„3G am Arbeitsplatz“ - wo bleibt der Aufschrei?

22. Oktober 2021 in Kommentar


Neues Vorhaben der österreichischen Regierung kommt für viele einem Impfzwang gleich, was der kirchlichen Position zur Corona-Impfung widerspricht - Kirche müsste daher auf die Barrikaden gehen und das Vorhaben bekämpfen. Kommentar von Michael Koder


Wien (kath.net/mk) Die so genannte 3G-Regel soll in Österreich bald auch am Arbeitsplatz eingeführt werden, wenn es nach dem Wunsch vieler Politiker, Medienvertreter und auch Sozialpartner geht - mitten in einer Regierungskrise und bei tendenziell stagnierenden Corona-Zahlen in den Spitälern. Sie war ursprünglich ausdrücklich nicht für lebensnotwendige Bereiche wie Supermarkt oder Arztbesuch oder eben auch den Arbeitsplatz gedacht, sondern für „entbehrliche“ Bereiche wie Gastronomie oder Kultur, wobei schon die Frage der Entbehrlichkeit umstritten ist. Denn entbehrlich können diese Bereiche höchstens kurzfristig sein, der Mensch ist immerhin ein „zoon politikon“, ein Gemeinschaftswesen, und auch die Kultur, soweit sie das Wahre, Gute und Schöne vermittelt, ist eine wesentliche Nahrungsquelle für den Menschen.

3G am Arbeitsplatz, generell und nicht nur für einzelne „sensible“ Bereiche wie Krankenhäuser, geht aber noch darüber hinaus: hier wird das auch von kirchlichen Verantwortlichen als Grundrecht bezeichnete Recht auf Arbeit (siehe etwa die Enzyklika „Laborem exercens“ vom hl. Johannes Paul II.) massiv beschnitten, denn wer weder geimpft noch genesen ist, sieht sich zu regelmäßigen Tests gezwungen; wer aus welchem Grund auch immer dazu nicht bereit ist, hat faktisch ein österreichweites Arbeitsverbot. Ja, anders als etwa Asylwerber, die zumindest im selbstständigen Bereich zum Beispiel als Zeitungszusteller oder Fahrradkuriere arbeiten können, darf dieser dann wohl überwiegend als „böser Corona-Leugner“ Abgestempelte nicht einmal das.
Wie weit sind wir als Gesellschaft gekommen? Mögen auch Arbeitsbereiche übrig bleiben, bei denen ein Kontakt mit anderen Menschen und somit auch die 3G-Pflicht entfällt, so ist das doch nicht der Regelfall und vor allem auch nicht der Idealfall, denn viele Menschen zehren davon, dass sie in der Arbeit auf andere Menschen treffen.

Aber, so kann man fragen, die Tests bleiben ja voraussichtlich bis Ende März gratis, warum sollte sich ein Arbeitnehmer also an regelmäßigen Testungen stören? Zunächst einmal sind die „Wohnzimmertests“ bald nicht mehr gratis, d. h. für die Gratistests muss man in der Regel in die Apotheke oder zur Teststation fahren. Allein der logistische Aufwand kann bei dem durchschnittlichen fünf Tage in der Woche ausgeübten Job enorm werden, zumal die weit verbreiteten Antigen-Tests nur mehr 24 Stunden gelten, macht also 5 Tests pro Woche. Darüber hinaus stellen die Tests – vielleicht noch mehr als die Masken – für viele eine Entwürdigung dar: sich testen lassen zu müssen, ohne Symptome zu haben, um zu beweisen, dass man gesund ist - das widerstrebt zurecht dem Hausverstand vieler. Der Mensch ist keine Maschine; ihn regelmäßig und dauerhaft mit medizinisch-technischen Anwendungen zu konfrontieren, entmenschlicht uns. Eine permanente Beschäftigung mit dem eigenen Gesundheitszustand belastet nicht nur, sondern erzeugt auch eine gefährliche Fixierung darauf, ähnlich vielleicht wie das „Kalorienzählen“ bei Diäten. Und schließlich sind die Tests nicht so angenehm wie oft vermittelt: sich fünfmal in der Woche einige Zentimeter tief in die Nase fahren zu lassen, um dann in banger Ungewissheit auf das (möglicherweise falsche) Ergebnis zu warten – schon das ist vielen Menschen in Wahrheit nicht zumutbar.

Wenn nun angedacht ist, dass diejenigen, die eine regelmäßige Testung ablehnen, gegen Entfall der Bezüge freigestellt werden können, obwohl sie an sich arbeitsfähig und -willig wären, so ist daran zu denken, dass der Katechismus es – nach der Bibel – als ein himmelschreiendes Unrecht bezeichnet, Arbeitern ihren Lohn vorzuenthalten. Gewerkschaften und auch die Kirche sollten also bei diesem Vorhaben aufschreien, Letztere auch deshalb, weil sie an die Feststellung der Glaubenskongregation – als höchster Autorität in Sittenfragen – vom Dezember 2020 gebunden ist, wonach es keine moralische Pflicht zur Impfung gibt, und damit auch kein Zwang ausgeübt werden darf. „3G am Arbeitsplatz“ wäre aber Zwang, weil es für viele Menschen aus unterschiedlichen Gründen dann keine Alternative mehr zur Impfung gibt. Eine solche Regelung wäre daher ein schweres Unrecht, und würde die gesellschaftliche Spaltung weiter vorantreiben. Statt aufzuschreien spielen kirchliche Institutionen wie die Caritas eine Vorreiterrolle und gehen – wie schon bisher in der Pandemie – auch hier mit „gutem Beispiel“ voran. Zumindest Weihbischof Turnovszky hat unlängst eingemahnt, dass Druck auf die Ungeimpften kontraproduktiv ist. Die Entscheidungsträger sollten auf ihn hören, bevor sie noch mehr Schaden anrichten.


© 2021 www.kath.net