Vatikan bestätigt Disziplinarauflagen gegen Nobelpreisträger Belo

3. Oktober 2022 in Chronik


Niederländisches Nachrichtenmagazin veröffentlichte zuvor schwere Missbrauchsanschuldigungen gegen den früheren Bischof von Osttimor.


Rom/Dili/Amsterdam (kath.net/ KAP)

Der Vatikan hat bestätigt, dass gegen den früheren Bischof von Osttimor und Friedensnobelpreisträger von 1996, Carlos Filipe Ximenes Belo (74), in den vergangenen Jahren kirchliche Disziplinarmaßnahmen im Zusammenhang mit Missbrauchsvorwürfen verhängt worden sind. Die zuständige Glaubenskongregation habe 2019 Anschuldigungen "bezüglich des Verhaltens des Bischofs" erhalten und im September 2020 disziplinarische Einschränkungen gegen Belo verhängt, erklärte Vatikansprecher Matteo Bruno am Donnerstagabend.

Die Auflagen umfassten demnach Einschränkungen hinsichtlich Belos Bewegungsfreiheit sowie der Ausübung seines Amtes und untersagten dem emeritierten Bischof auch den freiwilligen Kontakt mit Minderjährigen, Interviews und den Kontakt mit Osttimor. Im November 2021 seien die Maßnahmen "geändert und verschärft" worden, hieß es in der Erklärung Brunis. Belo habe die Maßnahmen beide Male formell akzeptiert.

Weitere Angaben, etwa zur Untersuchung der Vorwürfe machte der Vatikansprecher zunächst nicht. Belo hatte 1996 für seinen Einsatz für die Menschenrechte während der indonesischen Besatzung von Osttimor, einer ehemaligen portugiesischen Kolonie, den Friedensnobelpreis erhalten. 2002 war er im Alter von nur 54 Jahren als Bischof (Apostolischer Administrator) von Dili zurückgetreten und hatte dafür gesundheitliche Gründe angegeben. Nach einer Station als Hilfspriester in Maputo (Mosambik) lebte er in den vergangenen Jahren in Portugal.

Schwere Anschuldigungen

Zuvor hatte das niederländische Nachrichtenmagazin "De Groene Amsterdammer" (Mittwoch) schwere Anschuldigungen gegen Belo veröffentlicht. Demnach soll der Bischof in Osttimor jahrelang Jungen sexuell missbraucht haben. Dies hätten Berichte von Betroffenen ergeben sowie Recherchen in deren Umfeld. Anfragen zu den Vorwürfen an Belo, den Vatikan und den Salesianerorden, dem der emeritierte Bischof angehört, seien indes unbeantwortet geblieben, so das Nachrichtenmagazin.

"De Groene" zitierte "Paulo" (42) und "Roberto" (45), die beide anonym bleiben wollen. Sie seien in den 1990er Jahren als 14- bis 16-jährige Teenager jeweils von Belo in dessen Residenz in Dili bzw. in ein Kloster eingeladen worden, wo es zu sexuellen Handlungen gegen ihren Willen gekommen sei; "Roberto" sprach demnach von Vergewaltigung. Anschließend habe der Bischof den Jungen Geld gegeben. Es gebe zahlreiche Berichte von ähnlichen Fällen, so die Zeitung. Die Vorwürfe reichten bereits bis in Belos Zeit als Leiter des Bildungszentrums der Salesianer Don Boscos zurück, bevor er 1983 Bischof wurde.

Belo sei damals nicht nur das Oberhaupt der katholischen Kirche von Osttimor gewesen, sondern auch ein Nationalheld und ein Hoffnungsträger für die Menschen, sagte "Paulo". Der Bischof habe seine Machtposition gegenüber Jungen missbraucht, die in extremer Armut lebten. Aus Angst und Scham hätten sie nicht über die Vorfälle gesprochen.

"De Groene" sprach nach eigenen Angaben mit weiteren Betroffenen sowie mit 20 Personen, die Kenntnis von den Vorgängen gehabt hätten: Kirchenvertreter, Politiker, Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen und Fachleute. Die Recherchen hätten 2002 begonnen, als ein Mann aus Osttimor sagte, ein Freund sei von Bischof Belo sexuell missbraucht worden. Im November 2002 sei Belo dann überraschend zurückgetreten; wegen "körperlicher und geistiger Erschöpfung", wie er damals sagte. Von da an seien Gerüchte über den angeblichen Missbrauch zu einem öffentlichen Geheimnis angewachsen, so das Magazin.

Kein Kommentar vom Nobel-Institut

Der Geschäftsträger der Vatikan-Botschaft in Dili, Marco Sprizzi, hatte der portugiesischen Nachrichtenagentur Lusa am Donnerstag zunächst mitgeteilt, dass der Fall den zuständigen Vatikanbehörden vorliege. Rom prüfe "diesen Artikel und seinen Inhalt" und werde reagieren, kündigte Sprizzi noch vor der am Abend veröffentlichten Erklärung von Vatikansprecher Bruni an.

Auch Osttimors Präsident Jose Ramos-Horta, der 1996 zeitgleich mit Bischof Belo den Friedensnobelpreis erhalten hatte, wollte sich zunächst nicht konkret äußern. Er wolle Informationen und Schritte des Heiligen Stuhls abwarten, sagte vor Journalisten am Flughafen von Dili unmittelbar nach seiner Rückkehr von der UN-Generalversammlung in New York.

Das norwegische Nobel-Institut lehnte es auf Anfrage von Lusa ab, den Fall zu kommentieren. "Das Komitee äußert sich sehr selten zu dem, was ein Friedenspreisträger in den Jahren nach der Verleihung des Preises tut oder sagt, oder zu dem, was ein Preisträger in der Vergangenheit getan hat, das nichts mit dem Preis zu tun hat", antwortete Direktor Olav Njolstad. Es liege "außerhalb der Zuständigkeit des Komitees", Belo etwa den Friedensnobelpreis abzuerkennen.

Salesianer "traurig und ratlos"

Die portugiesische Salesianer-Provinz erklärte, man habe mit "tiefer Traurigkeit und Ratlosigkeit" von den Nachrichten über Bischof Belo erfahren. Die Verantwortlichen betonten, dass Belo seit seiner Bischofsweihe nicht mehr der Salesianerkongregation unterstehe und ihn die portugiesische Provinz in den vergangenen Jahren "auf Ersuchen seiner hierarchischen Oberen" aufgenommen habe.

"Seit er in Portugal ist, hat er keine erzieherischen oder pastoralen Aufgaben im Dienste unserer Kongregation übernommen", versicherten die Salesianer. Von den nun bekannt gewordenen Missbrauchsanschuldigungen habe die portugiesische Provinz keine Kenntnis gehabt.

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