Die Spaltung ist längst in Gang

8. März 2023 in Kommentar


Das ZdK meint vielleicht, für alle Katholiken zu sprechen, tut es aber nicht. Es gibt unzählige kleine Oasen des Glaubens in Deutschland - kath.net-Interview mit Dorothea Schmidt - Ex-Synodale über ihren Ausstieg beim Synodalen Weg - Von Roland Noé


Linz-Regensburg (kath.net)

Du warst jetzt seit Anbeginn an beim Synodalen Weg eine sogenannte "Synodale". Wie kam es dazu?

Das war meines Erachtens Fügung. Die Bischöfe Rudolf Voderholzer aus Regensburg und Kardinal Rainer Maria Woelki aus Köln haben in der Bischofskonferenz ausgehandelt, einige eigene Personen berufen zu dürfen. Denn die Synodalversammlung setzt sich überwiegend aus Mitgliedern des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, aber auch aus Mitgliedern des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) zusammen, deren liberale und politische Ausrichtung hinreichend bekannt ist. Ich bin dann von verschiedenen Gruppen angesprochen worden und dann einer Einladung ins Bischofshaus nach Regensburg gefolgt. Mir war sofort klar, dass Bischöfe wie Bischof Voderholzer unterstützt werden sollten. Und so fügte es sich, dass ich von der Deutschen Bischofskonferenz in den Synodalen Weg berufen worden bin.

Was waren in den letzten Jahren Deine schlimmsten, deine schönsten, Erfahrungen bei dem Treffen?

Es waren so viele intensive Erfahrungen und Eindrücke, dass ich bei jeder Synodalversammlung ein öffentliches Tagebuch und dann auch ein Buch geschrieben habe. Grundsätzlich hatte ich auf echte Debatten gehofft, einen Austausch, bei dem man zu dem, was jemand sagt, nicht gleich eine Position einnimmt, sondern das Gesagte auf sich wirken lässt und ins Gebet nimmt, dass man im Hören auf den Heiligen Geist nach dem Willen Gottes für die katholische Kirche sucht, damit sie wieder aus der Krise findet. Wir alle sehen ja, dass sie völlig daniederliegt und erneuert, wieder lebendig werden muss. Die Frage ist nur: Wie?

In der gesamten Geschichte hat die Kirche immer dann kraftvoll wirken können und ist aufgeblüht, wenn sie sich Christus wieder ganz zugewandt, das Evangelium neu entdeckt und es in die jeweilige Zeit hineingesprochen hat. Statt also auch nun wieder zum Kern der Frohen Botschaft vorzudringen, nach dem Willen Gottes zu fragen und um die Wahrheit zu ringen, kämpft der Synodale Weg nach politisch-parlamentarischem Prinzip um Mehrheiten. Wer auf dieser politischen Bühne eine abweichende Meinung im Sinne des Lehramtes äußert, muss auch mit persönlichen Angriffen rechnen. Buhrufe, rote oder grüne Karten, die in die Luft gehalten wurden und Zustimmung oder Missbilligung zu einem Wortbeitrag signalisieren sollten, Diffamierung und Emotionalisierungen, bei denen immer derjenige gewinnt, der die extremsten Gefühle zeigt — das ist nicht die Synodalität, die sich Papst Franziskus wünscht, wenn er sagt, an solle aufeinander und auf den Geist Gottes hören, ihn wirken lassen und unterscheiden: Welcher Gedanke kommt von Gott, welcher aus mir selbst oder ist schlichtweg mainstream?

Ziel des Synodalen Weges ist nicht die Erneuerung von innen, sondern die totale Veränderung der DNA der katholischen Kirche, der Mutter Kirche, wie man auch sagt. Aber kann man eine Mutter verändern, nur weil sie nicht den eigenen Vorstellungen entspricht? Ein Kind lackiert doch nicht ihre Nägel und schneidet ihr die Haare ab, bevor es sich an ihre Brust legt, um genährt zu werden. Mein Fazit: Hier herrscht nicht der Geist Christi, sondern ein Misstrauen bis Hass gegenüber der Kirche und allen, die im Sinne ihrer wunderschönen, reichen katholischen Lehre sprechen.

Meine schönste Erfahrung war, dass wir als Minderheit — Laien, Priester und Bischöfe — zu einem richtig schönen Team zusammengewachsen sind. Der Austausch, das Beten für- und miteinander, die gemeinsamen Messen und der Mut des jeweils anderen hat uns alle getragen.

Wie groß ist der Druck auf Bischöfe bei diesen Treffen?

Der Druck im Kessel ist enorm. Das wurde besonders bei der Vierten Synodalversammlung deutlich, als das Präsidium entgegen der eigenen Spielregeln die geheime Abstimmung kippte. Das wirkte sich deutlich auf das Abstimmungsverhalten aus. Eine mögliche Sperrminorität der Bischöfe — nur, wenn  zweidrittel der Bischöfe mit „Ja“ stimmen, geht ein Text durch —, war damit ausgehebelt. Viele Bischöfe trauten sich nicht mehr, gegen Texte zu stimmen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, nahm denn auch vor jeder Abstimmung erst seine Amtsbrüder beiseite — um sie einzuschwören? Ich habe eben beschrieben, wie mit abweichenden Meinungen umgegangen wurde. Das kann man übrigens in den Livestreams nochmal nachschauen. Ständig wird dabei das Narrativ von systemischen Ursachen aufrechterhalten, die wissenschaftlich nicht einmal erhärtet sind. Wie ist denn der sozialwissenschaftliche Zusammenhang zwischen Missbrauch und katholischer Kirche? Dazu gibt es nur vage Vermutungen. Eine Erneuerung der Kirche hat immer auch strukturelle Relevanz. Aber sie funktioniert nur innerhalb der weltweiten Communio, im Rahmen von Offenbarung und Tradition sowie aus einer lebendigen Christusbeziehung heraus — und nicht, in dem man sich die Einheit mit der Weltkirche verletzt und durch willkürliche Änderungen die Grundgestalt von Kirche und Offenbarung unterminiert. Die Botschaft des Synodalen Weges ist klar: Wer Missbrauch bekämpfen will, muss die geplanten Reformen mittragen: Frauenweihe, Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, ein neues Offenbarungsverständnis und eine Anthropologie, die sich der LGBTQ-Agenda beugt. Was das mit Missbrauchsaufarbeitung zu tun hat, ist mir rätselhaft.

Warum kam dann der Ausstieg im Februar vor dem letzten Treffen?

Wenn ein Gremium alle römischen Weisungen und Interventionen in den Wind schlägt und ignoriert, bewegt es sich eindeutig von der Einheit mit der Weltkirche und vom Rom weg. Nach dem Ad-Limina-Besuch der deutschen Bischöfe im vergangenen Herbst haben die Kardinäle Marc Ouellet (Bischofskongregation) und Louis Ladaria (damals Leiter der Glaubenskongregation) die deutschen Bischöfe aufgefordert, die Papiere wieder auf die Linie des Lehramtes und des Zweiten Vatikanischen Konzils zurückzubringen. Das ist nicht erfolgt. Wie man auch dem Wunsch des Papstes, Neuevangelisierung zum zentralen Thema zu machen, nicht nachgekommen ist. Die Weisung aus Rom, keine Entscheidungen zu fällen, „die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral verpflichten“, wurde ignoriert. Zuletzt blieb das „in forma specifia“ ausgefertigte, also ausdrücklich vom Papst selbst gebilligte und damit rechtsverbindliche Dokument des Heiligen Stuhls vom 16. Januar 2023 komplett unberücksichtigt. Damit hat die katholische Kirche in Deutschland einen schismatischen Akt im Sinne des Can. 751 CIC. gesetzt. Sie entfernt sich ja ohnehin schon deutlich von Rom und gefährdet die Einheit der weltweiten Communio. Das wollen wir nicht mitverantworten und mittragen. Ganz abgesehen davon, dass unsere Meinung auf dieser Veranstaltung der Pseudo-Debatten auch nicht berücksichtigt wird, auch in den Papieren nicht. Auf dem Synodalen Weg geht um einen Umbau und nicht die Erneuerung der katholischen Kirche. Hier können wir schlichtweg keinen sinnvollen Beitrag mehr leisten. Ohne eine erneuerte Christusbeziehung wird es  keine erneuerte Kirche geben.

Glaubst Du, dass eine Kirchenspaltung in Deutschland noch vermeidbar ist?

Das ist in der Tat die große Frage. Für die Umkehr ist es nie zu spät. Wenn die Bischöfe, vor allem diejenigen, die bis jetzt immer geschwiegen haben mit — aus Angst? — mit dem synodalen Strom mitgeschwommen sind, sich zusammentun und besinnen, könnte genügend Druck auf Bätzing ausgeübt und verhindert werden, dass der Synodale Weg seinen schismatischen Kurs weiter fortsetzt.

Bischof Bätzing meinte, es würde kein Schisma geben, weil es niemand wolle. Aber ein Schisma entsteht ja in aller Regel nicht dadurch, dass man das Schisma anstrebt, sondern dass die Communio der Kirche in Glaube, sakramentaler Ordnung und hierarchischer Gemeinschaft objektiv zerbricht. Und das tut sie. Beschlüsse des Synodalen Weges werden in einzelnen Bistümern bereits umgesetzt. Denken wir nur an das neue teilkirchliche Arbeitsrecht oder das neue Statut kurialer Leitungsstrukturen in Limburg oder die Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare in verschiedenen Bistümern. Die Spaltung ist längt in Gang. Selbst wenn Rom jetzt ganz deutlich die rote Karte zeigt, ist damit zu rechnen, dass vor allem Laienverbände auf die Barrikaden steigen und Beschlüsse des synodalen Weges auch ohne das OK der Bischöfe und aus Rom umsetzen. Wenn ein Bischof dann nicht mitgeht, wird er aller Voraussicht nach mächtig unter Druck gesetzt werden, auch psychisch. Es sind einfach so hohe Erwartungen geweckt worden, dass man damit rechnen muss, dass die Situation eskaliert.

Siehst Du trotz all dieser Widrigkeiten noch Hoffnung für Deutschland?

Absolut! Die Kirche ist ja weder der Synodale Weg noch das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken (ZdK). Das ZdK meint vielleicht, für alle Katholiken zu sprechen, tut es aber nicht. Es gibt unzählige kleine und große grünen Oasen des Glaubens in unserm Land, wo Menschen, darunter viele junge, den Glaubens ganz selbstverständlich leben. Die Jugend 2000 organisiert Jüngerschaftsschulen, die auf regen Zuspruch stoßen und weite Kreise ziehen. Bei Nightfever kommen Menschen in Massen zur Anbetung und lernen Jesus zum ersten Mal kennen. Viele lassen für sich beten. Die Kirche bietet eine  Gegenkultur zur Welt an, die mehr verspricht als den bloßen schnellen Kick durch kurzweiligen Spaß — echte tiefe, Freude nämlich und eine Beziehung zum lebendigen Gott. An vielen Orten oder auch online entstehen Gebetsgruppen für Bischöfe, Ehemänner und Mütter. Jugendliche lassen sich anstecken von anderen jungen Menschen, denen die Freude ins Gesicht geschrieben steht. Ich könnte die Liste ewig fortsetzen. Das sind Oasen, die mich an die Urkirche erinnern: Sie entzünden immer mehr Menschen mit ihrer Begeisterung für Christus. Das ist die wunderbare und echte Zukunft der Kirche!

 

Foto: (c) Dorothea Schmidt, privat!


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