‚Papst Franziskus verliert seinen Kulturkampf’

30. Juli 2021 in Weltkirche


Mit ‚Traditionis custodes’ habe Franziskus selbst seine Freunde unter den Bischöfe verärgert. Die eigentliche Frage sei nicht, in welchem Ritus die Menschen die Messe feiern, sondern warum sie nicht mehr zur Messe kommen, schreibt Tim Stanley.


London (kath.net/jg)

Seit seinem ersten Kommentar zu „Traditionis custodes“, in welchem er den „gnadenlosen Krieg“ des Papstes gegen den Alten Ritus kritisiert hat, habe sich eine unerwartete und erfreuliche Entwicklung gezeigt: Viele – wenn auch nicht alle – Bischöfe würden einfach nichts ändern, schreibt Tim Stanley in einem weiteren Beitrag für das Magazin The Spectator. Sie würden den Vorgaben von „Traditionis custodes“ dem Buchstaben nach folgen, dessen Sinn aber ignorieren und ihren Priestern weiterhin gestatten, die Messe im Alten Ritus zu feiern. „So führt man still und leise die Wende im Kulturkampf herbei: Man ignoriert den Tyrannen“, kommentiert Stanley.

Warum würden die Bischöfe, darunter sogar Freunde von Papst Franziskus, so reagieren, fragt er weiter. Er sieht den Grund darin, dass das Vorgehen von Franziskus die Bischöfe beleidigt habe. Er habe in der Vergangenheit ständig die Synodalität der Kirche beschworen, die durch Diskussionen und Konsens Entschlüsse fasst. „Traditionis custodes“ sei aber auch für die Bischöfe wie ein Blitz aus heiterem Himmel gekommen.

Zweitens hätten diese Bischöfe gesehen, dass die Feier des Alten Ritus ihren Diözesen nicht schade. Es gebe keinen Grund, warum ein Bischof die Gläubigen oder Priester, die mit der Alten Messe verbunden sind, gegen sich aufbringen sollte, meint Stanley.

Mit „Summorum pontificum“ habe Benedikt XVI. die beiden Formen des Römischen Messritus miteinander versöhnen wollen. Beide Formen haben die gleiche Gültigkeit und können einander bereichern. Das sei die Auffassung von Benedikt XVI. gewesen, der damit Voraussetzungen für eine größere Einheit in der Kirche geschaffen habe. Es sei Papst Franziskus, der die Einheit in Gefahr bringe, indem er eine Kontroverse thematisiere, die für 99 Prozent der Katholiken gar nicht existiere. Franziskus habe die Diskussion über die Liturgie wieder entfacht, nicht die Traditionalisten. Papst Benedikt habe die Auffassung vertreten, der Neue Ritus habe starke Wurzeln im Alten. Wenn man aber den Alten Ritus in Frage stelle, was ist dann die Grundlage für den Neuen? Würde das bedeuten, dass in den 1970er-Jahren eine völlig neue Liturgie eingeführt wurde, die dann das Jahr 0 in der Liturgiegeschichte markiert?

Die Bischöfe, welche die Feier des Alten Ritus weiterhin erlauben, haben nach Ansicht von Stanley eine größere pastorale Sensibilität gezeigt als Papst Franziskus.

Abschließend verweist er auf Kardinal Zen. Der emeritierte Erzbischof von Hongkong habe das eigentliche Problem der Kirche in den westlichen Ländern angesprochen. Es sei nicht die Frage, in welchem Ritus die Menschen die Messe feiern, die Frage ist, warum sie – vor allem in westlichen Ländern – in zunehmendem Maß gar nicht mehr zur Messe gehen. Die Umkehrung dieses Trends sei die eigentliche Aufgabe der Kirche, die echte Einheit, seelsorgerische Betreuung und Sorge um eine ausgezeichnete Liturgie erfordere, schreibt Stanley abschließend.

 

 


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