Bundespräsident Steinmeier (SPD): „Jesus als Zauberer: Ist das nicht etwas dick aufgetragen?“

9. Juni 2023 in Kommentar


Deutscher Bundespräsident legt beim Evangelischen Kirchentag/Nürnberg die Hochzeit zu Kana aus, doch was ist eigentlich Sinn einer Bibelarbeit durch jemanden, der sich mit seiner Bibelstelle extrem schwertut? kath.net-Kommentar von Petra Lorleberg


Nürnberg (kath.net/pl) Im Gottesglauben des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier scheint es wenig Platz zu geben für die Wunder Jesu. Diesen Eindruck kann bekommen, wer Presseberichte über seine Bibelarbeit auf dem Evangelischen Kirchentag in Nürnberg liest. Unter dem Titel „Warum der Bundespräsident an einer Bibelgeschichte zweifelt“ berichtet die Evangelische Nachrichtenagentur „idea“ über nachdenklich stimmende Sätze des SPD-Politikers bei der Bibelarbeit zur Hochzeit von Kana (Joh 2).

Es habe schon „schon plausiblere Bibeltexte für eine Bibelarbeit auf dem Kirchentag“ gegeben, sagte Steinmeier nach Darstellung von „idea“, diese Erzählung mache ihn „jedes Mal ratlos“. Er stellte die Grundsatzfrage, warum es so eine Wundergeschichte überhaupt in die Bibel geschafft habe und fragte dann wörtlich: „Jesus als Zauberer: Ist das nicht etwas dick aufgetragen?“ Steinmeier war sich jedenfalls sicher, dass diese Übertreibung nicht in sein persönliches Jesus-Bild passe, ja, ihn sogar aktiv störe. Er rechnete die Menge des verwandelten Wassers in ein heutiges Maß um und erläuterte, dass Jesus ungefähr 1.000 Flaschen Wasser zu Wein umgewandelt habe. Dies sei eine unglaubliche Menge, die Darstellung klinge fast obszön und nach Lebensmittelverschwendung. Ihm komme „das schiere Übermaß an Wein“ „merkwürdig“ vor.

Positiv wollte Steinmeier aus der Bibelstelle herauslesen, dass der Wein für Lebensfreude und Kraft stehe, dass Gott Freude im Übermaß schenke und dass Jesus „uns zur Feier“ ermuntere. Außerdem verband er mit der Hochzeitsfeier in einem kleinen Ort am Rande des Römischen Reiches den Gedanken, dass man die Landbevölkerung nicht vernachlässigen solle, denn die Demokratie verliere an Legitimation, wenn sich größere Gruppen der Bevölkerung nicht in Debatten wiederfänden.

Die Geschichte erzähle davon, dass sich Dinge zum Besseren wandeln könnten und diese Zusicherung, diese Zuversicht sei auch heute noch wichtig, erläuterte Steinmeier.

Die Darstellung durch andere Medien unterschied sich von der „idea“-Darstellung eklatant. Der „Bayrische Rundfunk“ hielt es nicht einmal für nötig, auch nur die ausgelegte Bibelstelle zu nennen, sondern berichtete, Steinmeier habe „bei einer Bibelarbeit zum Einsatz für die Demokratie und zu ‚trotzigem Mut‘“ aufgerufen, „um den weltweiten Krisen mit dem Willen zu Veränderung zu begegnen. Unter Applaus in der voll besetzten Messehalle rief er: ‚Gemeinsam werden wir diese Demokratie in diesem Lande verteidigen.‘“

Was ist davon zu halten?

Ja, natürlich gibt es Bibelstellen, bei denen man sich bei der Auslegung schwer tun kann – auch dann, wenn man aktiv Christ in einer Kirchengemeinde ist (Steinmeier gehört einer evangelisch-reformierten Kirchengemeinde in Berlin an). Und ja, es gibt Bibelstellen, bei denen man darüber diskutieren kann, ob sie eher ein Tatsachenbericht oder eher eine literarische Erzählung sind. Allerdings: wer die wichtige Bibelstelle Joh 2, die im Johannesevangelium einen wegweisende Platz in der Hinführung zur Person Jesu hat, komplett in das Reich der Märchen verweist, ist der wirklich geeignet für eine Bibelarbeit bei Evangelischen Kirchentag?

Immerhin muss man anerkennen, dass Steinmeier authentisch über seine Probleme mit dieser Bibelstelle gesprochen hat – mit rhetorisch geschickten Versteckspielen wäre man noch schlechter dran. Dennoch erwächst aus seiner Kritik umgekehrt eben auch die Anfrage: Wer ist Jesus Christus eigentlich für ihn? Kann er das christliche Dogma, dass Jesus Gott und Mensch zugleich ist, noch teilen oder erschöpft sich sein Jesus-Bild darin, dass Jesus Glaubensvorbild und ein lieber großer Bruder ist? Wenn Steinmeier bei einer offiziellen evangelischen Bibelarbeit den Wahrheitsgehalt der Hochzeit von Kana derart grundsätzlich in Frage stellt, darf man umgekehrt fragen: Hält Steinmeiner es überhaupt grundsätzlich für möglich, dass Jesus Wunder wirken kann, damals in Israel und heute in unseren eigenen Lebensvollzügen? Und was würde es über den Glauben dieses Bibelauslegers aussagen, falls er da zu einem zögerlichen „Nein“ käme?

Was ist eigentlich der Sinn einer Bibelarbeit durch jemanden, der sich mit seiner Bibelstelle extrem schwertut? Soll er als Publikumsmagnet dienen? Immerhin schrieb man in den „Nürnberger Nachrichten“: „Er füllte die Frankenhalle locker“. Soll er die enge Nähe – vielleicht allzuenge Nähe? – der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Politikern dokumentieren, vor allem, wenn sie möglichst rote oder grüne Politik machen?

Und was ist davon zu halten, dass Steinmeier „unter Applaus in der voll besetzten Messehalle“ ausgerufen hatte: „Gemeinsam werden wir diese Demokratie in diesem Lande verteidigen“ (Bayrischer Rundfunk)? Hatte er dies auch den Verantwortlichen für den Evangelischen Kirchentag ins Notizbuch geschrieben, als die unglaubliche Nachricht kam, dass dieses Jahr erstmalig drei Lebensschutzgruppen von der Teilnahme ausgeschlossen hat (siehe Link)?

Diese Anfrage auf die eigene Reaktion muss sich hier allerdings auch die Deutsche Bischofskonferenz stellen lassen, die zum Beginn des Evangelischen Kirchentags twitterte: „Wir freuen uns auf die wertvollen Begegnungen und den offenen #Dialog. Es ist eine schöne Gelegenheit, Brücken zu bauen und Gemeinsamkeiten zu entdecken.“ Wieviel „offener Dialog“ (DBK), wieviel „Verteidigung der Demokratie“ ist das eigentlich, wenn Menschenrechtler von der Teilnahme ausgeschlossen werden, die ihre ganze (ehrenamtliche!) Arbeit und Argumentation auf Wortlaut sowie Sinngehalt von § 218 StGB bauen?

Doch zurück zu dieser Bibelarbeit eines Politikers, die Fragen aufwirft. Wird hier der christliche Glaube von innen her entkernt? Wird der christliche Glaube zu einem Kulturprotestantismus umgeformt, der noch ein bisschen das eigene Gewissen formen darf (aber bitte nicht zu intensiv, sonst wird es unbequem, siehe die christliche Grundposition, wonach auch das Töten von Kindern vor ihrer Geburt völlig zu verwerfen ist). Notabene: den Kulturprotestantismus gibt es schon länger auch als Kulturkatholizismus.

Ich merke in ökumenischen Begegnungen immer mehr, wie sehr ich evangelische Christen jeglicher Couleur schätze, die sich auf die vier großen „solae“ der Reformation beziehen. Nun kann ich als Katholikin diese vier solae zwar nicht einfach übernehmen – aber ich kann von Christ zu Christ auf Augenhöhe sprechen mit jedem, der in seinem Herzen hier zustimmt: sola scriptura (allein durch die Schrift), sola fide (allein durch den Glauben), sola gratia (allein durch Gnade) und solus Christus (allein durch Christus). Wo waren diese vier solae eigentlich in der Bibelarbeit des Protestanten Steinmeier beim Evangelischen Kirchentag zu finden? Oder hält Steinmeier auch diese solae für „zu dick aufgetragen“, für „merkwürdig“? Wieviel Verdünnung erträgt der christliche Glaube eigentlich, bis er seine Substanz verliert? Ich erlaube mir, diese Frage dem Herrn Bundespräsidenten von Christ zu Christ zu stellen.


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