Doetsch: „Es gibt beim Synodalen Weg Sektierer, die graben an den Fundamenten unserer Kirche!“

7. September 2022 in Interview


Medienexperte Holger Doetsch: „Herrje, hätte der Papst gesagt, der sogenannte ‚Synodale Weg‘ sei doch super, dann hätten eben jene Verantwortlichen ausgerufen: Toll, wie gut informiert unser Papst ist!“ kath.net-Interview von Petra Lorleberg


Bonn-Berlin (kath.net/pl) „Ja, es ist eine in Teilen geradezu widerliche Kampagne gegen Woelki“, „ich verstehe nicht, dass der allergrößte Teil der Katholiken, die das alles nicht wollen, nicht endlich mal ‚Schluß jetzt!‘ ruft… Mal schauen, wer der nächste ist, der von diesen Eiferern zum Schaffot geführt wird.“ So deutlich analysiert der Medienexperte, Journalist und Dozent Holger Doetsch im kath.net-Interview die aktuelle Situation der katholischen Kirche in Deutschland, den Synodalen Weg und die Vorgänge im Erzbistum Köln.

Doetsch war 1990 gemeinsam mit Angela Merkel u.a. Sprecher in der ersten und letzten demokratisch legitimierten DDR-Regierung unter Ministerpräsident Lothar de Maizière. Danach leitete er Pressestellen oder war presseverantwortlicher Mitarbeiter für mehrere Bundestagsabgeordnete. Er ist Buchautor und Mitglied im Literarischen Colloquium (Berlin).

kath.net: Herr Doetsch, vor einigen Monaten, kurz vor der Rückkehr von Kardinal Woelki ins Bistum Köln, haben Sie kath.net als Medien- und PR-Experte ein aufschlussreiches Interview (siehe Link unten - die Red.) zur Krise der Katholischen Kirche in Deutschland gegeben. Denken Sie nun: „Tja, hat leider nichts gebracht. Alles geht so weiter, wie ich es vorhergesehen habe?“

Holger Doetsch: Ja. Vollumfänglich, es war vergebene Liebesmüh'. Ich rede in diesem Interview hier übrigens nicht mehr so sehr als Medien- und PR-Experte, wie Sie es formulieren, denn das habe ich im letzten Interview getan, und ich habe diesbezüglich meinen Ausführungen nichts hinzuzufügen. Was übrigens auch als Zeitverschwendung gelten darf ist das lange Telefonat mit dem inzwischen wohl geschassten Kölner Generalvikar Hofmann, in dessen Verlauf ich ihm sehr deutlich gesagt habe, was passieren wird, wenn dieser Irrsinn im Bistum Köln so weitergeht. Und ich hatte ihm angeboten, ehrenamtlich, also ohne jegliche Bezahlung, mit meinem Know-how zu helfen, hätte sogar die Bahnkosten von Berlin nach Köln selbst bezahlt. Passiert ist, außer das weiter viel Geld für Agenturen aus dem Fenster geschmissen wurden, nichts. Geschehen aber ist, mit Verlaub, all das, was ich vorhergesehen habe.

Das Bistum Köln entwickelt sich zunehmend zu einem Irrenhaus, aus dem gefühlt wöchentlich interne Unterlagen an die Medien durchgestochen werden, was in einem Unternehmen zu Abmahnungen und auch Entlassungen führen würde. Und bei alledem sind die über fünfzig Leute in der PR- bzw. Medienabteilung immer noch da, Leute, bei denen man nicht weiß, was die eigentlich den lieben langen Tag so tun ...

kath.net: Was glauben Sie: Wird sich Kardinal Woelki im Bistum Köln halten können?

Doetsch: Ich bin mir nicht sicher, ob Seine Eminenz noch lange in diesem Amt bleibt, denn er ist leider verbrannt, entschuldigen Sie bitte das unschöne Wort. Und der Papst beschädigt sehenden Auges einen Kardinal, indem er über Woelkis Rücktrittsgesuch nicht entscheidet.

Also wird er wohl eher nicht in diesem Amt bleiben, und dies nicht deshalb, weil er eklatante Fehler in seiner Amtsführung gemacht hat, sondern weil allzu laute Teile der Basis, die mitnichten eine Mehrheit sind, ihn loswerden wollen in der Hoffnung, ihre Pläne im Zuge des Projekts „Synodaler Weg“ besser beziehungsweise einfacher und schneller durchsetzen zu können. Ein konservativer und aufrechter Kardinal wie Woelki stört in diesem Prozess nur.

Mal schauen, wer der nächste ist, der von diesen Eiferern zum Schaffot geführt wird.

kath.net: Was denken Sie, wer das sein könnte?

Doetsch: Darauf mag ich nicht antworten, denn ich glaube leider an die sich selbst erfüllende Prophezeihung (lacht).

kath.net: Sie haben an Kardinal Woelki also gar keine Kritik?

Doetsch: Du lieber Himmel, soll ich mich nun auch noch in diesen missstimmigen Chor einreihen? Wissen Sie, da wird überall geraunt und gemutmaßt, sodass Meldungen in den Medien, wonach er irgendeine Liste mit möglichen Tätern geschreddert haben soll, als Skandal des Jahres aufgebläht werden. Die Namen auf dieser Liste sind in bestehenden Akten vermerkt, so what?

Und was hätte Woelki denn tun sollen, als er etwa von Vorwürfen gegen Ex-Sternsingerchef Winfried Pilz und auch anderen erfuhr? Eine Pressekonferenz einberufen mit Käffchen und Brötchen? Ja, so stellen sich Hanni und Nanni des Synodalen Weges und einige Ehren- und Hauptamtler im Bistum das vor.

Aber es war und bleibt richtig, dass Woelki konsequent Persönlichkeitsrechte gewahrt hat. Deshalb war es ebenso richtig, dass Kardinal Woelki das erste Gercke-Gutachten nicht veröffentlicht hat. Wer das als Versuch der Vertuschung abtut, handelt nach meinem Dafürhalten bösartig.

Also: Die rechtlich korrekte Vorgehensweise von Kardinal Woelki ist es, das mich interessiert. Was mich überhaupt nicht interessiert, ist dieses Selbsthilfegruppengehabe so nach dem Motto: wir fassen uns nun alle an den Händen gegen das Böse und singen dabei unseren Namen.

Doch will ich im Sinne Ihrer Frage durchaus Kritik üben, ohne dem eingangs erwähnten Chor angehören zu wollen. Die Amtsführung des Kardinals ist durchaus verbesserungswürdig, zumal er beratungsresistent zu sein scheint und ab und an eine Bunkermentalität hat. Und er muss nach innen und nach außen besser kommunizieren.

kath.net: Stichwort „Synodaler Weg“: Papst Franziskus hat dem deutsch-katholischen Sonderprojekt vor einigen Wochen eine offizielle Notbremse verpasst. Die Verantwortlichen in Deutschland ließen verlauten: Der Papst hat das getan, weil der nicht gut informiert ist über eben dieses Sonderprojekt. Glauben Sie das?
 
Doetsch:
Ach, herrje, hätte der Papst gesagt, der sogenannte „Synodale Weg“ sei doch super, dann hätten eben jene Verantwortlichen ausgerufen: Toll, wie gut informiert unser Papst ist! Lächerlich und verlogen ist diese Vorgehensweise.

Wichtig scheint mir zu sein, was Peter Schallenberg, Moraltheologe an der Theologischen Fakultät Paderborn, kürzlich ausführte: „Die Kirche ist vom Wesen her nicht demokratisch.“ So ist es.

Doch ist das schlimm? Ich denke, nein, denn unsere Kirche ist keine Staatsform, sondern sie ist ein Ort des Dialogs mit Gott, der Besinnung. Unsere Kirche verleiht uns Christen die Hoffnung auf die Liebe und Gnade Gottes, über das weder in einem Gremium diskutiert werden und das auch nicht gerichtlich eingeklagt werden kann.

Und unsere Kirche ist darüber hinaus eine wichtige Institution, ohne die es viele soziale Projekte in der Welt nicht geben würde, Stichwort „Misereor“ und viele andere mehr. Das alles ist für mich Kirche.

Warum sollte ihr Wirken verwässert werden mit Geplapper oder mit irgendwelchen Foren beim Synodalen Weg, die sich „Macht und Gewaltenteilung“ nennen? Was soll das? Ich persönlich brauche keine Reformen, wie sie derzeit diskutiert werden. Und, um mich zu wiederholen, da bin ich nicht allein. Im Übrigen kann die Kirche vom Wesen her gar nicht demokratisch sein, denn mit der Demokratie ist Macht, die ja ein Wesensmerkmal der Demokratie ist, verbunden, und wir wissen, wo es hingeführt hat, wenn Kirchenvertreter ihre Macht ausgespielt beziehungsweise sich als Mächtige gebärdet haben ...

kath.net: Sie sprechen vom Kindesmissbrauch durch Geistliche?

Doetsch: Unter anderem. Das Wort „Kindesmissbrauch“, liebe Frau Lorleberg, mag ich übrigens überhaupt nicht. Man kann und darf ja ein Kind auch nicht gebrauchen, nicht wahr? Ich nenne das Schreckliche so: Sexuell motivierte Übergriffe beziehungsweise Vergewaltigung. Zu diesem Thema beschleicht mich übrigens ein schlimmes Gefühl. Die synodalen Wegler führen ja ab und an diese schrecklichen Verbrechen an Kindern und Jugendlichen als wichtigen Grund dafür an, dass sich die Kirche in ihrem Sinne verändern müsse. Ich halte das für eine unerträgliche Instrumentalisierung der Opfer.

kath.net: Dom-Radio Chefredakteur Brüggenjürgen verstieg sich nach der Papsterklärung zu folgendem Satz: „Vielleicht dient es dem Verständnis der alten Kirchenmänner hinter ihren hohen Vatikanmauern, wenn man die Euros aus den deutschen Finanztöpfen der Basis einfach mal einfriert.“ Wie interpretieren Sie das?

Doetsch: Erstmal empfinde ich das diversity-mäßig – der Diversityansatz ist den synodalen Weglern ja ganz wichtig – als Altersdiskriminierung. Warum sollten „alte Kirchenmänner“ nicht klug sein? Für mich sind sie oft klüger als manche plappernde junge Frau beim Synodalen Weg. Diese geradezu unverschämte Äußerung eines übrigens abhängig Beschäftigen der Katholischen Kirche lässt mich einmal mehr nach oben schauen und rufen: Herr, wirf bitte Hirn vom Himmel!

kath.net: Sie haben 2013 ein Kinderhilfswerk in Kambodscha begründet, das sich um rund 150 Kinder kümmert, ihnen Nahrung und Bildung gibt. Und Sie unterstützen auch aktiv katholische Projekte in anderen ärmeren Ländern. Haben Sie mal mit Verantwortlichen dort gesprochen darüber, was in Deutschland los ist?

Doetsch: Ich habe in der Tat mit einigen Menschen in Afrika, Indien und Südostasien hierüber gechattet beziehungsweise gezoomt, doch kann ich hier meine Gesprächspartner natürlich nicht nennen. Der Kern dieser Gespräche lässt sich so zusammenfassen: Habt Ihr in Deutschland keine anderen Probleme? Eine Nonne auf den Philippinen fragte mich: Was ist bei Euch denn los? Kommt Ihr eigentlich noch dazu, zu unserem Herrn zu beten? Getroffen hat es mich, dass die Schwester „Euch“ und „Ihr“ sagte in ihrer Frage ...

kath.net: Noch einmal zurück zur Situation im Bistum Köln. Ich will ja Ihren Blutdruck nicht zu sehr in die Höhe jagen ...

Doetsch (lacht): Entschuldigen Sie bitte, Frau Lorleberg, da brauchen Sie mir nur ein Bild von Frau Stetter-Karp vorlegen. Eine Frau, die ständig das Wort der Einheit unserer Kirche im Munde führt und in Wahrheit in Wort und Tat für nichts anderes als das Gegenteil steht: Die Spaltung. Wer sagt ihr und ihren Mitstreitern endlich einmal, dass sie – so wie ich es ja auch nicht bin – nicht das Maß der Dinge sind?

kath.net: Gut, dann will ich vorsichtig sein. Könnte es sein, dass es in Köln und anderswo nicht nur um eine Kampagne gegen Kardinal Woelki geht, sondern um eine Kampagne gegen die Katholische Kirche insgesamt?

Doetsch: Die erste Frage habe ich bereits beantwortet: Ja, es ist eine in Teilen geradezu widerliche Kampagne gegen Woelki, und sie wird am Ende leider wohl erfolgreich sein. Auch die zweite Frage beantworte ich mit einem klaren Ja, und ich verstehe überhaupt nicht, dass der allergrößte Teil der Katholiken, die das alles nicht wollen, nicht endlich mal öffentlich und laut „Schluß jetzt!“ ruft.

Meine feste Überzeugung ist: Einzelne Sektierer versuchen, an den Grundmauern der Katholischen Kirche zu graben, um sie zum Einsturz zu bringen. Doch wird es ihnen nicht gelingen, davon bin ich überzeugt. Weil im Endeffekt Zeitgeist und Beliebigkeit nichts ist und der Glaube an Gott, Traditionen aber auch Demut alles.

kath.net: Der Publizist Martin Lohmann spricht davon, die Protagonisten des Synodalen Weges hätten ein „Luther-Gen“. Was sagen Sie denn dazu?

Doetsch: Als ich das hörte, habe ich laut gelacht. Doch stimmt es, was Lohmann mutmaßt. Also da bin ich ganz bei ihm. Es ist eigentlich unfassbar, dass der Papst, also das Oberhaupt unserer Kirche, sinngemäß sagt: Wir haben eine gute evangelische Kirche in Deutschland, da brauchen wir doch nicht noch eine. Da hat Franziskus wiederum recht. Ich kann mir aber lebhaft vorstellen, dass, sollten diese synodalen Wegler einmal in die evangelische Kirche wechseln wollen, wovon leider nicht auszugehen ist, diese wohl sagen wird: Nee, nee, behaltet diese Leute mal schön bei euch ...

kath.net: Wie bewerten Sie die Situation der Katholischen Kirche in Deutschland insgesamt? Damit verbunden: Glauben Sie, es kommt zu einem Schisma?

Doetsch: Ich denke, es wäre nun wirklich unangemessen, als einfaches Mitglied unserer Kirche mit wilden Mutmaßungen um die Ecke zu kommen. Doch wünsche ich mir geradezu sehnlich, dass endlich Ruhe einkehrt.

Lassen Sie es mich im Übrigen so formulieren: Wenn Sie ein Gebäude, hier unsere Kirche, ständig umbauen, hier was anbauen und da was abreißen, wird dieses Gebäude auf kurz oder lang einstürzen, weil die Statik nicht mehr stimmt. Mit Blick auf den Kölner Dom: Der wird auch nicht ständig umgebaut, sondern er wird erhalten. Es wäre gut, wenn dies bei der Katholischen Kirche in Deutschland auch so wäre. Und wenn ich schon den Kölner Dom erwähne: Alle Christen in Deutschland sollten dieses Wunderwerk mal besucht haben. Der Chor ist vor siebenhundert Jahren als Keimzelle dieses Gotteshauses geweiht worden. Schauen wir bei einem Besuch einfach mal nach oben. Dann registrieren wir, wie klein wir doch vor Gott sind. Ich fürchte, nicht wenige synodale Wegler wird eine solche Botschaft mitnichten erreichen, denn sie schauen eher nach unten: auf ihren Bauchnabel nämlich, um den sich in ihren Augen ja alles kreist.

kath.net: Und wer ist verantwortlich?

Doetsch: Für mich sind das in erster Linie Bischof Bätzing und Kardinal Marx, die inzwischen ja auf jeder Schleimspur zu surfen scheinen, die für sie ausgelegt wird. Auf mich wirken sie gar gefallsüchtig. Und die Gefallsucht ist eine Voraussetzung dafür, irrgeleitet zu handeln. Es gilt, in unserer Kirche endlich die Reihen wieder zu schließen. Da bedarf es Führungspersönlichkeiten, die in meinen Augen weder Bätzing noch Marx verkörpern.

kath.net: Vielen Dank für dieses Gespräch, Herr Doetsch.

Weiterführender Link - Holger Doetsch im kath.net-Interview: „Kritik eines Experten: Bei ihrer Krisen-PR und Pressearbeit macht unsere Kirche fast alles falsch“

Archivfoto Holger Doetsch vor der Berliner "Ausweich-Kathedrale" St. Joseph (c) privat


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