Ein einziges Gebot – Bergpredigt

10. Juni 2021 in Aktuelles


Benedikt XVI. – Licht des Glaubens: worin bestehen die „Fülle“ des Gesetzes Christi und diese „größere“ Gerechtigkeit, die er fordert? Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Donnerstag der zehnten Woche im Jahreskreis: „Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein; und wer zu seinem Bruder sagt: Du Dummkopf!, soll dem Spruch des Hohen Rates verfallen sein; wer aber zu ihm sagt: Du gottloser Narr!, soll dem Feuer der Hölle verfallen sein“. Harte Worte, die das christliche Leben strukturieren und nicht missbraucht werden dürfen. Sie beeindruckten die Menschen sehr: „Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein. Und so spricht er sechs Mal“.

„Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass die erste große Verkündigung Jesu ‚Bergpredigt’ heißt! Mose stieg auf den Berg Sinai hinauf, um das Gesetz Gottes zu empfangen und es dem auserwählten Volk zu bringen. Jesus ist der Sohn Gottes, der vom Himmel herabgekommen ist, um uns zum Himmel zu führen, in die Höhe Gottes, auf den Weg der Liebe. Mehr noch: Er selbst ist dieser Weg: wir müssen nichts anderes tun als ihm zu folgen, um den Willen Gottes in die Praxis umzusetzen und in sein Reich, in das ewige Leben einzutreten.“

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„Darum sage ich euch: Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Schriftgelehrten und der Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen“.

Die neuen Thesen

„Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten; wer aber jemanden tötet, soll dem Gericht verfallen sein. Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein; und wer zu seinem Bruder sagt: Du Dummkopf!, soll dem Spruch des Hohen Rates verfallen sein; wer aber zu ihm sagt: Du Narr!, soll dem Feuer der Hölle verfallen sein. Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dabei einfällt, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass deine Gabe dort vor dem Altar liegen; geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe! Schließ ohne Zögern Frieden mit deinem Gegner, solange du mit ihm noch auf dem Weg zum Gericht bist! Sonst wird dich dein Gegner vor den Richter bringen und der Richter wird dich dem Gerichtsdiener übergeben und du wirst ins Gefängnis geworfen. Amen, ich sage dir: Du kommst von dort nicht heraus, bis du den letzten Pfennig bezahlt hast“ (Mt 5, 20-26).

Benedikt XVI., zum Angelus am 13. Februar 2011:

In der Liturgie des heutigen Sonntags wird die Lesung der sogenannten »Bergpredigt« Jesu fortgesetzt, welche die Kapitel 5, 6 und 7 des Matthäusevangeliums umfaßt. Nach den »Seligpreisungen«, die sein Lebensprogramm sind, verkündet Jesus das neue Gesetz, seine Thora, wie es unsere jüdischen Brüder nennen. In der Tat sollte der Messias bei seinem Kommen auch die endgültige Offenbarung des Gesetzes bringen, und gerade dies erklärt Jesus: »Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen.« Und an seine Jünger gewandt fügt er hinzu: »Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen« (Mt 5,17.20). Doch worin bestehen diese »Fülle« des Gesetzes Christi und diese »größere« Gerechtigkeit, die er fordert?

Jesus erklärt dies mittels einer Reihe von Gegenüberstellungen zwischen den alten Geboten und seiner Weise, sie neu darzulegen. Jedes Mal beginnt er: »Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt worden ist …«, und dann sagt er: »Ich aber sage euch …« Zum Beispiel: »Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten; wer aber jemand tötet, soll dem Gericht verfallen sein. Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein« (Mt 5,21–22). Und so spricht er sechs Mal. Diese Art zu reden beeindruckte die Menschen sehr. Sie erschraken, da jenes »Ich aber sage euch« dem Anspruch gleichkam, dieselbe Autorität Gottes, des Quells des Gesetzes, zu besitzen. Die Neuheit Jesu besteht im wesentlichen in der Tatsache, daß er selbst die Gebote mit der Liebe Gottes »erfüllt«, mit der Kraft des Heiligen Geistes, der in ihm wohnt. Und wir können uns durch den Glauben an Christus dem Wirken des Heiligen Geistes öffnen, der uns dazu befähigt, die göttliche Liebe zu leben.

Deshalb bewahrheitet sich jedes Gebot als Erfordernis der Liebe, und alle Gebote sind wieder zusammengefaßt in einem einzigen Gebot: Du sollst Gott lieben mit ganzem Herzen, und du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. »Also ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes«, schreibt der hl. Paulus (Röm 13,10). Angesichts dieser Forderung drängt uns zum Beispiel der bedauerliche Fall der vier Roma-Kinder, die vergangene Woche in der Peripherie dieser Stadt beim Brand ihrer Baracke zu Tode gekommen sind, uns zu fragen, ob eine solidarischere und brüderlichere, in der Liebe konsequentere, das heißt christlichere Gesellschaft dieses tragische Geschehen nicht hätte vermeiden können. Und diese Frage gilt für viele andere schmerzliche, mehr oder weniger bekannte Ereignisse, die sich täglich in unseren Städten und Ländern zutragen.

Liebe Freunde, wahrscheinlich ist es kein Zufall, daß die erste große Verkündigung Jesu »Bergpredigt« heißt! Mose stieg auf den Berg Sinai hinauf, um das Gesetz Gottes zu empfangen und es dem auserwählten Volk zu bringen. Jesus ist der Sohn Gottes, der vom Himmel herabgekommen ist, um uns zum Himmel zu führen, in die Höhe Gottes, auf den Weg der Liebe. Mehr noch: Er selbst ist dieser Weg: wir müssen nichts anderes tun als ihm zu folgen, um den Willen Gottes in die Praxis umzusetzen und in sein Reich, in das ewige Leben einzutreten.

Ein einziges Geschöpf hat bereits den Gipfel des Berges erreicht: die Jungfrau Maria. Dank der Einheit mit Jesus ist ihre Gerechtigkeit vollkommen gewesen: Daher rufen wir sie unter dem Titel Speculum iustitiae an. Wir wollen uns ihr anempfehlen, auf daß sie auch unsere Schritte in der Treue zum Gesetz Christi leite.

 


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