Bioethikerin Kummer warnt vor "Abtreibung per Post"

17. Jänner 2022 in Prolife


IMABE-Geschäftsführerin: Studie zeigt erschreckende Folgen für Frauen - Notfalleinweisungen von Frauen nach Einnahme derartiger Präparate seit Beginn der Corona-Pandemie nahezu verdoppelt


Wien (kath.net/KAP) Vor den Folgen des Einsatzes von "Abtreibungspillen" - also von Präparaten, mit denen ein medikamentöser Schwangerschaftsabbruch zu Hause vorgenommen werden kann - warnt die Geschäftsführerin des Instituts für Medizinische Anthropologie und Bioethik (IMABE), Susanne Kummer, in einem Gastbeitrag für die deutsche Wochenzeitung "Die Tagespost" (aktuelle Ausgabe). Die Bioethikerin bezieht sich darin auf eine kürzlich publizierte Studie aus den USA, die aufzeigt, dass sich die Notfalleinweisungen von Frauen nach Einnahme derartiger Präparate seit Beginn der Corona-Pandemie nahezu verdoppelt haben.

Viele Ländern hätten den Zugang zu dieser Form der Abtreibung in den letzten Jahren gelockert und im Raum steht, die für Corona-Pandemie geschaffene Ausnahmeregel zur Dauerregel zu machen. Bereits geschehen ist dies in den USA, wo mittlerweile mehr als 50 Prozent der jährlich knapp 900.000 Abtreibungen medikamentös vorgenommen werden. 2001 waren es nur fünf Prozent. Diese Art der Abtreibung würde Frauen oftmals als "sanft und sicher" angeboten. Besagte Studie, durchgeführt vom Charlotte Lozier Institute, zeigt laut Kummer aber auf, dass etwaige Präparate keinesfalls so harmlos sind wie angenommen. Im Gegenteil seien die Ergebnisse "erschreckend".

"Die Sicherheit chemischer Abtreibungen wird stark übertrieben. Tatsächlich stellt die zunehmende Dominanz chemischer Abtreibungen und ihr unverhältnismäßiger Beitrag zur Morbidität in der Notaufnahme eine ernsthafte Belastung aus Public Health Perspektive dar", fasste Studienleiter und Public-Health-Experte James Studnicki die Ergebnisse zusammen. Der immer leichtere Zugang zur Abtreibungspille korreliere mit höheren Gesundheitsrisiken für Frauen und belaste damit auch das Gesundheitssystem, so das Fazit der Autoren.

Analyse aus 17 US-Bundesstaaten

Die Studie analysierte 423.000 staatlich finanzierte Abtreibungen aus 17 verschiedenen US-Bundesstaaten, die an Frauen mit Anspruch auf die staatliche Medicaid-Versicherung durchgeführt wurden. Demnach ist zwischen 2002 und 2015 die Rate der abtreibungsbedingten Notaufnahmen ins Krankenhaus nach chemischen Abtreibungen um über 500 Prozent gestiegen. Bei chemischen Abtreibungen war das Risiko einer anschließenden abtreibungsbedingten Notaufnahme um 53 Prozent höher als bei chirurgischen Abtreibungen. Grund dafür seien schwere Blutungen, eine unvollständige Abtreibung des Fetus, Infektionen nach dem Abort sowie Wechselwirkungen aufgrund von Vorerkrankungen, die ärztlich nicht vorab abgeklärt wurden.

Europäische Daten zeigten ein ähnliches Bild. So ergab eine Analyse von mehr als 42.000 Abtreibungen, die zwischen 2000 und 2006 in Finnland durchgeführt wurden, dass ein Fünftel der chemischen Abtreibungen zu Komplikationen führte, wobei die Komplikationsrate viermal so hoch war wie bei chirurgischen Abtreibungen.

Rettungseinsätze nach Abtreibungen

Auch Großbritannien weise hohe Risiken bei "at-home-abortions", also Abtreibungen zu Hause, auf. Seit Frühjahr 2020 können Frauen die komplette Abtreibung zu Hause durchführen - ohne ärztliche Überwachung. Gegenüber dem Vergleichszeitraum von 2019 wurden 30.000 mehr medikamentöse Abtreibungen durchgeführt, 67 Prozent davon zu Hause. 639 Frauen mussten vom Rettungsdienst ins Krankenhaus gebracht werden. Das zeigen die offiziellen Daten von fünf NHS - Ambulance Trusts, also den Ambulanzdiensten in England und Wales.

Infolge von Lockerungen ist es in England erlaubt, dass sich Frauen bis zur 10. Schwangerschaftswoche die Abtreibungspille nach Hause schicken lassen können und das lediglich nach einem Gespräch via Telefon oder ein anderes digitales Medium mit einem Arzt oder Mitarbeiter des Gesundheitswesens. Eine solche "Abtreibung per Post" war auch in den USA, wo man ursprünglich eine Corona-Ausnahmeregelung dafür geschaffen hatte, im Dezember 2021 von der zuständigen Gesundheitsbehörde FDA zur Dauerregelung erklärt worden.

"Mantra des sicheren Abbruchs"

In Deutschland und Österreich muss der Abbruch mit der "Abtreibungspille" seit 2020 nicht mehr unter ärztlicher Aufsicht im Krankenhaus stattfinden, auch Gynäkologen im niedergelassenen Bereich dürfen die Präparate aushändigen. Frauen können die Abtreibung auch Zuhause vornehmen. Diese Form der medikamentösen Abtreibung darf in Österreich wie in Deutschland bis zum Ablauf der 9. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden.

In Deutschland wurden 28.953 der insgesamt 99.948 Abtreibungen des Jahres 2020 mit dem Präparat Mifegyne durchgeführt, in den ersten sechs Monaten des Jahres 2021 lag der Anteil bereits bei 32 Prozent. In Österreich liegen wegen fehlender Statistik immer noch keine Zahlen vor. "Wenn Fakten nicht in das Mantra der harmlosen, unkomplizierten und sicheren Abtreibung passen, sind sie offenbar uninteressant", kritisierte Kummer. Psychische Belastungen für Frauen, die oftmals allein gelassen das Präparat in ihrer Wohnung einnehmen, nicht selten unter Druck oder aus Scham, würden einfach ausgeblendet.

Risiken nicht ausblenden

Das Forscherteam des Charlotte Lozier Institutes hatte die Ergebnisse ihrer Untersuchungen im November 2021 publiziert und an die FDA appelliert, die Fakten bei der Bewertung der Risiken einer medikamentösen Abtreibung nicht auszublenden. Trotz der eindeutigen Hinweise, dass medikamentös durchgeführte Schwangerschaftsabbrüche zunehmend negative gesundheitliche Folgen für Frauen haben, habe die FDA die umfangreichen Daten der Lozier-Studie bewusst ignoriert, kritisierte Studienleiter Studnicki. Die Abtreibungspille stelle eine "erhebliche Bedrohung für die öffentliche Gesundheit" dar - "und die Fakten zeigen, dass diese Bedrohung wächst".

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