"Bist du ein Pharisäer? Drei mögliche Anzeichen dafür"

20. August 2021 in Kommentar


Eine klare Erkenntnis der letzten Zeit: alle besonders bemühten Menschen sind gefährdet, Pharisäer zu werden. Ob es dabei um Glaubenswahrheiten oder auch nur das Reizthema Corona geht, ist, so meine ich, egal - BeneDicta am Freitag von Linda Noé


Linz (kath.net)

Das „weltliche“, hedonistische Leben präsentiert sich immer schon gern als „die große Freiheit“, erst recht gegenüber dem Leben der Gläubigen, die sich doch dauernd an alle möglichen selbst auferlegten Regeln halten müssen.  Auch ich war bei meinem Eintritt in die katholische Kirche damit konfrontiert, dass so mancher Freund meinen Schritt in diese „Enge“ nicht nachvollziehen konnte, unter den moralischen Zeigefinger einer Institution, in der sich doch die Chefetage selbst nicht mal an die eigenen Vorgaben hält. Diese Ansicht ist eine bedauerlich kurzsichtige, aber nichtsdestotrotz weit verbreitete des heutigen Zeitgeistes.

Nun, das Gefühl der großen Konsequenz losen „Freiheit und Machbarkeit von Allem und Jedem“ des Hedonismus hat in den letzten zwei Jahren durch Corona einen gehörigen Dämpfer bekommen. Gleichzeitig kann man beobachten, wie neue Arten von „Glaubenswächtern“ auf den gesellschaftlichen Plan treten, mit erstaunlich starker Dogmatik, einhergehenden Denk- und Sprechverboten und einer sehr schnellen Einteilung der Menschen in gut oder böse. Häretiker sind heute oft die, die zum Thema Corona und den zugehörigen Maßnahmen eine andere Ansicht vertreten als man selbst. Durch die hochemotional und zermürbend geführten Debatten scheint sich so Mancher immer stärker in seinen Ansichten zu radikalisieren und überhaupt nur mehr ein Thema zu kennen das an Wichtigkeit nicht zu überbieten ist. Nein, mein Thema soll heute weder Corona noch die Impfung sein. Für mich ist eine klare Erkenntnis der letzten Zeit: alle, alle bemühten Menschen sind gefährdet, Pharisäer zu werden. Ob es dabei um Glaubenswahrheiten oder auch nur das schnöde Thema Corona geht, ist, so meine ich, wirklich egal. (Davon abgesehen, dass es unter Christen nochmal trauriger ist, weil wir es besser wissen müssten.) Wer „Dienstanweisungen für einen Unterteufel“ von C.S. Lewis gelesen hat, musste dabei höchstwahrscheinlich ab und an betroffen auflachen, wenn darin die üblichen Tricks des Teufels beschrieben werden, die er anwendet, um die Menschen vom Weg mit Gott abzubringen.

Der Teufel ist nicht kreativ. Ich bin überzeugt, wenn der Feind einen Menschen nicht dazu bringen kann, etwas offen Destruktives, Rebellisches, Skrupelloses zu denken und zu tun (an etwas zu denken kommt in jedem Fall vor der Tat), dann wird er versuchen, ihn der „Pharisäer-Seite“ des Pferdes herunterzuziehen, Gläubige wie Ungläubige. Wir wollen das Gute, wir sind bemüht und gebildet. Wir haben Werte, die wir verteidigen wollen, und das zurecht. Wenn man auf die Pharisäer zu Jesu Zeiten schaut, dann muss man wohl zugeben, dass auch sie gute Gründe hatten, mit extremer Sorgfalt über der Erhaltung ihrer Kultur und Werte zu wachen. Das jüdische Volk hatte damals allein in jüngerer Vergangenheit u.A. das Babylonische Exil, den Wiederaufbau des Tempels, die Herrschaft Alexander des Großen und zu Jesu Zeiten die römische Besetzung durchlebt, und mit jeder Besetzung und Exil bestand die reale Gefahr, die eigene Identität zu verwässern oder zu verlieren. Und das als das von Gott geliebte und auserwählte Volk. Sorgfältig um dessen Erhaltung bemüht, wachten sie über die Einhaltung der 613 Gebote, und ich denke, dass die ursprüngliche Sorge eine gute und berechtigte war. Je länger diese immens anstrenge Bemühung ging, desto eher musste sie wohl in eine bloße Überwachung der äußeren Form abgleiten und ihr Herz, die Liebe zu Gott und die Gemeinschaft mit ihm, verlieren.

Ich glaube, dass wir heute, sowohl als Christgläubige, als auch als westliche Gesellschaft in vielfacher Bedrängnis, ebenso in Gefahr sind, uns wie die Pharisäer zu Jesu Zeiten zu verhalten, und dass der Feind der Seelen große Erfolge mit dieser Strategie der Abirrung vom Weg mit Gott erzielt. 613 Gebote kennen wir nicht und es ist auch nicht cool, sich öffentlich betend in die Straßen zu stellen oder mit religiösem Fasten anzugeben- aber welche Kennzeichen gibt es wohl für ein modernes Pharisäertum?

a) Ein erstes Kennzeichen ist, wenn wir zu sehr auf das Äußere (das how to) fokussiert sind und dabei das Innere, die Liebe zu Gott und die Gemeinschaft mit ihm, vernachlässigen. Alles, was wir tun, soll uns ja näher zu Gott bringen, und man darf diesen offensichtlichen Sinn von Gebetszeiten und Co nicht aus den Augen verlieren, denn das passiert, so absurd das auch klingen mag. Wenn wir uns ehrlich sind, ist es doch nicht weit hergeholt, dass man, wenn die erste Liebe erkaltet ist (vgl Buch der Offb 2,4) hauptsächlich damit beschäftigt ist, die Pflichten gegenüber Gott zu erfüllen und es dabei für gegeben hinnimmt, dass mehr als das sowieso nicht existieren kann. So wird man schneller als man denkt zu einem weiß getünchten Grab (Matt 23,27) ohne etwas Böses zu wollen.

b) Das zweite Kennzeichen, dass in uns (oder unserem Nachbarn ?) ein kleiner Pharisäer schlummert ist, wenn wir privat (Berufspolizisten sind hier ausgenommen) hauptsächlich mit den Vergehen anderer Menschen beschäftigt sind, ob im Gespräch oder in Gedanken macht kaum einen Unterschied. Keine Frage, manchmal ist es notwendig, jemanden auf etwas aufmerksam zu machen oder auch Missstände anzuprangern, aber das Motiv dazu muss immer die Liebe sein. Ob dem so ist, können wir z.B. schnell unterschieden, in dem wir uns fragen, ob wir für denjenigen, dessen Verhalten wir kritisieren, auch beten. Denn sonst können wir schnell zu denjenigen werden, die große Lasten aufbürden und keinen Finger rühren, um zu sie tragen zu helfen. (Vgl Matt 23,4)

c) Und das dritte und letzte Kennzeichen eines Pharisäers, das ich heute ansprechen möchte, ist, wenn es uns am Ende des Tages hauptsächlich um uns selbst und unsere eigene Leistung geht. Wir können dabei auch große Gebetslisten, Novenen, Wallfahrten, spezielle Gemeinschaften innerhalb der Kirche und andere an sich nicht schlechte Dinge zur Auferbauung des eigenen Egos benutzen und uns im Vergleich mit anderen dann „besser“ wähnen. Wir vergessen dann, dass alles Gottes Gnade ist, und auch unser Glaube Geschenk.

Ich denke, dass es gut ist, sich ab und zu persönlich in diesen Dingen zu prüfen, anstatt  über die Pharisäer der Bibel mitleidig den Kopf zu schütteln. Wenn wir die Liebe nicht haben, ist alles nur Lärm ohne jegliche Kraft. Ich schließe mit einem Wort von Papst em. Benedikt XVI vom 13. Februar 2011:

„Jesus erklärt: »Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen.« Und an seine Jünger gewandt fügt er hinzu: »Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen« (Mt 5,17.20). Doch worin bestehen diese »Fülle« des Gesetzes Christi und diese »größere« Gerechtigkeit, die er fordert?

Jesus erklärt dies mittels einer Reihe von Gegenüberstellungen zwischen den alten Geboten und seiner Weise, sie neu darzulegen. Jedes Mal beginnt er: »Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist …«, und dann sagt er: »Ich aber sage euch …« Zum Beispiel: »Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten; wer aber jemand tötet, soll dem Gericht verfallen sein. Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein« (Mt 5,21–22). Und so spricht er sechs Mal. Diese Art zu Reden beeindruckte die Menschen sehr. Sie erschraken, da jenes »Ich aber sage euch« dem Anspruch gleichkam, dieselbe Autorität Gottes, des Quells des Gesetzes, zu besitzen. Die Neuheit Jesu besteht im Wesentlichen in der Tatsache, dass er selbst die Gebote mit der Liebe Gottes »erfüllt«, mit der Kraft des Heiligen Geistes, der in ihm wohnt. Und wir können uns durch den Glauben an Christus dem Wirken des Heiligen Geistes öffnen, der uns dazu befähigt, die göttliche Liebe zu leben. Deshalb bewahrheitet sich jedes Gebot als Erfordernis der Liebe, und alle Gebote sind wieder zusammengefasst in einem einzigen Gebot: Du sollst Gott lieben mit ganzem Herzen, und du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. »Also ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes«, schreibt der hl. Paulus (Röm 13,10).“

 

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