Die Demütigste und Höchste der Erschaffenen

15. August 2021 in Aktuelles


Franziskus: Maria, die in den Himmel aufgenommene. Demut, Niedrigkeit und Dienst: der Weg zu Gott. Es ist paradox: um nach oben zu kommen, in den Himmel, muss man niedrig bleiben, wie die Erde. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) „Ein anderes Zeichen erschien am Himmel und siehe, ein Drache, groß und feuerrot, mit sieben Köpfen und zehn Hörnern und mit sieben Diademen auf seinen Köpfen. Sein Schwanz fegte ein Drittel der Sterne vom Himmel und warf sie auf die Erde herab. Der Drache stand vor der Frau, die gebären sollte; er wollte ihr Kind verschlingen, sobald es geboren war. Und sie gebar ein Kind, einen Sohn, der alle Völker mit eisernem Zepter weiden wird. Und ihr Kind wurde zu Gott und zu seinem Thron entrückt“ (Offb 11,3-35): Angelus mit Papst Franziskus auf dem Petersplatz am zwanzigsten Sonntag im Jahreskreis, Hochfest Mariä Aufnahme in den Himmel – „Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?“.

Im heutigen Evangelium steche das Magnificat hervor, so der Papst in seiner Katechese vor dem Mittagsgebet. Dieser Lobgesang sei wie ein „Foto“ der Mutter Gottes. Maria sage: „mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter“ (vgl. Lk 1,47-48).

Das Geheimnis Marias sei die Demut. Es sei die Niedrigkeit, die den Blick Gottes auf sie lenke. Das menschliche Auge suche nach Größe und sei geblendet von dem, was prunkvoll sei. Gott hingegen „schaut nicht auf den äußeren Schein, sondern auf das Herz (vgl. 1 Sam 16,7) und ist von der Demut entzückt“. Wenn wir heute auf die in den Himmel aufgenommene Maria schauten, könnten wir sagen, dass die Demut der Weg zum Himmel ist.

Das Wort „Demut“, Niedrigkeit, komme vom lateinischen Wort „humus“, das „Erde“ bedeute. „Es ist paradox“, so Franziskus: „um nach oben zu kommen, in den Himmel, muss man niedrig bleiben, wie die Erde! Jesus lehrt: ‚wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden“ (Lk 14,11). Gott erhebt uns nicht wegen unserer Gaben, unseres Reichtums oder unserer Fähigkeiten, sondern wegen unserer Demut“. Gott erhebe diejenigen, die sich selbst erniedrigten, diejenigen, die dienen. Maria schreibe sich selbst nur den „Titel“ einer Magd zu. Sie sei „die Magd des Herrn“ (Lk 1,38). Sie sage nichts anderes von sich, sie suche nichts anderes für sich.

Heute könnten wir uns also fragen: „Wie steht es bei mir mit der Demut? Strebe ich danach, von den anderen anerkannt zu werden, mich zu behaupten und gelobt zu werden, oder denke ich daran, zu dienen? Kann ich zuhören, wie Maria, oder will ich nur reden und Aufmerksamkeit bekommen? Kann ich schweigen, wie Maria, oder schwätze ich ständig? Weiß ich, wie man sich zurückhält, Streit und Diskussionen entschärft, oder versuche ich nur, mich zu übertreffen?“.

Maria, in ihrer Kleinheit, sei die erste, die den Himmel erobere. Das Geheimnis ihres Erfolgs liege gerade darin, dass sie sich selbst als klein und bedürftig erkenne. Bei Gott könne nur derjenige alles empfangen, der sich selbst als ein Nichts erkennt. Nur wer sich selbst entäußere, werde von ihm erfüllt. Und Maria sei gerade wegen ihrer Demut „voll der Gnade“. Auch für uns sei die Demut der Ausgangspunkt, der Beginn unseres Glaubens. Es sei wichtig, „arm im Geist“ zu sein, das heißt Gottes zu bedürfen. Wer von sich selbst eingenommen sei, gebe Gott keinen Raum. Wer aber demütig bleibe, erlaube es dem Herrn, Großes zu vollbringen.

Der Dichter Dante nenne die Jungfrau Maria die „Demütigste und Höchste der Erschaffnen“ (Paradies XXXIII, 2). Es sei schön, sich vorzustellen, dass das bescheidenste und erhabenste Geschöpf der Geschichte, das erste, das mit Leib und Seele den Himmel erobert habe, sein Leben hauptsächlich im Haus, im Gewöhnlichen verbracht habe. Die Tage derer die voll der Gnade gewesen sei, hätten nichts Eklatantes vorweisen können. Oft seien sie aufeinander in der Stille gefolgt: „nach außen hin nichts Außergewöhnliches. Aber Gottes Blick blieb immer auf ihr, er bewunderte ihre Demut, ihre Verfügbarkeit, die Schönheit ihres Herzens, das nie von Sünde berührt wurde“.

Es sei dies eine große Botschaft der Hoffnung für uns: „für dich, der du gleiche, anstrengende und oft schwierige Tage erlebst. Maria erinnert dich heute daran, dass Gott auch dich zu dieser Bestimmung der Herrlichkeit beruft“. Das seien keine schönen Worte. Es sei dies kein erfundenes „Happy End“, keine fromme Illusion oder ein falscher Trost: „Nein, es ist die reine Realität, lebendig und wahr, so wie die Gottesmutter in den Himmel aufgenommen wurde. Lasst sie uns heute mit der Liebe der Kinder feiern, beseelt von der Hoffnung, eines Tages mit ihr im Himmel zu sein!“.

Und „lasst uns jetzt zu ihr beten, dass sie uns auf dem Weg von der Erde zum Himmel begleiten möge. Sie erinnert uns daran, dass das Geheimnis des Wegs in dem Wort Demut, Niedrigkeit enthalten ist. Und dass Kleinheit und Dienst die Geheimnisse sind, um das Ziel zu erreichen“.

Nach dem Angelus gedachte der Papst der dramatischen Situation in Afghanistan. Auch Haiti, das von einem schweren Erdbeben betroffen ist, gehörte zum Gebetsanaliegen des Papstes.

 


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