"Die Schilderung war glaubhaft, auch wenn die Schuldfrage nicht mehr geklärt werden konnte"

10. Februar 2021 in Aktuelles


"Kirche in Not" nimmt Stellung zu Vorwürfen gegen Pater Werenfried van Straaten


Königstein (kath.net)
Das Internationalen Hilfswerkes Aid to the Church in Need (ACN) hat heute zu einem Artikel „Gut und Böse“ in der ZEIT Stellung genommen und die dort angesprochenen Vorwürfe gegen Pater Werenfried van Straaten thematisiert. Thomas Heine-Geldern, der geschäftsführenden Präsident, erklärte dazu, dass man über die veröffentlichten schweren Vorwürfe in Zusammenhang mit dem Gründer des Hilfswerks, Pater Werenfried van Straaten, bestürzt sei. Die Organisation distanziere sich umfassend von jeder Form des Verhaltens, wie es in dem Artikel Pater van Straaten vorgeworfen wird."

KIRCHE IN NOT verpflichtet sich laut Heine-Geldern zu einer offenen und vollständigen Aufklärung und hält folgende Erkenntnisse aus den gegenwärtig zugänglichen Quellen fest:

Im Jahr 2010 erhob eine Person einen Vorwurf der sexuellen Nötigung gegen Pater van Straaten, der sich im Jahr 1973 ereignet haben soll. Pater van Straaten war bereits im Jahr 2003 verstorben. Die Schilderung war glaubhaft, auch wenn die Schuldfrage durch den Tod Pater van Straatens nicht mehr geklärt werden konnte. Die Verantwortlichen von KIRCHE IN NOT folgten der für den kirchlichen Bereich in Deutschland empfohlenen Praxis zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen. Deshalb wurde der Betroffenen eine finanzielle Hilfeleistung von 16.000 EUR in Anerkennung des Leids zuerkannt. Die Verantwortlichen von KIRCHE IN NOT informierten umgehend die zuständigen kirchlichen Autoritäten. Die zugleich in Erwägung gezogene Einleitung zivilrechtlicher Schritte erwies sich als nicht möglich, da der Beschuldigte bereits verstorben war.  Die Betroffene äußerte den Wunsch nach Vertraulichkeit. KIRCHE IN NOT respektierte diesen Wunsch.   Weitere Anschuldigungen sexualisierter Gewalt gegen Pater van Straaten sind bisher nicht bekannt.

 

KIRCHE in NOT hat auch ein Questions & Answers veröffentlicht:

 

1.Wie kommt die Zeitung in Besitz des Briefes?

Wir wissen es nicht. Der Brief stammt aus dem Jahr 2010. Adressaten des Briefes waren der Vatikan und mehrere deutsche Diözesen.

2. Kannte KIN den Brief?

Der Brief befand sich in den Archiven des Hilfswerkes.

3. In welchem Kontext entstand der Brief?

Weihbischof Manfred Grothe führte im Zeitraum 2009 bis 2011 eine Visitation von „Kirche in Not“ durch. Die Visitation hatte nicht die Person Pater Werenfrieds zum Gegenstand, der zudem im Jahr 2003 verstorben war, sondern allein die organisatorische Modernisierung des Werks. Diese erfolgte im Namen der für das Hilfswerk zuständigen Kongregation für den Klerus. In diesem Zeitraum gab es Bestrebungen einiger Personen, einen Seligsprechungsprozess für Pater van Staaten einzuleiten. Weihbischof Grothe erfuhr in diesem Kontext von den schwerwiegenden Vorwürfen gegen Pater van Straaten. Mit seinem Schreiben wollte er die Initiativen zu einer möglichen Seligsprechung umgehend unterbinden.

4.Was hält KIN von den Vorwürfen?

KIRCHE IN NOT bedauert die schweren geschilderten Vorwürfe zutiefst. Das Werk distanziert sich umfänglich von dem Verhalten, das Pater van Straaten vorgeworfen wird. Das Werk verpflichtet sich einer rückhaltlosen Aufklärung. Aus den gegenwärtig zugänglichen Quellen haben wir die Anschuldigungen geprüft und zu den jeweiligen Punkten im Folgenden Stellung genommen.

5. Pater Werenfried wird der Versuch eines sexuellen Übergriffes vorgeworfen, stimmt das?

Der Vorwurf stellt einen äußerst schwerwiegenden Sachverhalt dar. Es soll sich um einen schweren sexuellen Übergriff handeln, der sich im Jahr 1973 ereignet haben soll. Da Pater van Straaten sieben Jahre zuvor verstorben war, konnte eine Stellungnahme zu der 37 Jahre zurückliegenden vorgeworfenen Tat nicht mehr eingeholt werden. Zuvor waren nach den vorliegenden Unterlagen zu keinem Zeitpunkt Beschuldigungen gegenüber Pater van Straaten in Bezug auf sexuellen Missbrauch bekannt geworden.

6. Wie alt war die Betroffene zum damaligen Zeitpunkt der Vorfälle?

Die Betroffene war zu diesem Zeitpunkt [sic 20] 23 Jahre alt.

7. Woher kannte Pater van Straaten die Betroffene?


Sie arbeitete damals für das Hilfswerk.

8. Wann hat KIN davon erfahren?

Im Jahr 2010 – sieben Jahre nach dem Tod Pater von Straatens – hat das Werk davon erfahren, als die Betroffene erstmals über die Vorfälle berichtete.

9. Wie hat KIN auf den Vorwurf reagiert?

Die Leitung des Hilfswerks nahm den Vorwurf sehr ernst, suchte unmittelbar den Kontakt mit der Betroffenen und hörte sie in einem persönlichen Gespräch an. Ihre Schilderung erschien der Leitung des Werkes glaubhaft. Deshalb erklärte sich das Hilfswerk bereit, der Betroffenen eine finanzielle Entschädigung zu zahlen, um das Bemühen zu untermauern, das Leid der Betroffenen anzuerkennen, und den Versuch zu unternehmen, die Folgen für die Betroffene zu mildern.

10. Welche zivilen und kirchlichen Autoritäten wurden informiert?

Unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorwurfs hat KIRCHE IN NOT die Kongregation für den Klerus und den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz über die Anschuldigungen unterrichtet. Auch der zuständige Bischof der Heimatdiözese der Betroffenen und der Verantwortliche des Prämonstratenserordens wurden von den Vorwürfen informiert. Die zugleich in Erwägung gezogene Einleitung strafrechtlicher Schritte unterblieb, weil Pater van Straaten bereits im Jahr 2003 verstorben war.

11. Hat KIN der Betroffenen eine Entschädigung bezahlt?

Die Schilderung der Betroffenen erschien der Leitung des Werks glaubhaft.  Weitere Hinweise, Dokumente oder Zeugenaussagen lagen nicht vor. KIN hat der Betroffenen damals eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 16.000 EUR gezahlt: 10.000 € als Versuch einer Anerkennung des widerfahrenen Leids und 6.000 € zur Erfüllung von Rentenansprüchen aus dem früheren Arbeitsverhältnis der Betroffenen bei Kirche in Not.

12. KIN hat der Betroffenen Geld bezahlt, ist das nicht eine Anerkennung der Schuld?

Möglichen Opfern wird zurecht eine finanzielle Hilfestellung gezahlt, wenn die Tathergänge nach einer Prüfung glaubhaft erscheinen, auch wenn keine weiteren eindeutigen Beweise vorliegen und die Beschuldigten nicht mehr befragt werden können. Die meisten Sexualstraftaten finden ohne Zeugen statt, so dass die Möglichkeiten juristischer Beweise oft fehlen.

13. Gab es nicht schon vorher eine Zahlung an die Familie der Betroffenen?

Nach Lage der Akten im Archiv ist davon auszugehen, dass Pater van Straaten in den Jahren 1996/1997 eine Zahlung an den Vater der Betroffenen leistete. Der Vater der Betroffenen hat 2011 schriftlich bestritten, dass diese Zahlung etwas mit einem sexuellen Übergriff an seiner Tochter zu tun habe. Es habe sich vielmehr um eine Zahlung als Entschädigung für seine unfaire Behandlung durch Pater van Straaten bei seinem Ausscheiden als Mitarbeiter von KIN gehandelt.

14. Warum ist KIN nicht unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorwurfs des sexuellen Übergriffs an die Öffentlichkeit gegangen?

Die Betroffene äußerte den eindeutigen Wunsch, dass der Vorwurf vertraulich behandelt wird. Es gab auch das Interesse, einen Reputationsschaden vom Werk abzuwenden und die Projektarbeit nicht zu beeinträchtigen.

15. Wurde der Vorwurf verschwiegen, um das Ansehen von Pater van Straaten nicht zu beschädigen?

Der Vorwurf wurde sieben Jahre nach dem Tod Pater van Straatens erhoben.

Als Kirche in Not im Herbst 2010 von dem Vorfall Kenntnis erhielt, suchte das Werk unverzüglich den Kontakt mit der betroffenen Familie, um den Vorwurf umgehend aufzuklären. Ein Vertreter des Werks und sodann Bischof Grothe hatten mit großem Respekt auf den Schmerz der Betroffenen reagiert, nachdem sie die Vorgänge glaubhaft geschildert. Der seinerzeit neu bestellte Exekutivpräsident besuchte im Jahr 2011 die Familie, nachdem er von dem Sachverhalt Kenntnis erhalten hatte. Er entschied, dass ein Betrag in Höhe von 16.000 EUR in Anerkennung des Leides der Betroffenen gezahlt wurde. Die Aufarbeitung ist noch nicht abgeschlossen. Im Übrigen sollen bei aller Aufklärung und Transparenz auch die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen gewahrt werden.

16. Sind weitere Vorwürfe von sexuellem Fehlverhalten gegenüber Pater van Straaten bekannt?

Weder aus den vorliegenden Unterlagen noch aus sonstigen Quellen haben sich bisher Hinweise auf weitere Vorwürfe von sexuellem Fehlverhalten durch Pater van Straaten ergeben. KIN veranlasste 2016 umfassende Recherchen im Archiv der Kongregation für den Klerus. Es wurden keine Indizien für den Verdacht weiterer sexueller Straftaten oder sexueller Übergriffe Pater van Straatens gefunden.

17. War Pater Werenfried ein Sympathisant des Faschismus?

In den Schriften seiner gesamten, 55-jährigen Leitung des Werkes (1947-2003) finden sich keine Hinweise auf rechtsextremes oder faschistisches Gedankengut. Im Gegenteil hat Pater van Straaten Diktaturen verurteilt und ist ihnen gegenüber entschieden aufgetreten.

18. Wie steht es um den Vorwurf der Maßlosigkeit in der persönlichen Lebensführung?

Der erhobene Vorwurf von Maßlosigkeiten in der Lebensführung beruht auf Einzelberichten über übermäßigen Genuss von Alkohol oder Essen. Aus den uns vorliegenden Informationen kann der Vorwurf nicht bestätigt werden.

19. Ist es wahr, dass Pater van Straaten Defizite in der Führung des Werkes gezeigt hat?

Pater van Straaten gründete das Hilfswerk im Jahr 1947 und leitete es 55 Jahre bis zu seinem Tod im Jahr 2003. In diesem Zeitraum gab es diverse Konflikte und Auseinandersetzungen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Der damalige Führungsstil entsprach sicher nicht dem heutigen Verständnis moderner Personalführung.

Die Einführung neuer Führungs- und Kontrollinstanzen, sowie die Betonung einer wertschätzenden Arbeitskultur waren wichtige Entwicklungen nach Abschluss der Visitation im Jahr 2011.

20. Weshalb wurde 2009 bis 2011 eine päpstliche Visitation bei KIN durchgeführt?

Die Päpstliche Visitation (2009-2011) hatte den Auftrag, die organisatorische Modernisierung der Organisation einzuleiten, um ihrer Mission der Unterstützung leidender und verfolgter Christen auch in Zukunft wirksam nachzugehen.

21. Hatte die Visitation mit der Person von Pater van Straaten zu tun?

Die Visitation war in keiner Weise auf die Person Pater van Straatens ausgerichtet. Dieser war zu Beginn der Visitation bereits sechs Jahre verstorben. Die Visitation hatte ausschließlich die Modernisierung der Organisation zum Ziel.

22. Warum hat Benedikt XVI. KIN im Jahr 2011 als Päpstliche Stiftung neu gegründet?

Ergebnis der Päpstlichen Visitation war eine Neuorganisation und die Restrukturierung der Zusammenarbeit der Nationalbüros und der Zentrale in Königstein. Aus dem ausführlichen Abschlussbericht der Visitation wurden zahlreiche Konsequenzen gezogen, vor allem die juristische Neugründung als päpstliche Stiftung, die Überarbeitung der Statuten, die Einführung neuer Führungs- und Kontrollinstanzen, und seit 2019 die Etablierung von Safeguarding zur Prävention von sexuellem Missbrauch als Priorität der Organisation sowohl nach innen als auch in der Projektförderung.

23. Hat KIN nach Bekanntwerden der Vorwürfe Konsequenzen hinsichtlich der Bedeutung Pater van Straatens innerhalb des Hilfswerkes gezogen?

KIN hat seit 2011 alle Organisationsbereiche überarbeitet. Pater van Straaten hat heute bei der Darstellung der Geschichte des Hilfswerks als Person des Gründers seinen Platz. Im Mittelpunkt der Arbeit steht heute ausschließlich die Situation der Christen in Not weltweit sowie deren Unterstützung durch das Hilfswerk.

24. Bedauert KIN die vorgeworfenen Vorfälle?

KIN bedauert die schweren Vorwürfe zutiefst und distanziert sich von jeglichem Verhalten, wie es Pater van Straaten vorgeworfen wird. Seit 2011 wurden Entscheidungs- und Kontrollstrukturen geschaffen, um Fehlverhalten zu vermeiden und eine kollegiale Arbeitskultur zu pflegen.

25. Gibt es noch weitere Vorwürfe sexualisierter Gewalt gegenüber Pater van Straaten?

Im Jahr 2016 veranlasste das Werk eine Untersuchung im Archiv der Kongregation für den Klerus, ob Indizien für ein sexuelles Fehlverhalten für Pater van Straaten vorlagen. Es wurden keine weiteren Indizien festgestellt.

26. Wie steht Kirche in Not heute einem möglichen Seligsprechungsprozess von Pater Werenfried van Straaten gegenüber?

„Kirche in Not“ als Päpstliche Stiftung hat einen solchen Prozess nie betrieben und hat auch keinerlei Interesse, ihn künftig anzustoßen.

27. Was tut KIN heute, damit sich ein solches Fehlverhalten nicht mehr wiederholt?

Die Päpstliche Visitation von 2009 bis 2011 hatte den Auftrag, die organisatorische Modernisierung des Hilfswerks einzuleiten. Ergebnis der Päpstlichen Visitation war die Überarbeitung aller Bereiche der Organisation, sowie die juristische Neugründung als päpstliche Stiftung, die Überarbeitung der Statuten, die Einführung neuer Führungs- und Kontrollinstanzen. Insbesondere die seit 2019 erfolgte Etablierung von „Safeguarding-Guidelines“ zur Prävention vor sexuellem Missbrauch als Priorität der Organisation sowohl nach innen als auch in der Projektförderung ist hervorzuheben.

In diesem Rahmen wurden Regelungen und Prozesse entwickelt und eingeführt, um dieses zu gewährleisten:  Safeguarding Guidelines

 


© 2021 www.kath.net