Zauberspruch am Teppichrand

21. November 2013 in Deutschland


Strenges Protokoll: Der Amtsantritt des neuen Nuntius in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterovic. Von Volker Resing (KNA)


Berlin (kath.net/KNA) Teppiche spielen in der Welt der Diplomatie eine wichtige Rolle. Bundeskanzler Konrad Adenauer soll beim Antrittsbesuch vor den Westalliierten die Souveränitätsansprüche des neuen deutschen Staates mit einem unzulässigen Tritt auf den tiefroten Perser markiert haben. Bei der Akkreditierung des neuen Nuntius, Erzbischof Nikola Eterovic (Foto), auf Schloss Bellevue am Mittwoch in Berlin hingegen gehörte das Schreiten über den Teppich zum ordentlichen Zeremoniell dazu. Genau auf der Mitte des feinen Bodenbelags im festlichen Langhanssaal des Schlosses mussten sich Bundespräsident Joachim Gauck und der neuer päpstlicher Botschafter treffen und die Beglaubigungsurkunde austauschen. Deutschland hat nicht viel staatliche Choreographie zu bieten. Nach Kaiserreich und Diktaturen sind die meisten Rituale nüchternen Handlungen gewichen. Doch wenn ein neuer Botschafter sein Amt antritt, dann führt auch Deutschland noch ein kleines Staatsschauspiel auf. Mit militärischem Appell, Fahne hissen und strenger Kleiderordnung. Kleine und große Zeichen. Regisseur ist dann der Protokollchef der Bundesregierung, Jürgen Christian Mertens. Er trägt den feien Cut, auch Morning Coat genannt, gestreifte Hose, langgezogenes Jackett. Ihn kennt kaum jemand, aber Präsidenten und Regierungschefs folgen ihm aufs Wort.

Hinter mancher kleinen Sitte im Protokoll steckt dann doch ein größerer Sinn. Beim ersten Gespräch zwischen Nuntius und Präsident durften keine Begleiter anwesend sein, so kann ein Botschafter auch ohne Aufpasser oder Mitwisser vielleicht eine politische Botschaft beim Staatsoberhaupt vertraulich unterbringen. Das ist seit langem geübte Praxis, die man meist nicht mehr braucht. Aber für Krisen kann es dann doch hilfreich sein. Ob der neue Nuntius brisante Nachrichten von Papst Franziskus im Gepäck hatte, ist dementsprechend nicht bekannt.

Das Verblüffende in der ganzen diplomatischen Liturgie im Schloss Bellevue ist, dass es noch so etwas wie symbolische Handlungen gibt.

Bevor der Botschafter den ehrwürdigen Langhanssaal betritt, muss angeklopft werden, um Einlass zu bekommen. Die Fotografen hingegen können schon durch die Hintertür hineinschlüpfen. Rituale sind nicht logisch, aber streng. Das Protokoll spricht dann sogar von einer Art Zauberspruch, der «magic phrase», die der zu akkreditierende Botschafter sprechen muss, um zu werden, was er praktisch schon ist. «Ich habe die Ehre?» beginnt er und erklärt, das Beglaubigungsschreiben des Entsendestaates überreichen zu wollen. Daraufhin schreitet Präsident Gauck dem Gesandten des anderen Staates entgegen als Zeichen der Zustimmung.

Mit dem Treffen im Mittelkreis des Teppichs und der Überreichung der Urkunde ist der neue Botschafter im Amt - inklusive diplomatischer Sonderrechten und Privilegien. Das Schriftstück muss dann noch dem «Adjutanten» überreicht werden, der Verbindungsoffizier Michael Podzus steht dafür bereit. Das ganze strahlt eine Feierlichkeit aus, die dem politischen Betrieb in Berlin sonst eher unbekannt ist. Nur das Klicken der Kameras stört den Moment. Nach dem Nuntius kamen noch die neuen Botschafter von Indien, Bangladesch und Jamaika ins Schloss. Jeder einzeln. Gauck machte an diesem Tag Botschafter im Halbstundentakt, da geht der Zauber natürlich auch verloren.

An dem trüben Novembertag sorgte im Übrigen das Berliner Regenwetter dafür, dass es nicht zu festlich wurde. Unter Schirmen musste der neue Nuntius der «Vergatterung» lauschen, dem traditionellen Musikstück der Kapelle des Wachbataillons. Dann wurde die weiß-gelbe Fahne des Vatikan in den trüben Himmel gezogen. Eine Ehreneskorte mit fünf Motorrädern vorneweg fuhr den neuen Nuntius im Anschluss in seinen Amtssitz. Die Ankunft ist damit sozusagen offiziell vollzogen - beim Abschied geht es dann profaner zu.

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