Eine seltsame Botschaft auf Twitter von Erzbischof Schick

30. November 2020 in Aktuelles


Mag man den Schulschwänzerinnen von „Friday for Future“ nachsehen, dass sie in Wirtschaftskunde nicht aufpassen, aber kann ein katholischer Erzbischof nicht die Zeit aufbringen, die Dinge sorgsam zu durchdenken - Der Montagskick von Peter Winnemöller


Bamberg (kath.net)

Der Twitterkanal des Erzbischofs von Bamberg sendet zuweilen geistliche Botschaften, dazwischen Nachrichten, Segenswünsche und Gebetsbitten. Dem Grunde nach ist es ein Twitterkanal, wie man ihn von einem katholischen Bischof erwartet. Dabei gilt, was auch immer für gute Predigten gilt, nie ist eine Predigt wirklich gut, wenn man die ganze Zeit über zustimmend nickt. So darf auch der Twitterkanal eines Bischofs als Medium der Verkündigung durchaus mal verstören.

Verstörend war die Botschaft vom 27. November um 7:22 Uhr. Zunächst ein tröstlicher, durchaus freitäglicher Gedanke, der ans Kreuz erinnert und an die Pflicht des Christen sein Kreuz zu tragen. Es schließt an eine Bitte, auch für den Nächsten um diese Kraft zu beten. Das ist gut so, denn obwohl Gott diese Kraft, das Kreuz zu tragen, schenkt, so ist es dennoch kein Automatismus. Der Weg des Menschen mit Gott ist ein Weg des liebenden Dialogs, den wir Gebet nennen und der auch die Stellvertretung nie ausschließen kann.

In wenigen Zeilen können sehr tiefe theologische und geistliche Gedanken zum Ausdruck gebracht werden. Darum sollte man Twitter als Verkündigungsoption keineswegs geringschätzen. Es schließt sich ein Segen an, der gerne auch trinitarisch hätte sein dürfen. Warum sollen wir der Welt unseren Glauben an den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist vorenthalten. Der Wunsch niederschwellig zu bleiben ist nicht immer angezeigt, vor allem dann nicht, wenn es ans Eingemachte des Glaubens geht. Dennoch muss man sagen, endete der Tweet nach dem Segen, so könnte, man ihn als gelungenen Verkündigungstweet eines katholischen Bischofs ansehen.

Dann schließt sich ein kontextuell nicht zu integrierender Nachsatz an, der den misslungenen Versuch eines Ausflugs in die katholische Soziallehre darstellen soll. Beim Black Friday so der plötzlich hypermoralisch erhobene erzbischöfliche Zeigefinger solle man an „Friday for future“ denken und so lässt sich der etwas kryptische Schluss wohl deuten, abwägen, was „Bedarf“ und was „Konsum“ sei. Dabei ist liegt dem Tweet wohl ein sehr problematischer Konsumbegriff zugrunde.

Als sei Konsum moralisch negativ zu beurteilen. In der Wirtschaft unterscheidet man grundsätzlich zwischen Investition und Konsum. Bei beidem handelt es sich um Ausgaben zum Zwecke von Anschaffungen. Unternehmen investieren, Haushalte konsumieren. Somit ist jede Ausgabe, die ein Haushalt tätigt, systematisch „Konsum“. Die Deckung des täglichen Bedarfs eines jeden von uns ist Konsum. Auch die katholische Soziallehre setzt hierin auf den allgemein üblichen Definitionen der Wirtschaftswissenschaften auf und schafft keine Sonderbegrifflichkeiten. Mag man den Schulschwänzerinnen von „Friday for Future“ nachsehen, dass sie in Wirtschaftskunde nicht aufpassen, weil sie ja die Welt retten müssen, kann ein katholischer Erzbischof, der weiß, dass die Welt schon gerettet ist, nicht die Zeit aufbringen, die Dinge sorgsam zu durchdenken.

Zudem – wenn schon moralisch argumentiert wird, dann ist auch moralisch zu antworten – kämpfen im Einzelhandel und in der Gastronomie gerade zahlreiche Menschen und Familien um ihre Existenz. Diese sind vom Konsum der Haushalte abhängig, um wirtschaftlich die Kollateralschäden der internationalen Coronapolitik zu überleben. Sich in Zeiten dramatisch gesunkener Umsätze im lokalen Einzelhandel unreflektiert konsumkritisch (zudem unter Verwendung eines unsinningen Konsumbegriffs), ist für einen katholischen Erzbischof mehr als nur dramatisch. Diejenigen, gegen deren Umsatz er wettert, sind diejenigen, die ob katholisch oder nicht, mit ihren Steuern das üppige Gehalt des Erzbischofs von Bamberg zahlen. Auch in Zeiten sinkender Umsätze muss in Deutschland kein Bischof um sein Auskommen fürchten. Zahlreiche Geschäftsleute fürchten sehr wohl um ihre Existenz. Zahlreiche Arbeiter und Angestellte in vielen – konsumabhängigen - Branchen fürchten um ihre Jobs. Wo bitte liegt die Solidarität des Erzbischofs? Gewiss liegt sie nicht dort, wo es die katholische Soziallehre einfordert, nämlich bei denen, deren Existenz durch äußere Umstände bedroht ist.

Es ist unerklärlich, wie es zu so einer sonderbaren Kombination kommen kann, die einen im Ansatz guten Verkündigungstweet so zerstört und geradezu konterkariert, wenn auf der einen Seite vom Tragen der Last und von der Kraft die Gott dazu verleiht gesprochen wird und dann die wirtschaftlich Leidtragenden der gegenwärtigen Zeit förmlich verspottet werden, indem man lieber an eine umstrittene Teeniehype statt an Arbeitsplätze denken soll. Twitter gibt die Möglichkeit zu antworten. Die Antworten auf diesen Tweet sind verheerend. Man kann es verstehen. So verschreckt man die Menschen eher, als dass man sie für den Glauben gewinnt. In welcher Sonderwelt leben die Komponisten solcher Tweets wohl?


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