"Was soll ein ‚gesunder Generalverdacht gegen Priester‘?"

18. August 2020 in Deutschland


Regensburger Generalvikar Fuchs übt deutliche Kritik an Aussagen des Essener Generalvikars Pfeffer, der sich einen „gesunden Generalverdacht“ wünscht - Von Petra Lorleberg


Regensburg (kath.net/pl) „Was soll ein ‚gesunder Generalverdacht gegen Priester‘? Man glaubt, sich zu verlesen.“ So kritisiert auf Facebook der Generalvikar des Bistums Regensburg, Michael Fuchs, Aussagen des Generalvikars des Bistums Essen, Klaus Pfeffer. „Jeglicher Generalverdacht ist gegen unser bewährtes Rechtsverständnis, gegen unser christliches Menschenbild, gegen den gesunden Menschenverstand und daher ungesund“, schreibt Fuchs weiter. „Vernünftig, christlich und auch statistisch gestützt wäre eine ‚gesunde Unschuldsvermutung‘, die nicht blind ist für schreckliche Wirklichkeiten, aber im Wesentlichen von der Hoffnung lebt, dass jeder Mensch – hier: der Priester – das Licht im Herzen als einen ‚Schatz in zerbrechlichen Gefäßen‘ (2 Kor 4,7) trägt. Nur mit diesem realistisch-positiven Ansatz kann eine gute und nachhaltige Präventionsarbeit ebenso wie eine Erneuerung unseres Glaubens gelingen.“

 

Zuvor hatte sich der Essener Generalvikar Pfeffer gegenüber dem „offiziell nicht offiziellen“ Internetportal der Deutschen Bischofskonferenz geäußert. Das umstrittene DBK-Portal präsentierte die Aussagen Pfeffers unter dem Titel: „Priesteramt und Sexualmoral neu in den Blick nehmen – Missbrauch: Essener Generalvikar für ‚gesunden Generalverdacht‘“ und lenkte damit die Lesermeinung von vornherein so, dass man nolens volens bei einem „gesunden Generalverdacht gegen Priester“ landen musste. Allerdings decken die restlichen Aussagen Pfeffers im Beitrag die Schärfe der Überschrift nicht vollständig ab, denn Pfeffer wirbt beim Thema „kirchlicher Missbrauch“ zunächst für einem gesunden Generalverdacht gegen alle und für eine „Kultur der Achtsamkeit“. „Jede und jeder einzelne könnte Täterin oder Täter sein“, vertrittt Pfeffer zunächst. Gleichzeitig muss man aber auch einräumen, dass Pfeffer die Aufforderung zum Generalverdacht bezüglich innerkirchlichem sexuellen Missbrauch dann doch auch selbst engführt in die Kritik an Idealbildern des priesterlichen Amtes. So fordert Pfeffer eine „Atmosphäre der Offenheit, damit Priester sich den Fragen ihrer persönlichen Entwicklung und vor allem auch ihren Krisen ehrlich stellen“ könnten. Weiter fordert Pfeffer die Überwindung einer Sexualmoral, die er als „rigide, einengende und mit negativen Werturteilen behaftete“ bewertet. In diesem Zusammenhang plädiert Pfeffer für eine Neu-Interpretation und -Gestaltung des Weiheamts und schiebt dazu auch die Frage nach, „wie eine Geschlechtergerechtigkeit gelingt, die Frauen die gleiche Teilhabe wie Männern an der verantwortlichen Mitgestaltung der katholischen Kirche eröffnet“. Nach Einschätzung von Pfeffer werde ein beharrliches Festhalten an einer Struktur mit männlich dominierten Machtgefällen den Vertrauensverlust der Kirche weiter beschleunigen.

 

Der Bonner katholische Buchautor und Journalist Martin Lohmann schreibt auf Facebook unter den Beitrag von Generalvikar Fuchs: „Ob der Mann in Zivilkleidung und offenem Hemd mit dem so offenen Blick vielleicht insgeheim dafür wirbt, gegenüber manchem Generalvikar einen ‚gesunden Generalverdacht‘ zu pflegen!?!? Klingt fasst so.“

 

Eine Frau notiert: „Muss frau das verstehen? ‚Jederzeit und überall‘ .... Am besten geht man jedem ersichtlichen Priester aus dem Weg und deswegen zeigt sich der Essener Generalvikar als Normalmann oder wie? Das versaut mir jetzt echt den Feiertag!“

 

Ein Ordenspriester stellt fest: „Danke, lieber Herr Generalvikar Fuchs für diese klaren Worte und Ihre Mitbrüderlichkeit!“

 

Letztlich ist dazu zu sagen: Das Thema „Missbrauch durch Priester“ sowie weitreichende innerkirchliche Vertuschung etwa im Fall des inzwischen endlich laisierten US-amerikanischen Kardinals Theodore McCarrick gehört mit zu den wohl schmerzlichsten Themen der katholischen Kirche in der Gegenwart, vielleicht an Schmerzlichkeit nur noch überholt durch die eklatante Christen- und Katholikenverfolgungen weltweit. Es gibt hier nichts – aber auch gar nichts! – kleinzureden. Trotzdem ist ein Generalverdacht nicht zielführend und man mag es als keineswegs zufällig einstufen, dass das Thema „sexueller Missbrauch“ bei Pfeffer sehr schnell instrumentalisiert wird, um eigene kirchenpolitische Vorstellungen zu bewerben. Eine Instrumentalisierung von Verbrechen, die Folgen bis hin zum Selbstmord von Opfern nach sich ziehen können, ist aber eine höchst unlautere Sache. Missbrauch kommt, wie wir alle wissen, in allen Gesellschaftsschichten und bei unterschiedlichsten Menschen vor, auch Sportvereine, Schulen und Kindergärten eröffnen versehentlich offenbar subtile oder direkte Möglichkeiten des Missbrauchs und seiner Vertuschung, wie man Presseberichten entnehmen kann, außerdem sind auch die evangelischen Landeskirchen sowie die Freikirchen betroffen, Missbrauch findet sich außerdem in allen anderen Weltreligionen. Am häufigsten sind die Täter offenbar in den Reihen der eigenen Familien und Verwandtschaft zu finden. Die katholische Kirche versucht sich immerhin spürbar an der Aufarbeitung und der Prävention  - und man darf aktuell die Hoffnung haben, dass die Katholiken hier als erfolgreiche Vorreiter unterwegs sind.

 

Zurück zum „gesunden Generalverdacht gegen Priester“: Man sollte sich vor jeder Form eines „clerical profiling“ hüten, also eines auf Stereotypen und äußerlichen Merkmalen basierendes Agierens. Denn blindes Misstrauen ist im Leben bekanntermaßen ebenso wenig zielführend wie blindes Vertrauen. Und eine Instrumentalisierung dieser furchtbaren Themen für den binnenkirchlichen Richtungskampf sollte sich sowohl diesseits wie jenseits des innerkirchlichen Meinungsgrabens komplett verbieten, davon sollten sich auch offizielle katholische Presseportale wie "katholisch.de" usw. nicht vorschnell freisprechen.

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