Klassiker wie Homer oder Platon sollen aus US-Lehrplänen verschwinden

24. Februar 2021 in Chronik


Diese vermeintlich antirassistische „Dekolonisierung“ wird als kurzsichtiger politischer Rachefeldzug, der Intoleranz fördere und das intellektuelle Niveau senke, scharf kritisiert.


Washington D.C. (kath.net/mk) Klassische Literatur, die an US-Universitäten unterrichtet wird, soll, wenn es nach Dan-el Padilla Peralta, einem afroamerikanischen Akademiker, geht, von „weißem Nationalismus“, also vielen bekannten und typischen Autoren gesäubert werden. Padilla, der selbst klassische Literatur an der renommierten Princeton University unterrichtet, behauptet, dass die westlichen Vorstellungen von Weisheit auf „Weißheit“ basieren würden, was letztlich den antiken Autoren zuzuschreiben sei. Er ergänzt, dass "die Klassik so sehr mit der weißen Vorherrschaft verwoben ist, dass sie unlösbar mit ihr verbunden ist“. Und er ist nicht der einzige US-Professor, der das so sieht.

"Es ist selten, dass man andere Fälle von Gelehrten findet, die so von Hass auf ihr eigenes Lehrfach zerfressen sind, dass sie es buchstäblich von innen heraus zerstören wollen", so kommentiert es der Schriftsteller Rich Lowry für das National Review. Die Redekunst eines Perikles oder Cicero wie auch die Ehrfurcht gebietende Schönheit antiker Architektur und Bildhauerei seien allen zugänglich, gleich welcher Rasse und Religion. Die Griechen hätten uns das Beispiel der Demokratie gegeben, das römische Recht wirke in unseren Rechtssystemen und Institutionen fort. Zwar habe es auch in diesen Kulturen Gewalt und Unterdrückung gegeben, wie in allen früheren Gesellschaften; die Griechen und Römer hätten aber die Stärke bewiesen, ihre eigene Gesellschaft kritisch zu beleuchten, was zu einem Eckpfeiler westlicher Kulturen geworden sei, so analysiert Lowry.
Der britische Künstler und Schriftsteller Alexander Adams fügt hinzu, amerikanische Universitätsabteilungen seien voll von ängstlichen Akademikern, die glauben, dass ihre Fächer von Sexismus, Rassismus und Homophobie durchsetzt seien. Der Tod von George Floyd im letzten Sommer habe die angemessene Sorge über ungerechte Behandlung zu einer Übersensibilität werden lassen und zum Teil bis in die Hysterie gesteigert, sodass ein Klima der Angst die Lehrstätten beherrsche.
Tatsächlich trug sich ein Professor einen Rassismusvorwurf seitens einer nicht weißen Studentin ein, weil er alle seine Studenten dazu anhielt, sich mehr Mühe zu geben. In Südkalifornien wurde ein anderer Professor suspendiert, weil er im Rahmen einer Vorlesung über Sprachmuster ein chinesisches Wort erwähnte, dass ähnlich wie das Schimpfwort „Nigger“ klang.
Adams verweist darauf, dass gerade die Klassiker viel über Toleranz, Fairness und die freie Rede zu sagen gehabt hätten. Die stoischen Philosophen wiederum würden der heutigen Opferkultur widersprechen, weshalb sie offenbar ein Dorn im Auge seien. Den Lehrplan zu „dekolonisieren“ und den Literaturkanon letzten Endes durch Quoten zu ersetzen, sei eine politische Machtdemonstration und ein Rachefeldzug, was in der Zukunft zu Intoleranz und Spaltung, aber auch einem Absinken des intellektuellen Niveaus der betroffenen Universitäten führen werde.

Auch Rod Dreher, der christliche Autor der „Benedikt-Option“, sieht in diesen Versuchen der Literatursäuberung einen „sanften Totalitarismus“ am Werk. In einem Beitrag für The American Conservative kritisiert er die Bestrebungen der Bewegung „Disrupt Texts“, die klassische Werke wie jene von Shakespeare oder Homer aus dem schulischen Lehrplan entfernen wollen, wie die Tagespost berichtet. Dreher ermahnt die Eltern, hellhörig für solche anhaltenden Versuche, Kindern den Zugang zur klassischen Literatur zu verweigern, zu sein. Hintergrund ist ein Bericht über eine Schule in Massachusetts, die sich entschlossen hat,

Homers „Odyssee“ „aufgrund der white supremacy“ (Anm.: weiße Vorherrschaft) aus dem Curriculum zu streichen.
Die junge Autorin Padma Venkatraman erklärt in einer Zeitschrift für Schulbibliothekare ihr Ethos, das solche Aktionen gut heiße: „Kinder sollten keine Geschichten zu lesen haben, die in einer anderen als der heutigen Umgangssprache verfasst wurden - besonders jene nicht, in denen Rassismus, Sexismus, Behindertenfeindlichkeit, Antisemitismus und andere Formen des Hasses die Norm sind.“ Kein Verfasser sei wichtig genug, um nicht auf diesen Prüfstand zu kommen. Denn selbst hervorragende gelehrte Leistungen könnten eine hasserfüllte Rhetorik nicht wettmachen, etwa bei Shakespeare.

Diese auch unter dem Schlagwort „Cancel Culture“ bekannte Säuberungswelle ist bereits nach Europa übergeschwappt und hat etwa die britische Universität Leicester erfasst. Dort sollen Meisterwerke der englischen Literatur, wie Geoffrey Chaucers „Canterbury Tales“ und das frühmittelalterliche epische Heldengedicht „Beowulf“, aber auch John Miltons „Paradise Lost“ aus dem Curriculum gestrichen werden, wie die Daily Mail mitteilt. Die Universitätsleitung betrachtet den neuen, „dekolonisierten“ Lehrplan als „aufregend innovativ“, dieser solle eine Auswahl von Modulen über Rasse, Ethnie, Sexualität und Diversität beinhalten.

Die Universität sieht sich mittlerweile mit einer Flut an Kritik konfrontiert, auch von namhaften britischen Historikern, die etwa darauf verweisen, dass es ja das Wesentliche an der Literatur sei, dabei zu helfen, „sich Welten vorzustellen, die wir ansonsten nicht erreichen“ könnten, statt uns „etwas darüber zu erzählen, was uns bereits vertraut ist“ (Robert Tombs).

 


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