Der Rücktritt des Kardinals ist der politische Weg

7. Juni 2021 in Kommentar


Kirchlich sauber wäre es, die Frage zu klären, ob persönliche Schuld vorliegt. Darüber ist kein Wort gefallen. Liegt nun Schuld vor oder nicht? - Der Montagskick von Peter Winnemöller


Rom (kath.net) Ein Amt einfach aufzugeben ist keine kirchliche Kategorie. Ein aus den Händen des Oberen empfangenes Amt kann man in der Kirche nur gemeinsam mit seiner gesamten Zukunft und nur aus einem wichtigen Grund in die Hände des Oberen zurücklegen.

Kardinal Marx bietet dem Papst seinen Rücktritt an. Das war wohl die kirchliche Nachricht der vergangenen Woche schlechthin. Dieser Rücktritt ist ebenso bedauerlich, wie es jeder andere Bischofsrücktritt in den letzten Jahren war. Rücktritt gehört nämlich dem Grunde nach nicht zu den Formen kirchlicher Verantwortungsübernahme. Dass Rücktritt dem Grunde nach gar keine kirchliche Dimension ist, zeigt sich schon allein daran, dass der Bischof selber gar nicht zurücktreten kann. Er kann dem Papst seinen Amtsverzicht anbieten. Der Papst hat das Recht ihn daraufhin im Amt zu lassen oder von seinem Amt zu entbinden und über seine Zukunft zu entscheiden.

Rücktritt ist eine politische Dimension, die in der demokratischen Kultur beheimatet ist. In einer Demokratie wird ein Teil der staatlichen Gewalt dem Amtsträger auf Zeit übertragen und ist vom – öffentlich wahrgenommenen - Erfolg abhängig. Es gehört hier zur gut und richtig verstandenen demokratischen Kultur, den Rücktritt als Aspekt der Verantwortungsübernahme zu verstehen. Was es für die politische Kultur eines demokratischen Landes bedeutet, wenn Politiker trotz Versagen und Skandal an ihren Posten kleben, wäre an anderer Stelle zu diskutieren.

In der Kirche hingegen wird das Amt auf Lebenszeit übertragen. Eine Aufgabe kann auf Abruf übertragen werden. Doch die Stelle eines Diözesanbischofs ist an die Lebenszeit gebunden. Die Erfordernisse der modernen Zeit machen es vielleicht nötig, ab einem bestimmten Alter grundsätzlich ein geistliches Amt nicht mehr auszuüben zu sollen. Das Kirchenrecht hat hier Bestimmungen geschaffen, wann ein Pfarrer, Domherr, Bischof seinem Oberen seinen Amtsverzicht anzubieten hat. Der emeritierte Papst fand es sogar angemessen das Amt des Papstes niederzulegen, weil seine Kräfte für eine Ausübung des Amtes nicht mehr ausreichten. Man kann leicht erkennen, wie sehr das Amt an die Person gebunden ist, denn auch der emeritierte Papst ist immer noch Papst.

Die Kirche ist keine Demokratie und kann keine sein. Daher können demokratische Traditionen ihr nur fremd bleiben. Unser Glaube lehrt uns, dass ein Amt, welches ein Oberer überträgt, direkt aus den Händen Gottes kommt und es allein an Gott ist, das Amt zu nehmen. Natürlich handelt die Kirche, konkret in Gestalt der Oberen, in göttlicher Vollmacht und kann eben in Gestalt des jeweiligen Oberen auch legitim über Verbleib oder Entlass aus dem Amt entscheiden.

Rücktritt ist eine politische Kategorie. Politisch ist bei genauerem Hinsehen auch die Begründung des Erzbischofs von München für seinen (angebotenen) Rücktritt. Da ist die Rede von Verantwortung, die zu übernehmen ist, von systemischem Versagen. Das alles ist durch und durch politisch. Darin lässt sich keine geistliche Dimension erkennen. Politisch ist auch der inner- und außerkirchliche Applaus. Politisch sind die vielen Statements, die auch im Zusammenhang mit dem Rücktrittsgesuch die Bedeutung des synodalen Weges von DBK und „ZdK“ betonen. Politisch ist der Druck auf Kardinal Woelki ebenso zu handeln. Im Gegensatz zum Erzbischof von München hat allerdings der Erzbischof von Köln bis dato vollkommen korrekt gehandelt und sein Bistum wird nun, wie es guter kirchlicher Brauch ist, apostolisch visitiert. Warum Kardinal Marx nicht auch um eine kirchliche Visitation ersucht hat, bleibt sein Geheimnis. Warum fällt ein deutscher Erzbischof ein Urteil über sich selbst, bevor es die Kirche getan hat? Es kann sein, dass die Visitation in Köln zu dem Ergebnis kommt, dass Kardinal Woelki nicht länger Erzbischof dort sein kann. Dann ist das gut und richtig. Dann ist es das Urteil der Kirche. Bis dato sieht es danach aus, dass der gegenwärtige Erzbischof von Köln weitaus länger im Amt sein wird, als der Erzbischof von München.

Kirchlich sauber wäre es, die Frage zu klären, ob persönliche Schuld vorliegt. Darüber ist kein Wort gefallen. Liegt nun Schuld vor oder nicht? Eine konkrete persönliche Schuld wäre im Forum internum zu klären und geht die Öffentlichkeit nichts an. Die Tatsache zu erklären, dass eine Schuld vorläge, die ausreichend wäre, das Amt nicht mehr verantwortungsvoll ausüben zu können, könnte tatsächlich Grund zum Amtsverzicht sein. Das Forum externum in Gestalt des Oberen wäre gezwungen zu handeln. Dann allerdings wäre es in der kirchlichen Tradition angezeigt, um eine kirchliche Untersuchung zu bitten. Man könnte die Bereitschaft zeigen, künftig ein Büßerleben allein oder in einem Kloster zu führen. Vor dem Hintergrund der gerade erklärten Absicht, das übertragene geistliche Amt nicht mehr ausüben zu wollen, ist die im Brustton der Überzeugung vorgetragene Haltung, weiterhin pastoral noch wirken zu wollen, geradezu absurd. Sie erinnert doch fatal an einen geschassten Minister, der schon bei der Rücktrittspressekonferenz ankündigt, in der nächsten Legislaturperiode wieder in der Regierung mitwirken zu wollen. Immerhin hat der Kardinal noch einige Aufgaben in Rom, von denen er offensichtlich nicht zurücktreten will. Es braucht nur wenig Phantasie den Traum vom Kurienkardinal im Tausch gegen Alptraum München hinter der politisch wirkenden Rochade zu vermuten. Zumal in der Lokalzeitung der westfälischen Heimat des Kardinals schon über einen Umzug nach Rom spekuliert wird.

Es bleibt am Ende eine gewisse Ratlosigkeit, wie weit Teile des Episkopats, darunter auch der gegenwärtige Vorsitzende der Bischofskonferenz vereint mit den Laienfunktionären die Politisierung der Kirche noch vorantreiben wollen. Der beschrittene Weg, von dem der angebotene Rücktritt des Erzbischofs von München nur ein Puzzlestein ist, führt unmittelbar weiter in eine politisch gesteuerte und damit vom Zeitgeist abhängige Kirche, die nichts weiter sein kann als eine dem Staat nützliche NGO.

 

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