„Fötus-Kult“? - New York Times bekämpft die kirchliche Position zu Abtreibung mit Scheinargumenten

7. Juli 2021 in Prolife


Der Historiker Gary Wills bedient Gemeinplätze, übergeht aber den Katechismus und verallgemeinert seine persönliche Enttäuschung.


New York (kath.net/mk) Die New York Times hat Ende Juni einen Kommentar veröffentlicht, der behauptet, dass die Bischöfe bei Biden und Abtreibung falsch lägen. Der mit Spott nicht sparende Autor ist der Historiker Garry Wills, Hintergrund die derzeit in den USA sehr umstrittene Frage, ob die US-Bischöfe den Präsidenten wegen seiner öffentlichen die Abtreibung unterstützenden Haltung vom Kommunionempfang ausschließen sollen. Zwei andere US-Medien, Life News und der Washington Examiner, entlarven Wills‘ Argumente als fadenscheinig.

Der erste Denkfehler des Historikers liege schon darin, dass die Bischöfe nicht so sehr kritisieren würden, dass Präsident Biden Abtreibung nicht VERHINDERE, sondern dass er sie öffentlich aktiv FÖRDERE, etwa durch die Finanzierung mit Steuergeldern. Doch auch der Kern von Wills‘ Botschaft, nämlich dass Abtreibungsgegner bestimmt hätten, dass der Fötus eine Person sei, und sich deren Widerstand gegen Abtreibung weder aus der Bibel noch aus einem Glaubensbekenntnis noch von bedeutenden christlichen Schriftstellern und Theologen ableiten lasse, sei verfehlt: Wie im Katechismus nachzulesen sei, habe keineswegs erst in den 1950er-Jahren ein „Kult des Fötus“ eingesetzt, wie Wills das auszumachen glaubt. Denn dort heißt es, dass die Kirche seit dem ersten Jahrhundert nach Christus daran festhält, dass Abtreibung ein Unrecht ist. Dazu werden mehrere frühchristliche Schriften und Autoren zitiert (Didache, Barnabas-Brief, Tertullian), und auch der Vers aus dem Buch Jeremia: „Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen.“

Auch die US-Bischofskonferenz habe in einem Dokument festgehalten, dass bereits die frühen Christen sich durch ihre ablehnende Haltung zur Abtreibung und Kindesmord von ihrer heidnischen Umgebung abgehoben und dies auf Konzilien bekräftigt hätten. Der heilige Augustinus habe hervorgehoben, dass Gott in seiner Allmacht auch Menschen im frühesten Entwicklungsstadium zur Auferstehung und zur ewigen Freude bei ihm führen könne. Eine genauso kategorische Ablehnung der Abtreibung habe der heilige Thomas von Aquin vertreten. Die moderne Wissenschaft habe mit ihren Erkenntnissen unterstrichen, wie wichtig und vernünftig die Position der Kirche sei.

Auffallend sei laut Life News, dass Wills einen persönlichen Bezug zum Thema habe, weil nach seiner Aussage einige Frauen in seiner Familie abgetrieben hätten und sich nach wie vor als katholisch bezeichnen würden. Darüber hinaus lässt Wills auch eine persönliche Enttäuschung durch die Kirche durchklingen: seine Frau habe in den 1960er-Jahren in England eine Fehlgeburt gehabt, die Pfarre habe ihn mit seiner Frage, wie damit umzugehen sei, ratlos ans Spital zurückverwiesen. Daraus schließt der Historiker, dass die Kirche sich selbst widerspreche, weil sie Fehlgeburten weder taufen noch begraben wolle. Hier hält der Washington Examiner dagegen, dass die katholische Kirche sehr wohl zum Begräbnis von Fehl- oder Totgeburten ermutigt und sogar eigene Gebete dafür vorgesehen hat. Der Katechismus streiche heraus, dass Gottes Barmherzigkeit uns die Gewissheit gebe, dass es auch für ungetauft verstorbene Kinder einen Weg zum Heil gibt.


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