Lütz: Theologische Sprache hat sich von Gläubigen entfremdet

18. November 2018 in Spirituelles


Mediziner, Theologe und Bestseller-Autor eröffnete Heiligenkreuzer Tagung über "Gott & Gewalt" - "Die Krise der Kirche wurzelt im Unwissen über die eigene Geschichte"


Wien (kath.net/KAP) Die Krise der Kirche wurzelt nicht zuletzt darin, dass sich die kirchliche und theologische Sprache von den einfachen Gläubigen entfremdet hat. Das hat der Kölner Mediziner, Theologe und Bestseller-Autor Manfred Lütz betont. Theologische Erkenntnisse müssten ebenso übersetzbar und "für eine Hofer-Verkäuferin oder meinen Friseur verstehbar sein", wie sonntägliche Predigten - ansonsten würde sich die gegenwärtige Krise des Glaubens nur noch weiter verstärken und die Kirche weiter an Relevanz in der Gesellschaft verlieren, sagte Lütz im Interview der Nachrichtenagentur "Kathpress".
Lütz äußerte sich am Rande einer Tagung in Stift Heiligenkreuz zum Thema "Gott & Gewalt". Lütz hatte die Tagung als Festredner am Freitagabend eröffnet und dabei auch sein aktuelles Buch "Der Skandal der Skandale. Die geheime Geschichte des Christentums" vorgestellt, das mit fast 100.000 verkauften Exemplaren zu einem viel diskutierten Bestseller in Deutschland geworden ist.
Hinter der Entfremdung zwischen Gläubigen und Theologie bzw. kirchlicher Sprache ortet Lütz weitere tiefe Probleme, so etwa ein weit verbreitetes kirchliches Schweigen über einen Abbruch christlicher Traditionen: "Die Menschen glauben nicht mehr an Gott, aber die Kirche redet nicht darüber, sondern lieber über Pastoralstrukturen oder den Zölibat". Auch stelle er fest, dass sich selbst kirchliche Leitungsverantwortliche "offenbar ihrer eigenen Kirchengeschichte schämen, ohne sie eigentlich wirklich zu kennen", kritisierte Lütz: "Die Krise der Kirche wurzelt im Unwissen über die eigene Geschichte."

Um diesem Unwissen entgegenzutreten, habe er sein Buch "Der Skandal der Skandale" geschrieben, das auf der wissenschaftlichen Vorlage "Toleranz und Gewalt: das Christentum zwischen Bibel und Schwert" des renommierten Münsteraner Kirchenhistorikers Prof. Arnold Angenendt basiert. Wenn man sich neu vor Augen führe, dass jenseits zurecht beklagter religiös-historischer Skandale wie etwa der mittelalterlichen Ketzertötungen wesentliche Werte und zivilisatorische Errungenschaften wie Toleranz, Mitleid oder auch Internationalität letztlich "christliche Erfindungen" seien, könne man sich gestärkt den Diskussionen mit Agnostikern und Atheisten stellen und müsse nicht länger "sich seiner eigenen Geschichte aus Unwissenheit schämen".

Die Tagung "Gott & Gewalt" versammelt bis Samstagabend Theologen, Historiker und Philosophen im Wienerwaldstift Heiligenkreuz, um der Frage nachzugehen, worin genau das Gewaltpotenzial von Religion liegt und wie es sich bannen lasse. Offiziell eröffnet wurde die Tagung am Freitagnachmittag, 16. November, mit einem Vortrag der Religionsphilosophin Prof. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz ("Die Gewalt des Heiligen"). Am Samstag folgen weitere Vorträge u.a. vom Wiener Dogmatiker Prof. Jan-Heiner Tück und vom Wiener Alttestamentler Prof. Ludger Schwienhorst-Schönberger.

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