Die Gewissheit, gehört zu werden

26. Mai 2021 in Aktuelles


Franziskus: im Gebet ist es Gott, der uns bekehren muss, nicht wir, die Gott bekehren müssen. Das Böse ist der Herr des vorletzten Tages, niemals des letzten. Denn dieser Tag gehört Gott allein. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) „Während er noch am See war, kam einer der Synagogenvorsteher namens Jaïrus zu ihm. Als er Jesus sah, fiel er ihm zu Füßen und flehte ihn um Hilfe an; er sagte: Meine Tochter liegt im Sterben. Komm und leg ihr die Hände auf, damit sie geheilt wird und am Leben bleibt! Da ging Jesus mit ihm. Viele Menschen folgten ihm und drängten sich um ihn. [...] Während Jesus noch redete, kamen Leute, die zum Haus des Synagogenvorstehers gehörten, und sagten: Deine Tochter ist gestorben. Warum bemühst du den Meister noch länger? Jesus, der diese Worte gehört hatte, sagte zu dem Synagogenvorsteher: Fürchte dich nicht! Glaube nur!“ (Mk 5,22-24.35-36).

Generalaudienz mit Pilgern und Besuchern im Damasus-Hof des Apostolischen Palastes. Die Gläubigen, die daran teilnehmen wollten, konnten unter Beachtung der sanitären Hinweise durch das Bronzetor auf dem Petersplatz eintreten. Es waren wie immer bei dieser Gelegenheit keine Eintrittskarten erforderlich. Die 35. Katechese im Zyklus zum Gebet stand unter dem Thema: „Die Gewissheit, gehört zu werden“.

Ein grundsätzlicher Einwand, der oft gegen das Beten vorgebracht werde, komme von dem Eindruck, dass der Beter nicht erhört werde. Dies führe bei manchen dazu, dass sie aufhören zu beten. Hier stellte sich jedoch die Frage nach der richtigen Grundhaltung gegenüber Gott: „Ist Gott für uns nur ein brauchbares Mittel oder ist er der Vater unseres Herrn Jesus Christus?“ (KKK, 2375).

Der Katechismus biete uns so eine gute Zusammenfassung zu diesem Thema. Er warne uns vor dem Risiko, keine authentische Glaubenserfahrung zu machen, sondern unsere Beziehung zu Gott in etwas Magisches zu verwandeln. In der Tat könnten wir beim Beten in die Gefahr geraten, nicht Gott zu dienen, sondern zu erwarten, dass er uns diene. Hier sei also ein Gebet, das immer fordere, das die Ereignisse nach unserem Plan lenken wolle, das keinen anderen Plan als unsere Wünsche zulasse.

Im Vaterunser stünden dagegen an erster Stelle Bitten, die auf Gott bezogen seien: „Geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe“ (Mt 6,9-10). So lehre uns Jesus, dass wir beim Gebet immer den Vater im Himmel und seinen Willen vor Augen haben müssten, „denn wir wissen nicht, was wir in rechter Weise beten sollen“ (Röm 6,9-10).

Wenn wir beteten, müssten wir demütig sein, damit unsere Worte tatsächlich Gebete seien und nicht ein Geschimpfe, das Gott zurückweise. Wir könnten auch aus den falschen Gründen beten: „zum Beispiel, um den Feind im Krieg zu besiegen, ohne zu fragen, was Gott über diesen Krieg denkt. Es ist leicht, auf ein Transparent zu schreiben ‚Gott ist mit uns’. Viele sind bestrebt, sich zu vergewissern, dass Gott mit ihnen ist, aber nur wenige machen sich die Mühe zu prüfen, ob sie tatsächlich mit Gott sind. Im Gebet ist es Gott, der uns bekehren muss, nicht wir, die Gott bekehren müssen“.

Die Evangelien berichteten uns von verschiedenen Begebenheiten, in denen Jesus um Hilfe angefleht werde. Nicht bei allen greife er jedoch sofort ein. Er fordere vielmehr zum Glauben auf.

Dennoch bleibe der Skandal: wenn Menschen aufrichtigen Herzens beteten, wenn sie um Güter bäten, die dem Reich Gottes entsprächen, wenn eine Mutter für ihr krankes Kind bete, „warum scheint es manchmal, dass Gott nicht zuhört?“ Um diese Frage zu beantworten, müssten wir in Ruhe über die Evangelien meditieren.

Die Berichte über das Leben Jesu seien voll von Gebeten: Viele Menschen, die an Leib und Geist verwundet seien, bäten ihn, sie zu heilen. Es gebe solche, die für einen Freund bitten, der nicht mehr gehen könne, Da seien Väter und Mütter, die ihm kranke Söhne und Töchter brächten. Das seien alles Gebete voller Leiden. Es sei dies ein gewaltiger Refrain, der beschwöre: „Erbarme dich unser!“.

Wir sähen also, dass Jesu Antwort manchmal sofort erfolge, während sie in anderen Fällen verzögert sei: „Denken wir an die kanaanäische Frau, die Jesus um ihre Tochter anfleht: diese Frau muss lange insistieren, um gehört zu werden (vgl. Mt 15,21-28). Oder denken wir an den Gelähmten, der von seinen vier Freunden gebracht wird: Jesus vergibt ihm zunächst die Sünden und heilt ihn erst später an seinem Leib (vgl. Mk 2,1-12). Daher ist bei manchen Gelegenheiten die Lösung des Dramas nicht unmittelbar“.

Aus dem Glauben heraus speise sich die Gewissheit, dass jedes in reiner Absicht gesprochene Gebet letztlich erhört werde, wenn auch nicht immer unseren Vorstellungen entsprechend, sondern nach dem Plan Gottes.

Unter diesem Gesichtspunkt verdiene die Heilung der Tochter des Jaïrus besondere Aufmerksamkeit (vgl. Mk 5,21-33). Da sei ein Vater, der es eilig habe: seine Tochter sei krank und deshalb bitte er Jesus um Hilfe. Der Meister „nimmt sofort an, aber auf dem Heimweg kommt es zu einer weiteren Heilung, und dann kommt die Nachricht, dass das Kind gestorben ist“. Es scheine das Ende zu sein, aber stattdessen sagt Jesus zum Vater: „Fürchte dich nicht! Glaube nur“ (Mk 5,36). „Habt weiterhin Glauben“: es sei dies der Glaube, den das Gebet aufrecht erhalte. Und tatsächlich, „Jesus wird dieses Kind aus dem Schlaf des Todes erwecken. Aber eine Zeit lang musste Jaïrus im Dunkeln wandeln, nur mit der Flamme des Glaubens“.

Selbst das Gebet, das Jesus in Getsemani an den Vater richte, scheine ungehört zu bleiben: „der Sohn wird den Kelch des Leidens bis zum Ende trinken müssen“. Doch der Karsamstag sei nicht das letzte Kapitel, denn am dritten Tag sei dr Sonntag, es finde die Auferstehung statt: „Das Böse ist der Herr des vorletzten Tages, niemals des letzten. Denn dieser Tag gehört Gott allein, und es ist der Tag, an dem sich alle menschlichen Sehnsüchte nach Erlösung erfüllen werden“.

Die Pilger und Besucher sowie die Zuschauer und Zuhörer aus dem deutschen Sprachraum grüßte der Heilige Vater mit den folgenden Worten:

Ein herzliches Willkommen richte ich an die Pilger deutscher Sprache. Maria, Mutter der Kirche, ist das strahlende Beispiel des beharrlichen Gebets, das der Heilige Geist in den Gläubigen erweckt. Sie möge auch uns die Gnade erwirken, niemals vom Beten und der Danksagung abzulassen.

 


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