Kurienkardinal Koch: "Versöhnte Verschiedenheit" ein Ziel bei Ökumene

23. Juni 2022 in Aktuelles


Leiter des vatikanischen Ökumene-Dikasteriums: Eucharistiegemeinschaft setzt Bekenntnisgemeinschaft voraus. "Nur wenn wir den gemeinsamen Glauben teilen, können wir auch die Intensivform des Glaubens, nämlich die Eucharistie, glaubwürdig feiern"


Graz (kath.net/KAP) Für die Katholische Kirche ist die oft zitierte "versöhnte Verschiedenheit" unter den Konfessionen "eine Zielbestimmung des ökumenischen Weges in dem Sinne, dass wir auf eine Einheit zugehen, in der die Differenzen versöhnt sein werden". Das hat Kurienkardinal Kurt Koch, Leiter des Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen, im Interview mit der steirischen Kirchenzeitung "Sonntagsblatt" (aktuelle Ausgabe) bekräftigt. Viele verstünden unter dieser Formel bereits eine Beschreibung der Gegenwart. "Dieser Interpretation kann ich aber nicht zustimmen", so der vatikanische "Ökumene-Minister".

Koch war anlässlich des 25-Jahr-Jubiläumsfeier der Zweiten Europäischen Ökumenischen Versammlung, die im Juni 1997 in Graz stattfand, zu Gast in der Steiermark. Diese war die erste Ökumenische Versammlung nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gewesen, an der auch die Ostkirchen teilnahmen. Auch wenn er die Diskussionen als "nicht ganz leicht" in Erinnerung habe, sei das Ereignis in Graz doch ein "fruchtbares" gewesen, betonte der Kurienkardinal. Ein wichtiger Impuls, der später realisiert werden konnte, sei die "Charta Oecumenica" gewesen, die von der Konferenz Europäischer Kirchen und dem Rat der Europäischen Bischofskonferenzen in Straßburg 2001 gemeinsam unterzeichnet wurde.

Für eine gegenseitige Einladung zum Abendmahl, wie sie etwa am Ökumenischen Kirchentag in Deutschland im Vorjahr praktiziert wurde, sieht Koch die Zeit noch nicht reif. "Das Votum, das dazu erarbeitet worden ist, blendet zu viele Dimensionen aus, die für das katholische Glaubensbewusstsein konstitutiv sind." Er finde es zudem aus ökumenischer Sicht "nicht adäquat", wenn diese Frage allein bilateral zwischen Katholiken und Protestanten besprochen werde. Auch Deutschland sei heute kein bikonfessionelles Land mehr, so der Kurienkardinal mit Verweis auf die steigende Zahl orthodoxer und orientalisch-orthodoxer Christen in der Bundesrepublik. Gerade bei der glaubenssensiblen Frage der Eucharistiegemeinschaft dürfe man die Ostkirchen nicht außen vor lassen.

Eine zeitliche Perspektive, bis wann eine Abendmahlsgemeinschaft erzielt werden könne, hänge immer von der inhaltlichen ab, bekräftigte der Kurienkardinal. "Für die katholische und erst recht für die orthodoxe Kirche kann es ohne Kirchengemeinschaft keine Eucharistiegemeinschaft geben." Die gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre, die 1999 in Augsburg vereinbart worden ist, sei ein "wichtiger Schritt" gewesen, "doch darin ist auch festgehalten, dass die Konsequenzen für das Kirchenverständnis noch nicht gelöst sind". Deshalb habe er den Vorschlag unterbreitet, "dass wir uns auf den Weg machen sollten zu einer neuen gemeinsamen Erklärung über Kirche, Eucharistie und Amt, und zwar in ihrer unlösbaren Zusammengehörigkeit". Ein solches Unternehmen brauche allerdings viel theologische Arbeit und Zeit, wandte der Kurienkardinal ein.

Jede Kirche hat eigene Vorstellung von Einheit

Dass es noch keine gemeinsame Vorstellung des ökumenischen Ziels gibt, sei damit begründet, dass jede Kirche ihre eigene Vorstellung von der Einheit ihrer Kirche habe und diese Vorstellung dann auf das Ziel der Ökumene übertrage. Für die katholische Kirche bestehe "das ökumenische Ziel in der Einheit im Glauben, in den Sakramenten und in den Ämtern", so der Kurienkardinal. Dies bedeute, dass Eucharistiegemeinschaft Bekenntnisgemeinschaft voraussetze. "Nur wenn wir den gemeinsamen Glauben teilen, können wir auch die Intensivform des Glaubens, nämlich die Eucharistie, glaubwürdig feiern", zeigte sich Koch überzeugt.

Die Gemeinschaft in den Sakramenten setze Gemeinschaft im Glauben und die Anerkennung der Ämter voraus. Letztere sei dabei die schwierigste Frage, denn aus katholischer Sicht könne es "keine Einheit am Amt des Papstes vorbei" geben, stellte Koch klar. Deshalb müsse die Frage besprochen werden, welche Aufgabe dem Papst in einer wiedergewonnenen Einheit zukommen würde. Diese Frage bespreche man vor allem im internationalen theologischen Dialog mit der Orthodoxie, bei dem das Hauptthema im Verhältnis zwischen Synodalität und Primat bestehe.

Dabei müsse auch daran erinnert werden, dass in den frühen Jahrhunderten der Kaiser eine bedeutende Rolle gespielt habe. So sei etwa das Erste Ökumenische Konzil in Nizäa im Jahre 325 von Kaiser Konstantin einberufen worden. "Heute haben wir keinen Kaiser mehr", dann stelle sich jedoch die Frage, wer in der wiedergewonnenen Einheit der Christen diese unverzichtbare Rolle übernehmen solle. "Gemäß katholischer Überzeugung kann dies nur der Nachfolger des Petrus, der Bischof von Rom sein", so Kardinal Koch.

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Archivfoto Kardinal Koch (c) Martin Lohmann/LohmannMedia


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