"Tolle Ideen aus Übersee"

16. August 2021 in Kommentar


"Der Geist der Synodalität treibt recht muntere Blüten und ist ähnlich wie sein älterer Bruder, der Geist des Konzils, welcher nicht mit dem Konzil gleichgesetzt werden darf" - Der Montagskick von Peter Winnemöller


Linz (kath.net) Laien sollen Gemeinden leiten, damit die Priester mehr studieren können, schlägt Carlos Castillo Mattasoglio, Erzbischof von Lima vor. Als weiteren Grund nennt der ehemalige Professor, man müsse „eine Philosophie des einfachen täglichen Lebens der Menschen" aufgreifen. Das sei Synodalität, betont der Oberhirte der Hauptstadtdiözese von Peru.

Der Geist der Synodalität treibt also recht muntere Blüten. Dieser Geist der Synodalität ist ähnlich wie sein älterer Bruder, der Geist des Konzils, welcher nicht mit dem Konzil gleichgesetzt werden darf, mit der Synode gleichzusetzen. Interessant dabei ist, der bestimmte Artikel in beiden Fällen, welcher es verbietet, ein Konzil oder eine Synode genauer bestimmen zu müssen. Als sei im II. Vatikanum die Kirche erst erfunden worden und als werde die Erfindung von damals erst jetzt in jenem von Papst Franziskus erfundenen weltweiten synodalen Prozess umgesetzt. Nicht nur in Europa, sondern in der ganzen Welt kriechen nun die seltsamsten Protestantisierungsideen aus ihren seit Jahren leider wohlgepflegten Löchern.

Aktuell ist es also der Erzbischof von Lima, der sich als Kirchenrebell unter Mitra hervortut. Sorgen wir uns also in Deutschland um Hirten, die die Kirche protestantisieren wollen, so können wir sicher sein, dass wir in der Weltkirche nicht allein diese Art Sorgen haben. Das Erzbistum Lima liegt in Peru und wurde 1451 von Papst Paul III. gegründet. Im Jahr 1456 erhob derselbe Papst das Bistum bereits zum Erzbistum. Gerne werden die Kirchen von Lateinamerika als junge Kirchen bezeichnet. Das Alter so mancher Bistümer konterkariert diese Vorstellung doch gewaltig. Im Bistum Lima leben 2,5 Mio. Katholiken. Das Bistum hat 124 Pfarreien auf einer Fläche von 639 km2. Im Erzbistum Lima wirken 487 Priester (darunter 281 Ordenspriester). Es ist, selbst wenn man Kategorialseelsorge und Leitungsverantwortung in der Diözese einrechnet, immer noch möglich, dass 1,5 Priester pro Pfarrei tätig sein können.

Der Bischof redet daher auch erst gar nicht von Priestermangel, sondern von einer bürgernahen und gleichberechtigten Kirche, die es zu schaffen (sic!) gelte. Da das Kirchenrecht eindeutig gegen die Leitung von Pfarreien durch Laien ausspricht, wie in einer Instruktion im Juli vergangenen Jahres vom Vatikan betont wurde, hielt sich Bischof Mattasoglio längere Zeit in Rom auf, um für seinen Plan zu werben. Seine Ideen stellte er als Ergebnis einer „synodalen Versammlung“ seiner Diözese vor. Mit dem Vorschlag berief er sich trotz anderslautenden Instruktionen aus Rom und gegen das geltende Kirchenrecht auf Papst Franziskus. Der Papst wolle, behauptet der Erzbischof, dass sich die Kirche auf lateinamerikanischer und globaler Ebene darüber berät, wie die Zukunft aussehen soll, und sich entsprechend der Vereinbarung, die die Autoritäten mit den Menschen selbst haben, organisiere und so voranschreite.

Damit zeigt sich, wie sehr der Mattasoglio, der zunächst Sozialwissenschaften studierte, die Kirche tatsächlich allein als eine soziologische Größe auffasst. Darin nämlich liegt der Kern der gesamten Problematik. Auch in Europa spielen Sozialwissenschaften in der praktischen Ekklesiologie eine immer größere Rolle. Auch der frühere Vorsitzende der DBK, Kardinal Marx, zeigte und zeigt sich häufig mehr als Sozialwissenschaftler, denn als Theologe. Von einer soziologischen Warte gesehen, ist die Entwicklung der Kirche in eine protestantische Gemeinschaft geradezu eine Evidenz. Die Kirche befreit und stärkt die Menschen, sie setzt sich überall, wo sie Fuß fasst für Bildung und Akademisierung der Menschen ein. Sie führt Menschen immer zur größeren Freiheit der Kinder Gottes. Aus diesen freien Menschen werden selbstbewusste Menschen, die Leider der Urversuchung der Erbsünde auf den Leim gehen und sein wollen, wie Gott. Dabei ist die Soziologie - äquivalent zur Philosophie oder Psychologie - eine sehr gute Hilfswissenschaft für die Theologie. Es geht darum, bestimmte Phänomene, die sich in menschlichen Gemeinschaften ereignen, angemessen zu beschreiben. Es kann nicht sein, die Soziologie als Wissenschaft zu verdammen. Es muss eine hierarchische Einordung der Erkenntnisse geben. Hinsichtlich der Kirche ist die Soziologie hilfreich, Erscheinungen der Zeit zu beschreiben. Das Wesen der Kirche als göttliche Stiftung kann sie nicht erfassen.

Gott hat die Kirche gewollt, der Sohn hat sie gegründet und es ist der Heilige Geist, die dritte Person des einen Gottes, der die Kirche leitet. Dabei gilt es zu hören, was der Geist den Gemeinden sagt, wie die Kirche zu sein hat. Der Geist hat der Kirche – in einer für menschliche, d.h. sozilogische Begriffe sagenhaften Geschwindigkeit – die sakramentale Struktur des Amtes und damit des Leitungshandelns der Kirche, sowie der Seelsorge verliehen. Das dreigliedrige Amt der Kirche war am Ende des ersten Jahrhunderts, also am Ende der apostolischen Zeit der Kirche, in seiner Fülle vorhanden und ist seitdem im Kern unverändert. Das Amt der Kirche in seiner sakramentalen Gestalt ist von Gott gewollt und nicht vom Menschen gemacht. Damit hat kein Bischof das Recht, den Gemeinden den Pfarrer vorzuenthalten. Wo keine Pfarrei mehr möglich ist, da solle es Missionsstationen geben, so die Pfarreiinstruktion aus Rom. Wo aber 1,5 Priester pro Gemeinde zur Verfügung stehen, kann kein Bischof erklären, warum nicht jede Pfarrei einen Pfarrer haben kann.

Unbestritten ist, dass es in der Vergangenheit einen ungesunden Klerozentrismus gab, wenn der Pfarrer entscheiden musste, welche Sorte Klobrillen im Pfarrheim eingebaut werden. Pfarrern Mikromanagement auszutreiben wäre eine gute Sache. Viele Aufgaben in der Pfarrei können und sollten an sachkundige Laien abgegeben werden, damit die Pfarrer für ihr „Kerngeschäft“, nämlich sakramentales Leitungshandeln, sakramentale Seelsorge, Mission und Verkündigung genügend Zeit haben.

Es gibt also weder in Lateinamerika noch in Deutschland einen Grund zu glauben, wir müssten die Kirche „gestalten“ oder selber darüber beraten, wie die Kirche der Zukunft auszusehen habe. Die Kirche der Zukunft wird in ihrem Kern die gleiche sakramentale Gestalt haben, die sie in der Vergangenheit und von Beginn an hatte. Wo das nicht akzeptiert wird, herrscht Spaltung und Zerwürfnis. Erst wenn wir das akzeptieren können, werden wir die Bereiche in der Kirche neu entdecken, in denen wir wirklich und fruchtbar gestalten können. Und da gibt es vieles, was die Kirche als Minderheit in einer säkularen, sich abkühlenden Gesellschaft schenken kann. In der Antike waren es die neben vielem anderen die Krankenhäuser. Wir merken doch selber schon lange, dass eine säkulare Gesellschaft Gesundheit kommerzialisiert, oder? Die Folgen sind ein Drama. Euthanasie beispielsweise ist ein aller Munde, weil die demographisch zerbröselnden Gesellschaften im Westen die Alten nicht mehr integrieren kann. Da gibt es jenseits der Sozialkassen reichlich Arbeit für die Kirche. Nur mal so als eine Anregung für alle, die von Synoden gelangweilt sind.

 


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