Katholisch im absurden Theater

5. Dezember 2022 in Kommentar


Wer zurzeit in Deutschland lebt und sich zur katholischen Kirche bekennt, könnte den Eindruck gewinnen in einem Kaleidoskop oder in einem wirklich gewordenen Stück des Absurden Theaters zu leben - Der Montagskick von Peter Winnemöller


Linz (kath.net)

Wer zurzeit in Deutschland lebt und sich zur katholischen Kirche bekennt, könnte den Eindruck gewinnen in einem Kaleidoskop oder in einem wirklich gewordenen Stück des Absurden Theaters zu leben. Beckett oder Ionesco hätten ihre blanke Freude an der offen zur Schau getragenen Dekonstruktion der Kirche, deren Protagonisten in absolute Heimat- und Orientierungslosigkeit verfallen. Dabei werden sinnlose Wortspenden in eine Welt verbreitet, die diese mit begeistertem Applaus aufnimmt, da sie ihren eigenen Verfall nun endlich auch in der Kirche wiederfindet. Nur Theater? Alles nur Theater?

Nicht einmal ein Ionesco konnte sich in seinem Stück „Die Stühle“ einen Bischof ausdenken, der sich für die Existenz des sechsten Gebots entschuldigt. In der absurden Wirklichkeit unserer Tage ist genau das geschehen. Ein kirchlicher Witz, den man vermutlich bei Melchisedech auf der Primiz schon hören konnte, berichtet von Mose, der vom Sinai kommt und von den Ältesten empfangen wird: „Und?“, wird der gespannt gefragt. „Nun“, antwortet Mose, „eine gute und eine schlechte Nachricht. Die Gute: Ich habe ihn auf zehn runterhandeln können. Die schlechte: Ehebruch ist noch drin.“ Blanke Verzweiflung!

Endlich tritt unserer Tage ein Erzbischof auf und entschuldigt sich für den Verhandlungsmisserfolg des Moses. In Zukunft muss sich niemand mehr Gedanken darum machen. Der Erzbischof, der als neuer Ehrengast Ionescos Stück unserer Tage ergänzt, wird im neuen Arbeitsrecht des Erzbistums, wie er deklamiert, zumindest für seine Angestellten das sechste Gebot außer Kraft setzen. Angestellte als Christen erster Klasse, die nur neun Gebote halten müssen, sind die neue Wirklichkeit. Oder werden es am Ende nur acht oder sieben sein? Der synodale Weg ist noch nicht zu Ende.

Hecktisches Türklingeln dominiert das absurde Stück. Dramatiker des frühen 20. Jahrhunderts versuchten mit dem Stilmittel des absurden Theaters die Erfahrungen des zweiten Weltkrieges zu verarbeiten. Sie gehen damit noch einen Schritt weiter als die Expressionisten, indem sie gleich die ganze Wirklichkeit als ein Kaleidoskop aus Irrealismen darstellen. Heute ist das das Neunormal. Im realabsurden Deutschkatholizismus tritt auf die Redakteurin eines von der Firma APG im Auftrag des Verbands der Diözesen Deutschlands betriebenen Nachrichtenportals und kommentiert den 30. Geburtstag des Katechismus der Katholischen Kirche, auch Weltkatechismus oder KKK genannt. Kein Grund zum Feiern findet sie. Nette Anregungen für ihr Glaubensleben findet die Journalistin in dem Werk, aber moraltheologisch ist man im absurden Theater der Deutschkatholiken längst weiter. Fröhlich und unter Applaus des Publikums gesellt sich die Kommentatorin in die Reihe derer, die doch endlich mal die verstaubte Moraltheologie überarbeitet wissen möchten. Immerhin hat der Papst die Todesstrafe im Katechismus abgeschafft.

Man kann es sich ausmalen, wie es an dieser Stelle im Theater Szenenapplaus gibt. Wer das Stück „Die Stühle“ kennt, weiß, dass man niemals einen der Ehrengäste tatsächlich zu Gesicht bekommt. Sie existieren vielleicht gar nicht, vielleicht nur in der Phantasie der Gastgeber oder in der Phantasie des Publikums oder vielleicht sind sie doch auch wirklich. Wer weiß das schon?

Am Ende der deutschkatholischen Neuinszenierung von Ionescos Stück treten vier Personen gleichzeitig auf. Ein weiterer Bischof, der sich Vorsitzender nennt, eine promovierte Theologin, die als die Generalsekretärin begrüßt wird, dazu ein Professor und eine Präsidentin, beides Funktionäre. Alle vier erklären übereinstimmend im Chor und als Solisten, als die neue deutsche Nationalmannschaft das Land auf der Weltsynode vertreten zu wollen. Mit Emphase schwadronieren sie über wichtige Reformvorhaben, die schon lange Deutschland verlassen haben und in der Weltkirche Widerhall gefunden haben. Man wolle in Deutschland Beispiel sein, man wolle die Lehre weiterentwickeln, man wolle überhaupt! Hektisch rücken die Gastgeber neue Stühle herbei und blicken verschreckt in die Gesichter der neuen Gäste. Hatte man nicht aus Rom ganz andere Töne gehört? Vorsichtig gefragt. Nein! Die Kurie hat am synodalen Weg Kritik geübt, so hört man das Geraune aus dem absurden Deutschkatholizismus. Man hat den Bischöfen freundliche Anregungen gegeben und sie ermuntert.

Ist man jetzt womöglich wirklich in einem von Geisterhand weitergeschriebenen Stück von Ionesco gelandet? Das könnte so noch stundenlang weitergehen. Bischöfe, die die Abschaffung des sechsten Gebots verteidigen. Sich für die Morallehre der Kirche entschuldigen. Durch die Hintertür die Genderideologie in die Kirche bringen. Laienfunktionäre, die wesentliche Glaubensinhalte der Kirche ablehnen. Der nicht enden wollende Chor der FrauenpriestertumsfordererInnen (m/w/d), der nicht müde wird mit Ordinatio sacerdotalis bedruckte Blätter zu zerreißen, die immer wieder neu entstehen und sich wie von selbst wieder zusammensetzen. Der Chor der Theologen, der den Hymnus von den sich wandelnden Dogmen singt. Mehr und mehr Stühle schaffen die Gastgeber heran.

Am Ende stürzen sich, wie auch bei Ionesco die Gastgeber aus dem Fenster ihres Turmes. Die blanke Verzweiflung im Gesicht, doch im Unterschied zu Ionesco mit der Hoffnung, schwimmend vielleicht katholisches Land jenseits des tosenden Meeres zu erreichen. Vielleicht in Dänemark?

Das Publikum – die Katholiken in Deutschland – schaut auf eine leere Bühne. Das Halbdunkel, aus dem es Synodale Zitate raunt und wispert, löst Grauen aus und alle Fragen auf. Langsam im immer dunkler werdenden Theater wird auch dem letzten Zuschauer klar, was der ganze Deutschkatholizismus samt seinem synodalen Weg ist: nur absurdes Theater. Inhalt: Der völlige Zusammenbruch alles Katholischen in einem Glaubensvakuum, eine implodierende Kirche, deren Anzahl an Angestellten ungefähr der Anzahl an praktizierenden Gläubigen entspricht, die aber nahezu keine Schnittmenge aufweisen. Noch nicht absurd genug? Eine Kirche deren Glaubenshüter den Glauben auf dem Markt der Möglichkeiten verscherbeln, um in der Hoffnung auf Relevanz aus den Resten einen esoterischen Wohlfühlglauben basteln.
(vgl: https://www.futur2.org/article/eine-zukunftsvision-fuer-die-kirche/)

Das Theaterstück ist noch lange nicht zu Ende. Niemand weiß, wie es weitergeht und wohin es führt. Wie ein Donnerhall aus einer tiefen Höhle tritt eine Erinnerung hervor, eine andere Stimme, ein anderes Bild, das sich tief in die Erinnerung eingebrannt hat: Gandalf der Graue, von der Peitsche des Balrog getroffen hängt am Felsen über dem Abgrund und vor seinem Sturz ruft er mit letzter Kraft den Freunden zu:

„Flieht, Ihr Narren!“


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