Das Bätzing-Problem: 'Ich glaube mir'

20. April 2021 in Kommentar


Der Vorsitzende der deutschen Bischöfe ist bereits gescheitert. Er trat als Vermittler an, geriert sich aber immer mehr als Parteiführer "der Mehrheit" gegen die fromme, katholische Minderheit - Gastkommentar von Franz Norbert Otterbeck


Köln (kath.net)

Jesus sagt: "Glaubt an mich." Bischof Bätzing antwortet: "Ich glaube mir." Warum nur haben durch zwei Jahrtausende heilige Theologen, Philosophen und Schriftsteller soviel Arbeit, Mühe und Gebet darauf verwendet, die Wahrheit Christi zu beschreiben, wenn man es sich auch ganz einfach machen kann? Das ganze Glaubensgut passt in zwei Schlagworte? Botschaft des Evangeliums / Freiheit in Christus? Oder sogar in nur eine Phrase? 'Die Botschaft heißt Freiheit.' Da fühlt man sich an Loriot erinnert: "Im liberalen Sinne heißt liberal nicht nur liberal.." Wahrscheinlich ist der Vorsitzende der deutschen Bischöfe bereits gescheitert, ohne es schon zu glauben. Er trat als Vermittler an, geriert sich aber immer mehr als Parteiführer "der Mehrheit" gegen die fromme, katholische Minderheit. Bereits in der "epochalen" Corona-Meditation vom 10. September 2020 deutete sich an, dass im Zentrum seines Denkens eine verspielte, wenig seriöse Selbstgewissheit waltet. Er zitierte Bloch und Proust und Splitter aus der religiösen Tradition, um schließlich einen interreligiösen Feiertag einzufordern. Die Blamage war deutlich. Übrigens: Bis heute bietet das DBK-Sekretariat in Bonn nur diese Publikation von ihm an, umsonst, aber auch vergebens.

Die Bätzing-Logik ist nicht immer einfach zu entschlüsseln. Er stellt richtige Sätze gern in Zusammenhänge, die ihm als folgerichtig erscheinen, beim Publikum aber mehr auf Wirkung abzielen als auf Information. Sein neues Hauptthema ist der Brautsegen für Nichtbrautpaare. Rom hat klargestellt: so einen Segen gibt es nicht. Logisch. Das Responsum der Glaubenskongregation verbietet nichts, sondern urteilt: sowas existiert nicht. Eindeutig. Salopp ausgedrückt: Liebe Priester, erspart den Leuten den Zirkus; die Simulation "zieht nicht". Das ist eine ehrliche Ansage, die keinen einzigen Menschen vom Segen Gottes ausschließt, sondern Klarheit schafft. X ist nicht U. Bätzing aber meint, er verstehe die ablehnende Stellungnahme zwar. (Wirklich?) Denn sie gebe den Stand der kirchlichen Lehre wieder. (Immerhin.) "Aber das hilft nichts, weil es längst eine pastorale Entwicklung gibt, die darüber hinausgeht." Kirchliche Lehre hilft nichts, weil die Pastoral darüber "hinaus" geht? Das bedeute: "Es steht Veränderung an." Warum nur soll aus einer von Rom als sinnlos qualifizierten (nicht "verbotenen") Praxis eine Veränderung der kirchlichen Lehre entspringen? Wer nicht an die Auferstehung Christi glaubt, der macht sie nicht ungeschehen. Wer die Unfehlbarkeit des Papstes in Zweifel zieht, der kann die Richtigkeit des Dogmas von 1950 ("assumptio corporalis") damit nicht auslöschen. Man kann sich als Kirchendiener vor ein Nichtbrautpaar stellen und ein Segensgebet sprechen, aber man tut damit nicht, was man den Leuten vorspielt. Um den Segen Gottes beten kann jeder in jeder Lage. So ungefähr stellte sich noch Luther die Beichte vor: man erhofft Segen in sündiger Situation. Die Handlungen der Kirche, so sieht es auch die Orthodoxie, zeichnen sich aber durch Zuverlässigkeit aus. Die Kirche muss ehrlich bleiben in ihren Aussagen darüber, was sie kann und was nicht. Das in einigen Gegenden "umstrittene" Responsum schafft also Klarheit im Sinne des VIII. Gebotes. Was soll sich daran ändern? 'Fair is foul and foul is fair'? Mit Martin Rothweiler (EWTN) müssen wir zurückfragen: Wem darf der Gläubige glauben? Sogenannten "Erkenntnissen" eine gewisse Unfehlbarkeit zu attestieren, spricht "Wissenschaftlern" ein Vertrauen zu, das sie kaum je rechtfertigen werden, im Strom der Zeit.

 

Bätzing verirrt sich also auch darin, seine nachhaltige Zeugnis-Verweigerung (hinsichtlich der Ehe-Institution göttlichen Rechts) könne mit einer "Weiterentwicklung" der katholischen Ehelehre konform gehen. Anscheinend entsteht Wahrheit, nach Bätzing, durch Behauptung: Diese Menschen "wollen" den Segen der Kirche, behauptet er. Wahrscheinlich kann er nur für seinen Beschäftigungssektor sprechen. Öffentlich ist bislang nicht aufgefallen, dass Organisatoren einer "gay pride"-Parade den bischöflichen Segen vermisst haben. Bätzing könnte mal anfragen, ob er dort willkommen ist, nach "Corona". Er würde sich vermutlich Hohn und Spott einhandeln. Aber für ihn zählt nicht die Lebenswirklichkeit des wirklichen Lebens, sondern die abstrakte Interpretation einer "Lebenswirklichkeit" (Stand: 1970?), die man sich in den Priesterseminaren, Generalvikariaten und theologischen Fakultäten der deutschen Kirche so zurechtlegt. Die Stoßrichtung ist immer wieder gegen die hergebrachte katholische Identität gerichtet. Aber die Leute, die man so gewinnen will, die kommen nicht. Sich selber zu glauben, X sei U, überzeugt "draußen" niemanden. Auch die Corona-Predigt in Berlin überzeugte nicht. Christus ist nicht das Urvertrauen in das daseiende Dasein, gestützt durch "Ostergeschichten". Sich von der Tradition abzustoßen bedeutet nie, das rettende Ufer auch zu erreichen. Inzwischen stößt sich die "deutsche Kirche" auch vom Zweiten Vatikanum ab, mit unbekanntem Ziel. Das jüngste Konzil bekommt damit für unsere Zukunft eine neue Funktion: Es wird zum Zeugnis für die katholische Tradition, die alle Konzilien einschließt. Wir leben nämlich nicht in einer zufälligen Epoche, die nur noch einen verwitterten "Lehrstand" der Kirche mit sich herumträgt, der überwunden werden muss.

Die Trauerfeier für Hans Küng in "seiner Kirche" (St. Johannes, Tübingen) bot schöne Musik, die von Kommentaren zweier TV-Journalistinnen jedoch permanent gestört wurde. Ansonsten war von der Liturgie der Kirche nicht viel übrig. Dem Verlust des Betens geht der Verlust des Glaubens voraus. Wenn der Christ sagt, "ich glaube", dann stellt er sein Bekenntnis in den Glauben der Kirche hinein. Mit diesem Gedanken beginnt Joseph Ratzinger seine "Einführung in das Christentum" (1968). Der Christ sagt: Ich glaube an Dich, Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott. Das billige Gerede von der Botschaft des Evangeliums oder der Freiheit in Christus kann zwar den Glauben der Kirche noch meinen. Sehr oft fehlt allerdings jede Erläuterung, als ob es genügen könnte, beispielsweise in einer Predigt, erst weitschweifig Umherzumoralisieren oder poetische Platitüden zu paraphrasieren, nur um zum Schluss wieder "die Botschaft" auszurufen: "Freiheit, Freiheit, ist das einzige was zählt!" Dogma heißt Überzeugung. Die Kirche Christi hat den Vorzug, dass ihre Überzeugung, die eine Einheit bildet, in wesentlichen Sätzen nachvollziehbar und plausibel ist, für den gesunden Menschenverstand, auch in Ehefragen. Das Osterereignis bedurfte keiner päpstlichen Definition. Die zentralen Aussagen des Evangeliums teilen sich dem Hörer oder Leser auch ohne bischöfliche Anleitung mit (bisweilen schon: notgedrungen). Um aber mit sicherem Geleit das Ziel der irdischen Pilgerschaft zu erreichen, ist uns die kirchliche Weggemeinschaft eröffnet, deren Struktur sich gerade dadurch auszeichnet, dass sie der Veränderung entzogen ist. "Veränderung" der Kirche steht nicht an, weil ein Mönch, ein Bischof oder ein Professor irgendeine Erleuchtung erleidet, sondern im Heiligen Geist; auf bewährten Wegen, um näher zu Christus zu kommen. Wahre Erneuerung der Kirche folgt seinem Willen. Denn "mein Wille geschehe" ist nicht das Gebet des Christen, selbst wenn ich mir glaube es zu glauben.




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