Wort ‚vorgeknöpft‘ hat der Bischof etwas geblinzelt, aber ich glaube, er fand es passend.“ Maximilian selbst hatte sich inzwischen einen Bart stehen lassen, der vielfach als nicht sehr passend kommentiert wurde, aber natürlich nicht jetzt und hier.


„Ist jetzt nicht wichtig“, meinte Sophia. „Aber wir haben dann schnell das Gespräch auf die Märtyrer gebracht. Thomas erwähnte den heiligen Thomas Morus in England, der damals für die Unauflöslichkeit der Ehe Heinrichs VIII. den Märtyrertod auf sich nahm. Und ich sagte, dass ich Sophia heiße und wüsste, dass das eine frühchristliche Märtyrerin in Rom war, und dass sie drei Töchter hatte, die später gottgeweihte Jungfrauen wurden.“ Da der Bischof das Stichwort ‚gottgeweihte Jungfrauen‘ nicht aufgriff, sagte ich: ‚Also junge Mädchen, die den Zölibat gelebt haben. Ich finde das cool, obwohl vielleicht doch auch eine wenigstens hätte heiraten können.‘


Darauf meinte Herr Stahrenberg: ‚Da würde mich mal die Meinung von jungen Leuten interessieren: Was haltet ihr von der Forderung, dass für die Priester der Zölibat nicht mehr zwingend erforderlich sein sollte?‘ Max und Thomas sagten darauf, dass sie die Vorschrift sehr sinnvoll finden, da Christus doch der Ewige Hohepriester sei und er ja nicht verheiratet gewesen sei. Als der Bischof sagte, dass Sexualität immerhin etwas Positives sei, meinte Thomas kategorisch, die irdische Liebe ist ok – allerdings nur in der Ehe von Mann und Frau – aber die himmlische Liebe stehe darüber, und das sei ja gerade das, was Jesus und Maria so attraktiv macht.


Die beiden Herren waren, aus dem schon erwähnten Grund, nicht besonders kämpferisch, und wir hatten den Eindruck, dass sie manche Dinge inzwischen anders sahen. Aber als Thomas dann sagte: ‚In der Schule hat man uns das regelrecht eingebläut: du musst Sex haben, sonst wirst du krank!‘ wurden sie etwas nervös, aber das war uns egal.


Thomas sagte dann: ‚Exzellenz, der orthodoxe Freund von Pfarrer Lichtenberg sagte uns bezüglich des Zölibats der Priester, dass man beim Patriarchat sehr aufmerksam verfolgt, was die katholische Kirche zum Zölibat der Priester entscheidet, und wir bekamen mit, wie er zum Pfarrer sagte: wir hoffen sehr, dass ihr die Ehelosigkeit der Priester beibehaltet ...‘ da zog der Bischof die Augenbrauen hoch, ‚... den Zölibat beibehaltet, denn auch für uns ist er das Ideal, nur wir waren gezwungen, teilweise Konzessionen zu machen. Ihr habt da mehr Möglichkeiten, weil ihr von der staatlichen Macht meistens unabhängig seid.’ Mehr und mehr hatten wir den Eindruck, dass die verantwortlichen Personen dieser Art von Synode gar nicht mehr so wild auf den Forderungen über Priestertum der Frau, Machtstrukturen, Zölibat und Sexualmoral bestehen wollten.


Bischof Blatzheim sagte schließlich: ‚Dass aber Frauen auch das Recht haben sollen, Priester zu werden, werdet ihr doch wohl akzeptieren?‘ Wir hatten den Eindruck, dass er schon fast auf dem Rückzug war.


Thomas sagte, geradezu liebevoll: ‚Herr Bischof Blatzheim, ich habe eine wunderbare Mutter, wir sind vier Geschwister, und sie sagt mir: Vier Kinder und einen Mann großziehen ist eigentlich schon Herausforderung genug, aber es ist auch Zufriedenheit genug. Ich brauche so etwas nicht. Und dann sagte sie mir: Thomas, du hast doch einen gesunden Menschenverstand: wenn in zweitausend Jahren Frauen nicht Priester geworden sind, warum soll es jetzt auf einmal richtig sein. Dass die Kirche zweitausend Jahre falsch gelegen haben soll, erscheint bei einigem Nachdenken unwahrscheinlich.


Wohlgemerkt theoretisch. Praktische Fehler sind immer gemacht worden. Und dann wurde meine Mutter ganz krabätzig und sagte: wenn die Priester sittliche Fehler machen, sollte man ihnen verbieten, im Internet soviel Porno zu gucken.’


Leano sagte, als sie mit dem Bericht fertig waren: „Und? Habt ihr den Eindruck, dass der Besuch etwas gebracht hat?“


Pfarrer Lichtenberg war inzwischen dazu gekommen. Bevor er jeden einzelnen per Handschlag begrüßte, was nach dem Ende der zweiten Corona-Krise wieder erlaubt war, sagte er zu Leano und den drei gewandt: „Nun, das kann man nicht erwarten, dass ein so großes Gremium nun geschlossen seine Richtung ändert. Die müssen jetzt ihr Ding zuende machen, aber ich könnte mir vorstellen, dass sie unterwegs ein wenig die Richtung ändern.“


Dann wandte er sich mit einem breiten Lächeln an die übrigen Jugendlichen: „Ich freue mich mit euch, dass ihr vielen Menschen bei der Bewältigung der Gewissenskrise – nennen wir das einmal so – geholfen habt. Ich muss sagen, dass mein Herz voller Dankbarkeit ist gegen den Himmlischen Vater, der ein solches völlig außergewöhnliches Wunder gewirkt hat, wie es das noch nie in der Geschichte der Menschheit gegeben hat.


Das bedeutet aber auch, dass das, wovor Gott uns bewahren will, ebenfalls außergewöhnlich furchtbar sein muss. Jetzt heißt es, sehr viel beten, dass ein guter Teil der Menschheit diese Chance nutzt. Alle werden sich nicht bekehren, aber es müssen mehr sein als ein paar Tausend.“

 

kath.net-Buchtipp
Die Königin
Ronnie und die Zehn
Von Peter von Steinitz
Buch, 310 Seiten
2020 fe-medienverlag
ISBN 978-3-86357-274-7
Preis Österreich: 13.20 EUR


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