Nuntius Eterović: „Christen dürfen sich niemals entmutigen lassen“

10. Juni 2021 in Spirituelles


Predigt zum 900-jährige Jubiläum der Gründung des Prämonstratenserordens: „Gottvater bleibt immer barmherzig und bereit, jedes seiner Kinder wieder aufzunehmen, das sein Gewissen prüft, bereut und ins Vaterhaus zurückkehrt.“


Windberg-Berlin (kath.net) kath.net dokumentiert die Predigt von S.E. Apostolischer Nuntius Erzbischof Dr. Nikola Eterović am 6. Juni im Kloster Windberg (Bayern) und dankt für die freundliche Erlaubnis zur Veröffentlichung in voller Länge – Heiliger Norbert/Erzbischof und Gründer des Prämonstratenserordens/Sir 50,1-14; Ps 110; Röm 12,1-8; Mt 25,14-30

Heiliger Norbert – Erzbischof und Gründer des Prämonstratenserordens

„Sehr gut, du tüchtiger und treuer Diener. Über Weniges warst du treu, über Vieles werde ich dich setzen. Komm, nimm teil am Freudenfest deines Herrn“ (Mt 25,21).

Hochwürdiger Herr Abt Josef Kugler OPraem,
verehrte Mitglieder des Prämonstratenserordens,
liebe Schwestern und Brüder!

    Sehr gerne habe ich die Einladung in dieses schöne Kloster Windberg angenommen, mit Euch heute das 900-jährige Jubiläum der Gründung Eures Prämonstratenserordens zu feiern. Im Jahr 1120 hat der Heilige Norbert die erste religiöse Gemeinschaft in Prémontré in der Nähe von Leon gegründet und am Weihnachtsfest des Jahres 1121 haben die ersten Prämonstratenser ihre Gelübde abgelegt. Auf diese Weise hat der Heilige Norbert den Grundstein für den neuen Orden gelegt, der dann wegen seiner Verbreitung in viele Ländern sehr bekannt wurde. Bis zum Ende des Jahres 1200 gab es schon 500 Klostergründungen, davon 120 noch zu Lebzeiten des Heiligen Norbert. Der Orden wurde aber vor allem wegen des monastischen und apostolischen Wirkens bekannt, denn nach dem Willen des heiligen Gründers leben die Prämonstratenser in Klöstern und unter der Regel des Heiligen Augustinus, doch erfüllen sie außerdem den Dienst bei der Verkündigung des Evangeliums, der guten Nachricht, an die Menschen zu jeder Zeit an den Orten, wo sie leben und arbeiten. Ich freue mich, dass Ihr aus Anlass dieses Jubiläums das Euch eigene Charisma aufgegriffen habt und es mit dem Leitwort: Gemeinsam. Mit Gott. Bei den Menschen aktualisiert. Meinerseits übermittle ich Euch die Grüße des Heiligen Vaters Franziskus (I), ermuntere Euch das Ideal der Heiligkeit zu leben (II) und die Heiligkeit unserer Mutter Kirche neu zu erschließen (III).

1.    Der Segen des Heiligen Vaters Franziskus

Mit Freude grüße ich Euch alle im Namen von Papst Franziskus, des Bischofs von Rom und Hirten der Universalkirche, den ich in der Bundesrepublik Deutschland vertrete. Ich danke Euch für das stetige Gebet an den dreieinen Gott für die Person des Heiligen Vaters und für seine wichtige Mission in Kirche und Welt. Euch ist die Bedeutung der Beziehung jeder Ortskirche mit der Weltkirche in der katholischen Gemeinschaft vertraut, dessen Oberhaupt „als Nachfolger Petri das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen ist“ (LG 23). Dem Heiligen Norbert war die lebendige Beziehung mit dem Bischof der Kirche von Rom, die den Vorsitz in der Liebe innehat (vgl. Heiliger Ignatius von Antiochien, Röm I,1) sehr wichtig, denn er selbst besuchte Rom dreimal, um dem Heiligen Vater zu begegnen (so in den Jahren 1110/1111, 1126 und 1132/1133). Diese Besuche sind für alle Zeit durch eine Marmorfigur des Heiligen Norbert in einer Nische des südlichen Kreuzarmes der Basilika St. Peter und mit einer Travertinfigur über den Kolonnaden des Petersplatzes sichtbar. Auf diese Weise wird an den Glauben des Heiligen an die Realpräsenz Jesus Christi unter den Gestalten von Brot und Wein erinnert, die sich bei der Konsekration in den Leib und das Blut des Herrn wandeln. Aus diesem Grund hat er auch einmal das eucharistische Blut mit einer giftigen Spinne zu sich genommen, die in den Kelch gefallen war, aber ihm kein Leid antat, sondern durch die Nase wieder hervorkam.

2.    Jeder Heilige ist eine Sendung

In seinem Apostolischen Schreiben Gaudete et exultate – Über den Ruf zur Heiligkeit in der Welt von heute vom 19. März 2018 hat der Heilige Vater Franziskus geschrieben: „Jeder Heilige ist eine Sendung; er ist ein Entwurf des Vaters, um zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte einen Aspekt des Evangeliums widerzuspiegeln und ihm konkrete Gestalt zu verleihen“ (19). In den schwierigen Zeiten der Lebensjahre des Heiligen Norbert (ca. 1080 bis 1134) hat er sich für die Reform der Kirche und für ihre Einheit eingesetzt, indem er im Jahr 1130 den legitimen Papst Innozenz II. und nicht den Gegenpapst Anaklet II. unterstützt hat. Er war sich bewußt, dass die Heiligkeit im Leben des Klerus und der Ordensleute, wie auch der Gläubigen als christlicher Lebensweg einer wahren und dauerhaften Reform bedurfte. Aus dieser Haltung heraus folgte der Heilige Norbert der Lehre des göttlichen Meisters. Der Herr Jesus hat seine Jünger nämlich aufgefordert: „Seid also vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist“ (Mt 5,48). Auf diese Weise hat Jesus die Weisung JHWH im Alten Testament zur Vollendung geführt: „Seid heilig, denn ich, der HERR, euer Gott, bin heilig“ (Lev 19,2).

    Während seines öffentlichen Wirkens hat der Herr Jesus seinen Jüngern die Wege zur Heiligkeit gewiesen. Es genügt, an die Seligpreisungen der Bergpredigt oder Feldrede zu erinnern (Mt 5,1-2; Lk 6,20-23) oder an das oberste Gebot der Liebe zu Gott und dem Nächsten (vgl. Mk 12,29-31). Im Abschnitt des Evangeliums, den wir gehört haben, gibt der Herr uns eine weitere Lehre, wenn er uns ermuntert, Heilige zu werden. Die rührigen Knechte, die fünf oder zwei Talente empfangen hatten, ließen sie Gewinn bringen und gaben die entsprechend gewachsene Summe dem Herrn bei seiner Rückkehr zurück. Hierzu ist anzumerken, dass die anfangs empfangenen Gaben ganz vom freien Willen des Gutsbesitzers abhingen. Er hat sie „jedem nach seinen Fähigkeiten“ (Mt 25,15) gegeben. Zugleich erwartete er von seinen Knechten, dass sie mit diesen Talenten arbeiten, sie also aktiv werden und Früchte hervorbringen. Auch auf dem Gebiet der Heiligkeit hat Gott die Initiative. Er schenkt seine Gnade, seine Gaben umsonst, erwartet aber unsere Mitarbeit, damit diese Talente fruchtbar werden können. Auch der Knecht, der nur ein Talent erhalten hatte, hätte es fruchtbar machen können, wenn die Mahnung des Gutsherrn ihm zu Herzen gegangen wäre. Da er aber passiv geblieben war, hat er den Schuldspruch verdient: „Nehmt ihm also das Talent weg und gebt es dem, der die zehn Talente hat“ (Mt 25,28) und auch seine Bestrafung: „Werft den nichtsnutzigen Diener hinaus in die äußerste Finsternis! Dort wird Heulen und Zähneknirschen sein“ (Mt 25,29). Im geistlichen Leben ist Faulheit nicht erlaubt, keine Passivität im Sinne von fehlendem Einsatz. Der Herr kennt jeden von uns besser als wir uns selbst. Ihm sind unsere Grenzen, Unvollkommenheiten und Sünden bekannt. Aber er schenkt uns seine Gnade, insbesondere die Gabe des Heiligen Geistes, um gegen die Versuchungen zu kämpfen, um aufzustehen und immer von neuem den Weg zur Vollkommenheit, zur Heiligkeit zu beginnen. Die Christen dürfen sich niemals entmutigen lassen. Gottvater bleibt immer barmherzig und bereit, jedes seiner Kinder wieder aufzunehmen, das sein Gewissen prüft, bereut und ins Vaterhaus zurückkehrt. Das gilt für alle Menschen, besonders aber auch für die Personen des geweihten Lebens. Das fortdauernde Gebet, vor allem in der Gemeinschaft, die tägliche Feier der Heiligen Messe, die Anbetung, das regelmäßige Beichten und die Frömmigkeitsübungen sind für das geistliche Wachstum unerlässlich, geben aber zugleich die nötigen Ermunterungen auf dem Weg zur persönlichen und gemeinschaftlichen Heiligung.

3.    Die Kirche ist heilig

Mit christlichem Realismus erkennen wir, dass in der Kirche von Anfang an der gute Samen und das Unkraut koexistieren (vgl. Mt 13,24-43). Nach den Worten des Herrn sollen sie bis zur Ernte zusammen wachsen. Erst in diesem Moment wird er zu den Schnittern sagen: „Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, um es zu verbrennen; den Weizen aber bringt in meine Scheune“ (Mt 13,30). Der Herr selbst hat gesagt: „Es muss zwar Ärgernisse geben; doch wehe dem Menschen, durch den das Ärgernis kommt!“ (Mt 18,7). Jeder von uns muss das ihm Mögliche tun, keinen Anlass zu Ärgernis zu geben und auch die Skandale in der Kirche zu verhindern. Doch ungeachtet der Sünden seiner Glieder, ist und bleibt die Kirche heilig. Im nicäno-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis bekennen wir den Glauben an „die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche“. Die Kirche ist heilig, weil ihr Gründer Jesus Christus heilig ist, weil in ihr der Heilige Geist wohnt, „der Herr ist und lebendig macht“, weil durch sie die Sakramente des Heils gespendet werden und die Sünder in den Gnadenstand zurückkehren können. Auch in unserer Zeit müssen wir an diese Wahrheit erinnern: Die Kirche ist heilig, während wir, ihre Glieder, Sünder sind, doch zur Umkehr und Heiligkeit gerufen. Hierzu hat der Heilige Vater Franziskus gesagt: „Ich denke an unsere Mutter, die heilige Mutter Kirche … Unsere Mutter ist heilig, aber wir Kinder sind Sünder. Wir alle sind Sünder. Wir vergessen nicht den Ausspruch der Väter über die casta meretrix (keusche Dirne), die heilige Kirche, die heilige Mutter mit sündigen Kindern. Und aufgrund unserer Sünden profitiert ständig der Große Ankläger, wie im ersten Kapitel von Hiob gesagt wird: Er wandert, wandert durch die Welt und sucht, wen er anklagen kann. In diesem Moment klagt er uns laut an und hieraus erwachsen auch die Verfolgungen. Das kann der heutige Sitzungspräsident (Patriarch Sako) bestätigen, denn sein Volk (die Kirche im Irak) ist verfolgt und mit ihm viele andere im Orient und anderen Teilen. Es gibt aber auch einen anderen Typ von Verfolgung: die wachsenden Anklagen, um die Kirche zu beschmutzen. Aber die Kirche wird nicht schmutzig; die Kinder ja, wir sind alle beschmutzt, aber die Mutter nicht. Es daher an der Zeit, die Mutter zu verteidigen; und die Mutter verteidigt man durch Buße und Gebet vor dem Großen Ankläger. Daher rate ich, in diesem Monat, der in wenigen Tagen zuende geht, den Rosenkranz zu beten, zum Heiligen Erzengel Michael zu beten, die Gottesmutter zu bitten, denn sie schützt stets die Mutter Kirche. Setzen wir das zu tun fort. Es ist ein schwieriger Moment, aber der Ankläger attackiert uns, attackiert die Mutter, aber die Mutter rührt man nicht an“ (zum Ende der Ordentlichen Generalversammlung über die Jugend, 27. Oktober 2018).

    Bitten wir den Heiligen Norbert, wie auch alle Eure Schutzheiligen, insbesondere die selige Jungfrau Maria, die Mutter der Kirche, für uns einzutreten, damit wir Sünder uns bekehren und uns neu auf den Weg zur Heiligkeit machen, um uns immer tiefer mit dem einen, heiligen Gott, dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist zu vereinen. Amen.

Archivfoto Nuntius Eterović (c) Apostolische Nuntiatur in Berlin


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