Betet ohne Unterlass! In der Liebe verharren

9. Juni 2021 in Aktuelles


Franziskus: das Gebet ist für den geistlichen Menschen wie der Atem, es durchzieht all unser Tun, es belebt und inspiriert das ganze Leben. ‚Zirkularität’ zwischen Glaube, Leben und Gebet nährt das Feuer der christlichen Liebe. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) „Seht zu, dass keiner dem andern Böses mit Bösem vergilt, sondern bemüht euch immer, einander und allen Gutes zu tun! Freut euch zu jeder Zeit! Betet ohne Unterlass! Dankt für alles; denn das ist der Wille Gottes für euch in Christus Jesus. Löscht den Geist nicht aus! Verachtet prophetisches Reden nicht!“ (1 Thess 5,15-20).

Generalaudienz mit Pilgern und Besuchern im Damasus-Hof des Apostolischen Palastes. Die Gläubigen, die daran teilnehmen wollten, konnten unter Beachtung der sanitären Hinweise durch das Bronzetor auf dem Petersplatz eintreten. Es waren wie immer bei dieser Gelegenheit keine Eintrittskarten erforderlich. Die 37. und vorletzte Katechese im Zyklus zum Gebet stand unter dem Thema: „In der Liebe verharren“.

Die Heilige Schrift, so der Papst, lade uns ein, ja sie gebiete uns, „ohne Unterlass“ zu beten – und die Gläubigen aller Zeiten hätten sich gefragt, wie man sich solch unaufhörliches Gebet vorstellen solle und wie es sich konkret verwirklichen lasse.

In dieser Hinsicht sei das Buch „Aufrichtige Erzählungen eines russischen Pilgers“ zu einem Klassiker der geistlichen Literatur geworden. Es beschreibe den inneren Weg des sogenannten Herzensgebetes, das beständig und dem Atem folgend die immer gleiche Anrufung des Namens Jesu wiederhole, bis sich dieses Gebet dann mit dem unbewussten, kontinuierlichen Rhythmus des Atems verbinde. Wie der Atem setze sich dieses Beten dann fort, auch wenn man mit anderen Dingen beschäftigt sei.

Evagrius Ponticus (* 345 in Ibora, Pontos; † 399 in Ägypten) war ein christlicher Mönch („Wüstenvater“), Asket und Schriftsteller. Er bekräftige: „‚Es wurde uns nicht vorgeschrieben, beständig zu arbeiten, zu wachen und zu fasten. Doch ist es für uns ein Gesetz, unablässig zu beten’. Dieser unermüdliche Eifer kann nur aus der Liebe kommen. Der Kampf des Gebetes gegen unsere Schwerfälligkeit und Faulheit ist ein Kampf um eine demütige, vertrauende und beharrliche Liebe. Diese Liebe öffnet unsere Herzen für drei leuchtende und lebendigmachende Gewissheiten des Glaubens“ (KKK 2742).

Es gebe also einen Eifer im christlichen Leben, der niemals versagen dürfe. Es sei ein wenig wie jenes heilige Feuer, das in den alten Tempeln aufbewahrt worden sei, „das ohne Unterbrechung brannte und das die Priester am Leben zu erhalten hatten. Hier ist es: es muss auch in uns ein heiliges Feuer geben, das ununterbrochen brennt und das nichts auslöschen kann“.

Der heilige Johannes Chrysostomus (* 349 oder 344 in Antiochia am Orontes; † 14. September 407 in Komana Pontika), ein Seelsorger, der auf das konkrete Leben geachtet habe, habe gepredigt: „Selbst auf dem Marktplatz oder auf einem einsamen Spaziergang ist es möglich, oft und eifrig zu beten. Auch dann, wenn ihr in eurem Geschäft sitzt, oder gerade kauft oder verkauft, ja selbst wenn ihr kocht “ (KKK 2743). Das Gebet sei also eine Art Notenstab, in den wir die Melodie unseres Lebens legten. Es stehe nicht im Gegensatz zur täglichen Arbeit, es stehe nicht im Widerspruch zu den vielen kleinen Verpflichtungen und Terminen, sondern es sei der Ort, an dem jede Handlung ihren Sinn, ihren Grund und ihre Ruhe finde.

Die biblische Aufforderung, ohne Unterlass zu beten, müsse also keineswegs in einem Widerspruch zu unseren vielfältigen Aufgaben und Verpflichtungen des Alltags stehen – auch wenn es uns manchmal so vorkommen mag. So nehme gerade im christlichen Mönchtum die Arbeit immer einen gewichtigen Platz ein, und das nicht nur aufgrund materieller Notwendigkeit, sondern auch zur Erhaltung eines inneren Gleichgewichts. Die gefalteten Hände des Mönchs trügen die Schwielen derer, die Schaufeln und Hacken schwingen. Wenn Jesus im Lukasevangelium (vgl. 10,38-42) der heiligen Marta sage, dass das Einzige, was wirklich notwendig sei, darin bestehe, auf Gott zu hören, dann wolle er damit keineswegs die vielen Dienste verachten, die sie mit solchem Engagement geleistet habe.

Das Gebet sei für den geistlichen Menschen wie der Atem, es durchzieht all unser Tun, es belebt und inspiriert das ganze Leben. Die Arbeit ihrerseits bewahre das Gebet vor einer spiritualistischen oder ritualistischen Abgehobenheit und Entfremdung vom konkreten Leben: „Beten und christliches Leben lassen sich nicht trennen“ (KKK 2745).

Beim Menschen sei alles „binär“: „unser Körper ist symmetrisch, wir haben zwei Arme, zwei Augen, zwei Hände.... So sind auch Arbeit und Gebet komplementär. Das Gebet – das der Atem von allem ist – bleibt der lebendige Hintergrund der Arbeit, auch in Momenten, in denen es nicht explizit ist. Es ist unmenschlich, so von der Arbeit absorbiert zu sein, dass man keine Zeit mehr für das Gebet findet“.

„Wir erinnern uns“, so Franziskus abschließend, „dass Jesus, nachdem er den Jüngern auf dem Berg Tabor seine Herrlichkeit gezeigt hatte, diesen Moment der Ekstase nicht verlängern wollte, sondern mit ihnen vom Berg hinunterging und den täglichen Weg wieder aufnahm. Denn diese Erfahrung musste in ihren Herzen als Licht und Kraft ihres Glaubens bleiben. So beleben die Zeiten, die dem Zusammensein mit Gott gewidmet sind, den Glauben, der uns in der Konkretheit des Lebens hilft, und der Glaube seinerseits nährt das Gebet, ohne Unterbrechung. In dieser ‚Zirkularität’ zwischen Glaube, Leben und Gebet wird das Feuer der christlichen Liebe, das Gott von jedem von uns erwartet, am Brennen gehalten“.

Die Pilger und Besucher sowie die Zuschauer und Zuhörer aus dem deutschen Sprachraum grüßte der Heilige Vater mit den folgenden Worten:

Liebe Brüder und Schwestern deutscher Sprache, am Freitag feiern wir das Herz-Jesu-Fest. Bitten wir den Herrn um ein Herz, das nach dem seinen schlägt. Er reinige es von allem Irdischen, von allem Stolz, aller Unordnung und Gleichgültigkeit. Er selbst sei unsere Erfüllung, damit unser Herz in Liebe und Gottesfurcht den Frieden finde.

 


© 2021 www.kath.net