1981/2011/2021: In Rom, Polen und Fatima wird des Papstes Johannes Paul II. gedacht

3. Mai 2021 in Chronik


Als Johannes Paul II. Agca 1984 im Hochsicherheitsgefängnis Rebibbia besuchte, beschäftigte ihn laut Kardinal Stanislas Dziwisz primär die eine Frage: "Warum sind Sie nicht tot? Ich weiß, dass ich genau gezielt habe"


Vatikanstadt, 1.5.2021 (KAP) In der Weltkirche, besonders in Rom, Polen und Fatima, wird dieser Tage Papst Johannes Pauls II. (1978-2005) gedacht. Im Wesentlichen geht es um zwei Anlässe: Vor zehn Jahren - am 1. Mai 2011 - wurde der Vor-Vorgänger des jetzigen Papstes offiziell als Seliger der katholischen Kirche anerkannt. Der Nachfolger von "JPII"´, Benedikt XVI. nahm die Erhebung zur Ehre der Altäre auf dem Petersplatz vor. 1,5 Millionen Pilger waren nach Rom gekommen; mehr als eine Milliarde sah die Feier im TV. Diese Zahlen wurden auch von der Heiligsprechung am 27. April 2014 nicht übertroffen.  Das Nachrichtenportal "Vatican News" brachte aktuell am Samstag einen Rückblick der "Vatikanistin" Valentina Alazraki zu den Ereignissen 2011.

Der zweite Anlass des JPII-Gedenkens ist das vor 40 Jahren verübte Attentat auf den Papst, bei dem dieser von zwei Kugeln getroffen wurde, aber überlebte. Das Drama spielte sich am 13. Mai 1981 auf dem Petersplatz ab. Eine Kugel, mit der Papst niedergestreckt wurde, befindet sich seit 1982 in der Krone der Marienstatue von Fatima (Portugal). Der Papst hatte seine Rettung der Muttergottes von Fatima zugeschrieben.

Johannes Paul II., der schon als Krakauer Erzbischof (1964-78) Pilgergruppen nach Fatima geführt hatte, wird in Portugal wegen seiner Fatima-Verehrung und der von ihm durchgeführten Seligsprechung der Fatima-Seherkinder Francisco und Jacinta Marto im Jahr 2000 (Heiligsprechung durch Franziskus 2017) in besonderer Weise verehrt.  Zu Christi Himmelfahrt (13. Mai) wird von der Portugiesischen Bischofskonferenz in Fatima eine Bitt- und Dankwallfahrt abgehalten, die u.a. im Zeichen des Gebets um ein Ende der Pandemie, des Seligsprechungsjubiläums und des Attentats-Gedenkens stehen soll. Das Heiligtum in Fatima war wegen der Corona-Pandemie fast ein Jahr lang geschlossen und öffnete erst im März wieder für Pilger.

Heilung von Parkinson-Krankheit

Die Seligsprechung 2011 war das größte Pilgerereignis der vergangenen zehn Jahre. Unter dem tosenden Applaus der mehreren Hunderttausend Teilnehmer auf dem Petersplatz und der weiteren Hunderttausenden in der Via della Conciliazione, die Fahnen und Bilder Johannes Pauls II. schwenkten, wurde das Bild des neuen Seligen an der Fassade des Petersdoms enthüllt. Im Anschluss wurde eine Blutreliquie zum Papstaltar gebracht. Getragen wurde sie von der polnischen Schwester Tobiana, die Johannes Paul II. viele Jahre lang als Haushälterin und Krankenschwester betreute, sowie von der französischen Ordensfrau Marie Simon-Pierre Normand. Ihre medizinisch nicht erklärliche Heilung von der Parkinson-Krankheit war vom Vatikan als Wunder auf Fürsprache von Johannes Paul II. anerkannt worden.

Was das Attentat von 1981 betrifft, so gehört es seit 40 Jahren zu den ungelösten Rätseln der Kriminalgeschichte. Verübt worden war es vom türkischen Nationalisten Mehmet Ali Agca. Die Spekulationen über eine Beteiligung des Kreml sind seitdem nie abgerissen. Agca schoss aus vermeintlich todsicherer Distanz drei Mal.

Als Johannes Paul II. Agca 1984 im Hochsicherheitsgefängnis Rebibbia besuchte, beschäftigte ihn laut Kardinal Stanislas Dziwisz primär die eine Frage: "Warum sind Sie nicht tot? Ich weiß, dass ich genau gezielt habe." Dann habe Agca den Papst ausführlich nach der "mächtigen Göttin von Fatima" gefragt, die ihn offenbar außer Gefecht gesetzt habe, so Dziwisz in seinen Memoiren. Der Papst habe den sicheren Glauben gehabt, dass eine Hand geschossen habe "und eine andere, eine mütterliche Hand, die Flugbahn der Kugel geleitet" und ihm erlaubt habe, "an der Schwelle des Todes stehenzubleiben".

Hintermänner weiterhin im Dunklen

Der damals 23- jährige Agca wurde noch in der Nähe des Tatorts gefasst, verurteilt, nach 17-jähriger Haft in Italien 2000 an die Türkei ausgeliefert und 2010 freigelassen. Er lebt jetzt in der Stadt Malatya.

Schon 1979, vor dem Papstbesuch in Istanbul, hatte der Türke aus dem Umfeld der Grauen Wölfe lauthals angekündigt, Johannes Paul II. töten zu wollen. Bei seinen Vernehmungen durch die italienische Justiz belastete er zunächst den bulgarischen Geheimdienst, dann auch den KGB. Bald verstrickte er sich in Widersprüche, legte falsche Spuren und versuchte, Verbindungslinien zu verwischen und Helfer zu schützen. Insgesamt aber sprechen die gewichtigsten Indizien dafür, dass Agcas Auftraggeber aus dem Zentrum des kommunistischen Ostblocks kamen.

Das gescheiterte Attentat vom 13. Mai 1981 war auch ein wichtiges mediales Thema bei der Seligsprechung von Johannes Paul II. und bei der Heiligsprechung 2014. Zu den bewegenden Berichten von Zeitzeugen gehörte der von Sara Bartoli, die 1981 im Kindergartenalter war. "Der Papst hielt mich auf dem Arm, als Ali Agca zielte", erzählte die in der Nähe von Rom lebende Frau. Bartolis Kinderkopf, der plötzlich im Sichtfeld vor dem Ziel erschien, habe den Attentäter wohl einen Moment irritiert; seine Schüsse seien wegen dieser Irritation nicht tödlich gewesen, urteilten mehrere Vatikanisten.

Ein "politischer Papst"

Johannes Paul II. (Karol Wojtyla), der am 18. Mai 1920 in Wadowice bei Krakau geboren wurde, bewies als junger Priester, als Theologieprofessor und vor allem als Erzbischof und Kardinal im kommunistischen Polen Stehvermögen im Umgang mit totalitären Machthabern und Funktionären.

Offenbar waren es diese breiten Erfahrungen unter schwierigen Bedingungen, aber auch sein Sprachtalent und seine bei vielen Reisen erworbene Weltläufigkeit, mit denen der Außenseiter im zweiten Konklave des Drei-Päpste-Jahres 1978 die Kardinäle überzeugte. Eine maßgebliche Rolle im Lobbying für Wojtyla spielte damals Kardinal Franz König.

Der neue Papst brachte einen neuen Stil in den Papstpalast. In seiner Antrittsrede appellierte er an die Kirche und die Welt: "Habt keine Angst! Öffnet, ja reißt die Tore weit auf für Christus. Öffnet die Grenzen der Staaten, die wirtschaftlichen und politischen Systeme für seine rettende Macht."

Johannes Paul II. startete viele spektakuläre Initiativen. Er berief 15 Bischofssynoden ein, lud die Weltreligionen zum Friedensgipfel nach Assisi, empfing 890 Staats- und Regierungschefs und proklamierte 1.800 Heilige und Selige. Der Wojtyla-Papst schrieb 14 Enzykliken, eine Fülle von Lehrschreiben und Botschaften, hielt pro Jahr 900 Ansprachen, wobei Quantität mitunter vor Qualität ging.

Johannes Paul II. war ein "politischer" Papst. Es war sicher auch seiner Vergangenheit geschuldet, dass Frieden und Gerechtigkeit, Menschenrechte, Freiheit und Solidarität zu den starken Themen seines Pontifikats wurden. Er stoppte die auf Kompromisse ausgerichtete "vatikanische Ostpolitik" und schlug eine härtere Gangart gegenüber kommunistischen Politikern an. Mit Forderungen nach einer sozialen Marktwirtschaft, nach freien Gewerkschaften sowie später nach einer solidarischen Globalisierung entwickelte er die kirchliche Soziallehre weiter.

104 Auslandsreisen in 129 Länder, bei denen 1,2 Millionen Kilometer zurückgelegt wurden, stellten ein Führungsinstrument des polnischen Pontifikats dar. Der Papst redete linken und rechten Diktatoren - etwa Chiles Pinochet - ins Gewissen und trug maßgeblich zum Fall der Mauer und des Sowjetregimes bei.

Brücken baute Johannes Paul II. in der Ökumene und im Dialog mit den anderen Religionen. Manche Erfolge verzeichnete er bei der Aussöhnung mit dem Judentum. Schon seit Kinder- und Schultagen hatte er jüdische Freunde - die er als Papst beibehielt. Als erster Bischof von Rom besucht er die Synagoge der Ewigen Stadt und begrüßte dort die "älteren Brüder". Bei seiner Heilig-Land-Reise 2000 ging er an die Klagemauer und zu einer bewegenden Gedenkzeremonie in die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem.

Lob für "Mea Culpa", Kritik an Missbrauchs-Handling

Geistlicher Höhepunkt seiner Amtszeit war das Heilige Jahr 2000. Johannes Paul II. hatte es sich zum Ziel gesetzt, die katholische Kirche ins dritte Jahrtausend zu führen. 30 Millionen Rombesucher durchschritten die Heilige Pforte im Petersdom. Zu den Meilensteinen des "Großen Jubiläums" gehört die Vergebungsbitte, das "große Mea Culpa", mit dem der Pontifex für Fehler und Versäumnisse von Katholiken in der Geschichte um Verzeihung bat.

Besonders in Österreich und der Schweiz gab es aber auch Proteste gegen den Papst wegen einiger Bischofsernennungen. Zudem kreidete man Johannes Paul II. an, dass infolge seiner häufigen Reisen die römische Kurie zu viel freie Hand bekam.

Ein Schatten ist, dass der Wojtyla-Papst nicht entschieden genug gegen sexuellen Missbrauch durch Kleriker vorging. So stützte er etwa den Legionäre-Christi-Gründer und Missbrauchstäter Marcial Maciel Degollado (1920-2008) sowie dessen Gemeinschaft viel zu sehr. Dem im April 2021 in Rom veröffentlichten Bericht zufolge beläuft sich die Gesamtzahl der Priester von Maciels "Legionarios"-Gemeinschaft, von denen bekannt ist, sexuellen Missbrauch begangen zu haben, auf 27 Personen.

Die letzte Lebensphase des Papstes war von Krankheit, Leiden und viel Anteilnahme nicht nur aus der katholischen Welt geprägt. Schon bei seiner Totenmesse am 8. April 2005 forderten Plakate und organisierte "Santo subito"-Sprechchöre seine sofortige Heiligsprechung. Benedikt XVI. leitete bereits zwei Monate später das offizielle Verfahren ein, bestand aber auf strengster Einhaltung aller Normen. Am 1. Mai 2011 wurde der Papst aus Polen selig- und am 27. April 2014, zusammen mit seinem Vorvorgänger Johannes XXIII., heiliggesprochen.

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