Bischof von Odessa: Russen sind die Verursacher der Kraftwerks-Zerstörung!

7. Juni 2023 in Aktuelles


Zuständiger Diözesanbischof Szyrokoradiuk: Wasser steigt weiter, ganze Region ohne Trinkwasser - Sprengung war in Ukraine schon seit einem Jahr befürchtet worden - UPDATE: Russischer Besatzungschef gibt zu: Für uns öffnet sich jetzt ein Fenster!


Kiew (kath.net/KAP) Von einer "unvorstellbar katastrophalen Lage" im Gebiet Cherson nach der Zerstörung des ukrainischen Kachowka-Staudammes hat der zuständige römisch-katholische Diözesanbischof von Odessa, Stanislaw Szyrokoradiuk, berichtet. Die Häuser von 20.000 Menschen stünden bereits unter Wasser, erst 2.000 von ihnen hätten bislang evakuiert werden können, sagte der Geistliche aus dem Franziskanerorden am Dienstagabend im Telefonat mit der Nachrichtenagentur Kathpress.

Die wirtschaftlichen und ökologischen Folgen seien kaum abzuschätzen, die humanitäre Not sei enorm: "In der ganzen Region ist die bevorstehende Mais- und Getreideernte vernichtet und es gibt kein Trinkwasser mehr", so der Bischof. Noch immer steige in den Ortschaften unterhalb des Stausees - darunter auch in niedrigen Zonen der Provinzhauptstadt Cherson - das Wasser, "in manchen Teilen schon auf über drei Meter", berichtete der Bischof. Er sei in ständigem Kontakt mit Priestern seiner Diözese, deren Pfarren direkt betroffen seien und der Bevölkerung nach ihren beschränkten Möglichkeiten zu helfen versuchten.

Auch Kirchen seien von den Fluten und dem nun entstandenen See erfasst worden. Die Menschen hätten sich im Verlauf des Tages an Erhebungen versammelt und warteten auf ihre Evakuierung. "Wie es weitergeht, weiß aber noch niemand. Das Wasser aus dem See kommt weiterhin, man rechnet, dass der Pegel mindestens bis Mittwoch weiter steigt", so Szyrokoradiuk.

Schuldfrage "eindeutig"

"Ganz eindeutig" seien die Russen die Verursacher der Kraftwerks-Zerstörung gewesen, erklärte der Bischof. "Die Befürchtung, dass es zu diesem Schritt kommen würde, gab es schon im vergangenen Jahr, als die Besatzer Minen in den Damm einließen. Alle in der Ukraine warteten mit großer Sorge darauf, wann die Sprengung erfolgen würde. Jetzt war der Moment gekommen, um so die anlaufende ukrainische Gegenoffensive zu stören", so Szyrokoradiuk.

Dass Russland zu diesem Schritt fähig sein würde, überrasche nicht. "Der russische Terror und der Völkermord an der Ukraine gehen weiter. Alles, was die Ukraine hat, muss aus russischer Sicht vernichtet werden." Zu befürchten sei, dass es selbst bei den ukrainischen Atomkraftwerken keine "rote Linie" geben werde. Als "Pessimist" bezeichnete sich der Bischof von Odessa mit Blick auf die derzeitigen vatikanischen Friedensbemühungen.

Erst am Dienstagnachmittag hatte der Papst-Sondergesandte Kardinal Matteo Zuppi diesbezüglich in Kiew Präsident Wolodymyr Selenskyj getroffen. Der ukrainische Staatschef verfolge einen anderen Plan als Papst Franziskus, so die Einschätzung Szyrokoradiuks. "Selenskyj hat aufgezeigt, wie ein Friedensplan für die Ukraine aussehen kann. Vom Vatikan aus kann man vielleicht träumen, von Washington aus noch leichter. Eine Waffenruhe würde dem russischen Aggressor jedoch nur Zeit verschaffen, um sich wieder weiter für einen neuen Angriff auf die Ukraine aufzurüsten", so die Einschätzung des Bischofs.

Ein "wahrer Friede" müsse unverzichtbar mit der Sicherstellung von dauerhafter Freiheit verbunden sein - was nur über einen Sieg der Ukraine über den Angreifer gelingen könne, befand der Bischof. Er hoffe, "dass die Welt nach der erneuten Katastrophe, welche diese Staudammsprengung darstellt, dies endlich erkennt". Die Angehörigen aller Glaubensrichtungen rief der katholische Oberhirte dazu auf, "zu beten, dass sich Gottes Pläne erfüllen - nicht die Pläne Russlands". Verurteilung auch durch andere Kirchenführer Vor Szyrokoradiuk hatten sich bereits weitere ukrainische Religionsführer entsetzt über die Zerstörung des Kachowka-Staudamms geäußert und die Schuld bei Russland gesehen.

Oberrabbiner Mosche Azman schrieb von einer von russischen "Terroristen" verursachten ökologischen Katastrophe, Metropolit Epiphanij von der Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU) von einem "Akt russischen Staatsterrors" und Auswüchsen einer "antichristlichen, menschenfeindlichen Ideologie" Russlands. Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk von der griechisch-katholischen Kirche warf Russland erneute "völkermörderische Aggression" vor und nannte die Zerstörung des Staudamms als "weiteres Kriegsverbrechen, schreckliche Umweltkatastrophe und Sünde gegen Gott, den Schöpfer, der den Menschen berufen hat, die von ihm geschaffene Welt zu entwickeln und nicht zu zerstören".

Im zur Region Cherson gehörenden Überschwemmungsgebiet des Anfang der 1950er-Jahre über den Dnipro-Fluss errichteten Kachowka-Dammes liegen rund 80 Ortschaften. Der von der Explosion in Bewegung gesetzte Stausee war mit 230 Kilometer Länge und einer Breite von bis zu 9,4 Kilometer rund viermal so groß wie der Bodensee und fasste 18 Kubikkilometer Wasser, die nun in Richtung Schwarzes Meer strömen. An dem Stausee liegt das AKW Saporischschja. Es wird wie das Wasserkraftwerk mit dem Staudamm seit mehr als einem Jahr von russischen Besatzern kontrolliert.

 

Die russische Seite könnte den Damm gesprengt haben. Die Region am Staudamm gehört zu dem Gebiet, das russische Truppen derzeit besetzt halten. Anders als die Ukrainer hätten sie also Zugang zum Gelände. "Wir wissen aus der Vergangenheit, dass die Russen den Staudamm vermint haben. Das haben sie uns quasi wissen lassen", sagte der öst. Militärexperte Markus Reisner im NDR laut NTV.. Eine Option wäre, dass die russische Seite diese vorbereiteten Minen nun gezündet hat. (https://www.n-tv.de/politik/Bei-Cherson-gibt-es-keine-Front-mehr-nur-noch-Schlamm-article24172299.html)

UPDATE vom MITTWOCH:: Der russische Besatzungschef im südukrainischen Gebiet Cherson, Wladimir Saldo, sieht nach der Zerstörung des Staudamms einen militärischen Vorteil für die eigene Armee. Dies berichtet der "Focus". „Aus militärischer Sicht hat sich die operativ-taktische Situation zugunsten der Streitkräfte der Russischen Föderation entwickelt“, sagte Saldo am Mittwoch im russischen Staatsfernsehen. "Sie können nichts machen“, so seine Sicht auf die ukrainischen Truppen, die eine Gegenoffensive zur Befreiung der besetzten Gebiete planen. Für unsere Streitkräfte hingegen öffnet sich jetzt ein Fenster: Wir werden sehen, wer und wie versuchen wird, die Wasseroberfläche zu überqueren.“

 

 

 

Foto: (c) Viele Ukrainer mussten heute aus Kherson flüchten, weil Putin den Staudamm sprengen ließ, darunter diese junge Mutter mit ihren 2 Kindern.

 

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