Zerstreuungen, Trockenheit, Überdruss

19. Mai 2021 in Aktuelles


Franziskus: der Fortschritt im geistlichen Leben. Ausharren in den Schwierigkeiten im Vertrauen, dass der Herr im finsteren Tal bei mir ist und mein Rufen und Fragen als Ausdruck des Glaubens und als Gebet annimmt. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) „Nehmt euch in Acht, dass Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags euer Herz nicht beschweren und dass jener Tag euch nicht plötzlich überrascht wie eine Falle; denn er wird über alle Bewohner der ganzen Erde hereinbrechen. Wacht und betet allezeit, damit ihr allem, was geschehen wird, entrinnen und vor den Menschensohn hintreten könnt!“ (Lk 21,34-36).

Generalaudienz mit Pilgern und Besuchern im Damasus-Hof des Apostolischen Palastes. Die Gläubigen, die daran teilnehmen wollten, konnten unter Beachtung der sanitären Hinweise durch das Bronzetor auf dem Petersplatz eintreten. Es waren keine Eintrittskarten erforderlich.

Die 34. Katechese stand unter dem Thema: „Die Gefahren der Zerstreuungen, Trockenheit, Überdruss/geistige Trägheit“: „auch wenn du, mein Gott, alles zu tun scheinst, damit ich aufhöre, an dich zu glauben, bete ich weiter zu dir“.

Einigen Schwierigkeiten beim Beten also widmete Papst Franziskus dem Katechismus folgend seine Aufmerksamkeit. „Oft wird das Beten durch die Zerstreuung erschwert“ (KKK, 2729): Zerstreuungen seien nicht schuldhaft, man müsse aber gegen sie ankämpfen. Dabei sei es wichtig, den Ablenkungen nicht nachzugehen, noch sie zu verscheuchen zu suchen, sondern die Tugend der Wachsamkeit zu leben. Wie in den Gleichnissen im Evangelium müssten wir unseren Sinn auf das Kommen des Herrn ausrichten.

Wir alle erlebten diesen kontinuierlichen Wirbel von Bildern und Illusionen in ständiger Bewegung, der uns sogar im Schlaf begleite. Und „wir alle wissen, dass es nicht gut ist, dieser gestörten Neigung nachzugehen“.

Das Ringen um die Erlangung und Aufrechterhaltung der Konzentration habe nicht nur mit dem Gebet zu tun. Wenn kein ausreichendes Maß an Konzentration erreicht werde, könne man weder gewinnbringend studieren, noch gut arbeiten. Sportler wüssten, dass Wettkämpfe nicht nur durch körperliches Training gewonnen würden, sondern auch durch mentale Disziplin: vor allem durch die Fähigkeit, konzentriert zu bleiben und die Aufmerksamkeit zu behalten. Daher sei die Wachsamkeit notwendig.

Eine weitere Schwierigkeit sei die Trockenheit. „Diese gehört zum inneren Gebet, wenn das Herz von Gott wie getrennt und ohne Verlangen nach geistlichen Gedanken, Erinnerungen und Gefühlen ist“ (KKK, 2731). Oft wüssten wir nicht, was die Gründe für diese Trockenheit seien. Es könne an uns selbst liegen, aber auch an Gott, der bestimmte Situationen in unserem äußeren oder inneren Leben zulasse. Geistliche Lehrer „beschreiben die Erfahrung des Glaubens als einen ständigen Wechsel von Zeiten des Trostes und der Trostlosigkeit. Zeiten, in denen alles leicht ist, während andere von großer Schwere geprägt sind“.

Eine Versuchung gegen das Gebet sei dann der Überdruss (Acedia, κηδία), der „durch das Nachlassen der Askese, das Schwinden der Wachsamkeit und durch mangelnde Sorgfalt des Herzens hervorgerufen“ wird (KKK, 2733). Es handle sich dabei um eine der sieben Todsünden, weil sie, angeheizt durch Anmaßung, zum Tod der Seele führen könne.

„Wie sollen wir nun mit dieser Aufeinanderfolge von Hochgefühlen und Entmutigungen umgehen?“, fragte sich der Papst. Wir müssten lernen, in Beständigkeit weiterzugehen. Der Fortschritt im geistlichen Leben bestehe darin, dass wir in den Schwierigkeiten ausharrten im Vertrauen, dass der Herr im finsteren Tal bei mir sei (vgl. Ps 23,4) und mein Rufen und Fragen als Ausdruck des Glaubens und als Gebet annehme.

Man müsse lernen, immer zu „gehen“. Wahrer Fortschritt im spirituellen Leben bestehe nicht in der Vermehrung von Ekstasen, sondern in der Fähigkeit, in schwierigen Zeiten auszuharren: „Erinnern wir uns an das Gleichnis des heiligen Franziskus über die vollkommene Freude: nicht an den unendlichen Vermögen, die vom Himmel herabregnen, wird die Fähigkeit eines Mönchs gemessen, sondern daran, dass er mit Beständigkeit geht, auch wenn man nicht anerkannt wird, auch wenn man schlecht behandelt wird, auch wenn alles den Geschmack des Anfangs verloren hat“.

Alle Heiligen seien durch dieses „dunkle Tal“ gegangen, und wir sollten kein Ärgernis empfinden, wenn wir beim Lesen ihrer Tagebücher den Bericht von Abenden mit lustlosem Gebet hörten, die ohne Geschmack gelebt worden seien. Wir müssten lernen zu sagen: „Auch wenn du, mein Gott, alles zu tun scheinst, damit ich aufhöre, an dich zu glauben, bete ich weiter zu dir“. Gläubige hörten nie auf zu beten. Manchmal könne es dem Gebet Ijobs ähneln, der nicht akzeptiere, dass Gott ihn ungerecht behandelt, er protestiere und rufe ihn zum Gericht.

Auch wir, die wir viel weniger heilig und geduldig seien als Ijob, „wissen, dass am Ende, am Ende dieser Zeit der Trostlosigkeit, in der wir stumme Schreie und viele ‚Warum?’ zum Himmel erhoben haben, Gott uns antworten wird". Und "selbst unsere schärfsten und bittersten Äußerungen wird er mit der Liebe eines Vaters aufgreifen und sie als einen Akt des Glaubens, als ein Gebet betrachten".

Die Pilger und Besucher sowie die Zuschauer und Zuhörer aus dem deutschen Sprachraum grüßte der Heilige Vater mit den folgenden Worten:

Herzlich heiße ich die Pilger deutscher Sprache willkommen. In diesen Tagen der Pfingstnovene beten wir besonders um das Kommen des Heiligen Geistes, damit er die Herzen der Gläubigen erfülle. Er schenke uns auch die Kraft, auszuharren, wenn uns das Beten schwerfällt. Der Heilige Geist leite uns auf unserem Weg.

 


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