"Strafrechtliche Klärung ist möglich"

17. Mai 2021 in Kommentar


Replik auf die Erwiderungen von Prof. Dr. Elmar Güthoff/München zur kirchenrechtlichen Einschätzung der Segnung homosexueller Partnerschaften. Von Dr. Gero P. Weishaupt.


Aachen (kath.net) In der Online-Ausgabe der katholischen Wochenzeitung „Die Tagespost“ vom 13. Mai 2021 hat der Münchner Kirchenrechtler Prof. Dr. Elmar Güthoff in einem Interview mit Frau Regina Einig in Reaktion auf die diesbezügliche kirchenrechtliche Position, die ich vertrete, zu strafrechtlichen Implikationen der Segnung homosexueller Paare Stellung genommen: Kirchenrechtler zu Segnungsfeiern: Verstöße, kein Schisma | Die Tagespost (die-tagespost.de). Auf dieses Interview verweist zudem das Internetportal katholisches(.de): Kirchenrechtler Güthoff: Unerlaubte Segnungen kein Schisma - katholisch.de.

Der Münchner Kirchenrechtler Prof. Elmar Güthoff hält eine strafrechtliche Klärung für unmöglich. Wie ich in meiner Replik auf kirchenrechtliche Einwände des Münsteraner Kirchenrechtlers Prof. Dr. Thomas Schüller, die der Münchner Kollege zum Zeitpunkt seines Interviews mit der Tagespost offensichtlich noch nicht zur Kenntnis hat nehmen können, bereits hervorgehoben haben, ist unstrittig, dass der Tatbestand des Schismas nach can. 751 CIC/1983 mit dem Begehen einer Straftat - hier der Segnung homosexueller Paare - noch nicht erfüllt ist. Ich schrieb, dass die Segnung nur dann den Tatbestand des Schismas erfüllen würde, wenn sie Ausdruck einer dauernden Verweigerung der Unterordnung unter den Papst ist. In diesem Fall tritt von Rechtswege, also von selber, ohne Intervention der zuständigen kirchlichen Obrigkeit, die Exkommunikation als Tatstrafe gemäß can. 1364 § 1 ein. 

Rebellion

Ich wies in meiner Replik auf die Einwände des Münsteraner Kirchenrechtlers zudem darauf hin, dass wir in Deutschland seit Wochen und Monaten eine Rebellion gegen den Papst und den Apostolischen Stuhl erleben, die auch im Ausland mit Sorge wahrgenommen wird, und zwar ein Rebellieren nicht nur gegen das Responsum der Glaubenskongregation, sondern auch in Bezug auf die in dem Apostolischen Schreiben „Ordinatio sacerdotalis“ von Papst Johannes Paul II. formulierte Feststellung, dass die mit der Offenbarung aufs Engste verbundene Lehre  der nur Männern vorbehaltenen Priesterweihe unfehlbar, definitiv und unveränderlich ist.

Zu dieser Rebellion gehört Hier die unrechtmäßige Interkommunion mit Christen, die nicht in der vollen Gemeinschaft mit der Katholischen Kirche stehen hinein.  In diesem Kontext ist der Verdacht wohl nicht ausgeschlossen, dass sich Bischöfe und andere Gläubige, die schon eine geraume Zeit rebellieren, nicht dem Papst unterordnen wollen. Damit wäre der Tatbestand des Schismas nach can. 751 gegeben.

 

Wer ist Schismatiker?

Die Unterordnung unter den Papst verweigert, wer die Stellung des Papstes als Haupt des Bischofskollegiums, als Stellvertreter Christi und Hirte der Gesamtkirche generell nicht anerkennt und dies durch Worte und Taten zu erkennen gibt. Der Schismatiker unterstellt sich nicht der höchsten, vollen, unmittelbaren und universalen ordentlichen Vollmacht des Papstes. Die Vollgewalt des Papstes bezieht sich dabei auf alle Angelegenheiten der Kirche. Sie umfaßt die gesamte Leitungsgewalt durch Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung. Dazu gehört auch der Erlass von Verboten wie im jüngsten Responsum der Glaubenskongregation.

 

Autorität des Responsums

Der Eintritt eines Schismas wegen Segnungen homosexueller Paare setzt dabei gerade nicht, wie Prof. Güthoff meint, voraus, dass „der Papst die Antwort der Kongregation für die Glaubenslehre in besonderer Form bekräftigt und so zu einer päpstlichen Erklärung gemacht hat“. Damit wird die Autorität der Glaubenskongregation eingeschränkt.  Schon in meiner Replik auf die Einwände von Prof. Schüller habe ich geschrieben, dass es für den Grad der Autorität des Responsums unerheblich ist, ob es in forma specifica oder formell durch den Papst approbiert worden ist. Die Glaubenskongregation wie die gesamte Römische Kurie handelt immer als Instrument im Dienst des Primates des Papstes und immer in seinem Namen und seiner Autorität, mit oder ohne förmliche Bestätigung einer ihrer Amtshandlungen durch den Papst.

Die Vollmacht der einzelnen Dikasterien ist eine ordentliche, stellvertretende Gewalt. Immer wenn die Kurie tätig wird, ist es der Papst selber, der handelt. Das Responsum schöpft seine Autorität, insofern es von einem Organ des Papstes, hier der Glaubenskongregation, verfaßt ist und sich inhaltlich auf die in der Offenbarung und der menschlichen Vernunft grundgelegten Wahrheit von der Ehe zwischen Mann und Frau bezieht, die der Papst schützen will und aus der das Verbot der Segnung homosexueller Beziehungen notwendig folgt.

 

Besonderheit der Exkommunikation als Tatstrafe

Die Frage, ob mit den schismatischen Handlungen tatsächlich eine Exkommunikation von Rechts wegen, also als Tatstrafe, eingetreten ist, ist dabei in der Tat nicht leicht zu beantworten. Das hängt mit der Eigenart der Tatstrafe im kanonischen Recht insgesamt zusammen. Denn es findet bei einer Tatstrafe naturgemäß keine hoheitlich amtliche Prüfung statt, wie das bei Urteilsstrafen der Fall ist. Die Selbsttätigkeit des Strafreintrittes ist eine „scharfe und zugleich unsichere Weise der Bestrafung“, lehrte schon der renommierte Kanonist Klaus Mörsdorf. Darum ist der Eintritt einer Tatstrafe „an besondere Voraussetzungen gebunden, nämlich an die Vollendung der Straftat und an das Vorliegen einer eindeutigen sittlichen Verantwortung“ (Klaus Mörsdorf) gebunden, d.h. es müssen alle Merkmale des Tatbestandes verwirklicht sein und die Schuld des Straftäters berücksichtigt werden.

Eine solche Feststellung gibt es naturgemäß bei einer Tatstrafe nicht. Erst wenn die kirchliche Obrigkeit sie für den äußeren Rechtsbereich feststellen will, kann eine solche kirchenrechtliche Prüfung stattfinden. Das macht die Schwierigkeit des Eintritts der Tatstrafe aus. Die Frage, ob die Segnung homosexueller Paare oder die hartnäckige, gebetsmühlenartige Infragestellung der Lehre von „Ordinatio sacerdotalis“ Ausdruck einer dauernden Verweigerung der Unterordnung unter den Papst kirchenrechtlich den Tatbestand des Schismas erfüllt und die Tatstrafe der Exkommunikation zur Folge hat, ist tatsächlich nicht einfach zu klären. Eine Lösung ist allerdings nicht unmöglich. Unmöglichkeit und Schwierigkeit ist nicht dasselbe. Zudem könnte ein bei der Glaubenskongregation und dem Päpstlichen Rat für die Gesetzestexte vorgelegtes Dubium auch hier für Klärung sorgen.

 

Delikt nach can. 1371

Gleichwohl ist mit der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare der Straftatbestand des can. 1371, 2° erfüllt, auf den auch Prof. Güthoff hinweist. Dort heißt es: „Mit einer gerechten Strafe soll belegt werden: wer sonst dem Apostolischen Stuhl …, der rechtmäßig gebietet oder verbietet, nicht gehorcht und nach Verwarnung im Ungehorsam verharrt.“  Die Segnung homosexueller Paare stellt nach dem ausdrücklichen Verbot der Glaubenskongregation ein Delikt, eine Straftat, nach can. 1371, 2° dar, denn der Apostolische Stuhl hat etwas ausdrücklich verboten hat, dem einige Priester, Seelsorger und Seelsorgerinnen nicht gehorchen bzw. am 10. Mai nicht gehorcht haben.

Die „gerechte Strafe“ schließt nach dem Wortlaut des Gesetzes, und hier widerspreche ich meinem Münchner Kollegen erneut, gerade auch eine Exkommunikation nicht aus, denn es läßt die Art der Strafe offen. Der Gesetzgeber spricht nur von einer „gerechten Strafe“. Darum wird man natürlich vorher die Tatumstände und den Schaden, den die Straftat verursacht hat, sowie den Vorsatz des Delinquenten beim Strafmaß berücksichtigen müssen.  Auch evtl. Strafausschluss- und Strafmilderungsgründe wären zu beachten. Jedoch können pastorale Motive der Straftäter die zuständige kirchliche Obrigkeit nicht von einer Strafverfolgung abhalten, wie Prof. Güthoff suggeriert.

Pastorale Motive bei den Straftätern können höchstens Anlass dafür sein, eine Strafmilderung zu erwägen.  Denn beinahe alle Missbräuche in der Kirche, man denke nur an den liturgischen Bereich, versucht man zu rechtfertigen unter dem Vorwand der „Pastoral“. Derlei Motive dispensieren die kirchliche Obrigkeit nicht von der Strafverfolgung. Außer einer Exkommunikation kämen je nach Fallgestalt eine Suspension, ein Interdikt, ein Amtsentzug oder eine Geldbuße als Sanktion in Frage.  Auch eine Verwarnung oder ein Verweis sind möglich. Selbstverständlich muss einer Sanktion immer eine Verwarnung seitens der kirchlichen Obrigkeit vorausgehen muss. Dass Prof. Güthoff darauf hinweist, bedeutet für einen Kanonisten Eulen nach Athen tragen, zumal das Gesetz es selber vorschreibt.

Ich sehe im Gegensatz zu Prof. Güthoff nicht, warum eine strafrechtliche Klärung der Segnung homosexueller Beziehung nicht möglich sein soll. Man braucht nur das Strafrecht, hier can. 1371, 2°, ordnungsgemäß anzuwenden.  Aber an der konsequenten Umsetzung des Strafrechtes hapert es bekanntlich in der Kirche. Der Schaden für die Kirche ist enorm.

 

Die in Frankfurt praktizierte Interkommunion war eine Form verbotener Gottesdienstgemeinschaft

Das zeigt sich ganz aktuell in der Frage der Interkommunion, wie sie am Sonntag auf dem Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt praktiziert worden ist.  Sie ist nach can. 1365 ein Delikt gegen die Einheit der Kirche, und zwar im Fall der Interzelebration nach can. 908 und immer dann, wenn die Grenzen der im Hinblick auf das Seelenheil der nichtkatholischen Christen erlaubten Spendung der Sakramente der Buße, der Eucharistie und der Krankensalbung nach can. 844 ignoriert werden.

Nach can. 844 § 4 dürfen Christen, die nicht in der vollen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen, einen  Spender der eigenen Gemeinschaft nicht aufsuchen können und von sich aus darum bitte, die  genannten drei Sakramente empfangen, aber nur dann, wenn sie erstens den katholischen Glauben bekunden (für die Eucharistie heißt das vor allem die Realpräsenz durch die Transsubstantiation unter den sakramentalen Gestalten und den Opfercharakter der heiligen Messe) und zweitens in rechter Weise deponiert sind. Diese Bedingungen müssen gleichzeitig erfüllt sein, um die genannten Sakramente empfangen zu dürfen.

Papst Johannes Pauls II. hat in der Enzyklika „Ecclesia de Eucharistia“ von 2004 die Mahnung ausgesprochen, die Bedingungen des can. 844, „die unumgänglich sind, genau zu beachten, obgleich es sich um begrenzte Einzelfälle handelt“. Die „Ablehnung einer oder mehrerer Glaubenswahrheiten hinsichtlich dieser Sakramente und, unter diesen, die Leugnung jener Wahrheit, welche das zu ihrer Gültigkeit unabdingbare Erfordernis des Weihepriestertums betrifft, macht den Bittsteller indisponiert für den Empfang bzw. für die rechtmäßige Spendung der Sakramente“ (Nr. 46).

 

Rebellion

Diese wohl höchst selten vorliegenden Kriterien für den Sakramentenempfang nichtkatholischer Christen aus der Reformation sind immer dann zu prüfen, wenn der nichtkatholische Christ in Todesgefahr verkehrt oder eine „schwere Notlage“ (gravis necessitas) dazu drängt.

Der deutsche Kurienkardinal Gerhard Müller hat jüngst erneute in der Tagespost Kritik geübt an der wechselseitigen Einladung von Katholiken und Protestanten zur Teilnahme an Eucharistie und Abendmahl im Rahmen des derzeit in Frankfurt stattfindenden Ökumenischen Kirchentags. Es dürfte klar sein, dass eine möglicherweise praktizierte Interkommunion auf dem Ökumenischen Kirchentag keine „schwere Notlage“ darstellt, sondern erneuter Ausdruck von Rebellion und Ungehorsam gegenüber dem Papst und den Bischöfen ist.

Can. 1365 verbietet verbotene Gottesdienstgemeinschaft. Wer die Kriterien und Bedingungen des can. 844 § 4 missachtet, macht sich der verbotenen Gottesdienstgemeinschaft schuldig und soll nach can. 1365 „mit einer gerechten Strafe belegt werden“. Für Kardinal Burke, einem weltweit führenden Kirchenrechtler und ehemaliger Präfekt der Apostolischen Signatur, dem höchsten Berufungsgericht der Kirche, ist das Schisma real verwirklicht.

 

Inkonsequenz in der Strafverfolgung

Bischöfe scheinen dann Strafen konsequent und mit aller Härte zu verfolgen, wenn, wie bei sexuellem Missbrauch, der Druck der Öffentlichkeit sie dazu keine andere Wahl läßt oder wenn es bei Kirchenaustritt aus fiskalen Gründen um das Geld geht. Dann wird rigoros mit Strafen gedroht und werden Strafen auch konsequent umgesetzt, bei Kirchenaustritt nach dem Dekret der DBK von 2012 sogar mit einer solchen, die der Exkommunikation gleichkommt. Doch wenn es um Glaubensfragen geht, des natürlichen Sittengesetzes und der kirchlichen Disziplin versagen die Bischöfe als Hirten.

Die Nichtanwendung des kirchlichen Strafrechtes bei Delikten gegen die Einheit der Kirche nach can. 1365 wie die in Frankfurt durchgeführte Interkommunion oder die Segnungen homosexueller Paare durch rebellierende Priester, Seelsorger und Seelsorgerinnen nach can. 1371 treiben so weiter die Kirchenspaltung voran. Was sich 1521 in Deutschland durch Marin Luther ereignet hat, scheint sich 2021 zu wiederholen.

 


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