Die Gefahr der „Religiosität des Scheins“

29. August 2021 in Aktuelles


Franziskus: was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein. Von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken. Gebet und Fasten für Afghanistan. für Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) „Der Prophet Jesája hatte Recht mit dem, was er über euch Heuchler sagte, wie geschrieben steht: Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz aber ist weit weg von mir“: Angelus mit Papst Franziskus auf dem Petersplatz am zweiundzwanzigsten Sonntag im Jahreskreis.

Das Evangelium der heutigen Liturgie (Mk 7, 1–8.14–15.21–23) zeige einige Schriftgelehrten und Pharisäer, die sich über die Haltung Jesu wunderten. Sie seien empört, weil seine Jünger Nahrung zu sich nähmen, ohne vorher die traditionellen rituellen Waschungen vorzunehmen. Sie dächten sich: „Dieses Verhalten widerspricht der religiösen Praxis“ (vgl. Mk 7,2-5).

Auch wir könnten uns fragen: „Warum haben Jesus und seine Jünger diese Traditionen vernachlässigt? Schließlich sind das keine schlechten Dinge, sondern gute rituelle Gewohnheiten, wie das einfache Waschen vor der Nahrungsaufnahme. Warum kümmert sich Jesus nicht um sie?“. Weil es ihm wichtig sei, so die Antwort des Papstes, den Glauben wieder in den Mittelpunkt zu stellen. Und ein Risiko zu vermeiden, das für diese Schriftgelehrten ebenso gelte wie für uns: „äußere Formalitäten einzuhalten und dabei das Herz des Glaubens an die zweite Stelle zu setzen“. Es bestehe die Gefahr einer „Religiosität des Scheins“: nach außen hin gut zu sein, während man die Reinigung des Herzens vernachlässige. Es gebe immer die Versuchung, Gott mit irgendeiner äußeren Verehrung „in Ordnung zu bringen“, doch Jesus gebe sich mit diesem Kult nicht zufrieden. Er wolle keine Äußerlichkeiten, er wolle einen Glauben, der das Herz erreiche.

Unmittelbar danach rufe er die Menge zurück, um eine große Wahrheit auszusprechen: „Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein“ (V. 15). Denn „von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken“ (V. 21). Diese Worte seien revolutionär, denn in der damaligen Mentalität habe man geglaubt, dass bestimmte Speisen oder äußere Kontakte einen unrein machten. Jesus kehre die Perspektive um: „nicht das, was von außen kommt, ist schlecht, sondern das, was von innen heraus entsteht“.

Das betreffe auch uns. Wir dächten oft, dass das Böse vor allem von außen komme, vom Verhalten der anderen, von denen, die schlecht über uns dächten, von der Gesellschaft. Wie oft gäben wir den anderen, der Gesellschaft, der Welt, die Schuld an allem, was uns widerfahre: „schuld sind immer die ‚anderen’: die Menschen, die Regierenden, das Pech. Die Probleme scheinen immer von außen zu kommen“. Und wir verbrächten unsere Zeit damit, Schuldzuweisungen zu verteilen.

Aber Zeit damit zu verbringen, die anderen zu beschuldigen, sei Zeitverschwendung. Man werde zornig, verbittert und halte Gott aus dem Herzen fern. Wie die Menschen im Evangelium, die sich beschwerten, sich empörten, polemisierten und Jesus nicht willkommen hießen. Man könne nicht wirklich religiös sein, „wenn man sich beklagt: Ärger, Groll und Traurigkeit verschließen die Türen zu Gott“.

„Bitten wir den Herrn heute“, so der Papst, „dass er uns davon befreit, die anderen zu beschuldigen. Bitten wir im Gebet um die Gnade, keine Zeit damit zu verschwenden, die Welt mit Klagen zu verschmutzen, denn das ist nicht christlich“. Vielmehr lade Jesus uns ein, das Leben und die Welt vom Herzen aus zu betrachten. Wenn wir nach innen schauten, würden wir fast alles finden, was wir draußen hassten. Und „wenn wir Gott aufrichtig bitten, unsere Herzen zu reinigen, dann werden wir beginnen, die Welt sauberer zu machen. Denn es gibt einen unfehlbaren Weg, das Böse zu überwinden: damit beginnen, es in sich selbst zu besiegen“. "Klage dich selbst an", so hätten viele Kirchenväter und Möche gesagt.

„Möge die Jungfrau Maria“, so Franziskus abschließend, „die durch die Reinheit ihres Herzens die Geschichte verändert hat, uns helfen, das unsere zu läutern und vor allem das Laster zu überwinden, die anderen zu beschuldigen und sich über alles zu beklagen“.

Nach dem Angelus gedachte der Papst der schweren Situation in Afghanistan. Man dürfe nicht gleichgütlig bleiben. Gebet und Fasten seien notwendig, um den Herrn um Barmherzigkeit und Vergebung zu bitten.

 


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