Das Staunen über das Geheimnis der Menschwerdung neu wecken

31. Dezember 2021 in Aktuelles


Papst Franziskus feiert die erste Vesper des Hochfests der Gottesmutter Maria. Staunen, Verwunderung, Kontemplation. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Zum Jahresabschluss und Dank für das Jahr 2021 feierte Papst Franziskus zusamen mit den Gläubigen der Tradition entsprechend die erste Vesper zum Hochfest der Gottesmutter Maria in der Petersbasilika. Der Dekan des Kardinalkollegius Giovanni Battista Re zelebrierte, der Papst assistierte. Im Anschluss an den Gottesdienst wurde das allerheiligste Sakrament des Altares ausgesetzt und nach einer Zeit der Anbetung das „Te Deum“ angestimmt. Die Feier endete mit dem eucharistischen Segen.

In diesen Tagen lade uns die Liturgie ein, so der Papst in seiner Predigt, uns das Staunen über das Geheimnis der Menschwerdung neu zu wecken. Das Weihnachtsfest sei vielleicht das Fest, das diese innere Haltung am meisten hervorruft: Staunen, Verwunderung, Kontemplation.

Wie die Hirten von Bethlehem, die zuerst die leuchtende Ankündigung des Engels erhalten hätten und dann geeilt seien, um das Zeichen zu finden, das ihnen angezeigt worden sei: „das Kind in Windeln gewickelt in einer Krippe. Mit Tränen in den Augen knien sie vor dem neugeborenen Heiland“. Doch nicht nur sie, auch Maria und Josef seien von heiligem Staunen über das, was die Hirten von dem Engel über das Kind gehört hätten, erfüllt.

„Es ist wahr“, so Franziskus: „Weihnachten kann nicht ohne Staunen gefeiert werden. Aber ein Erstaunen, das sich nicht auf eine oberflächliche Emotion beschränkt, die mit der Äußerlichkeit des Festes zusammenhängt, oder noch schlimmer mit einem Konsumrausch“. Wenn Weihnachten darauf reduziert werde, werde sich nichts ändern: „morgen wird das Gleiche sein wie gestern, nächstes Jahr wird das Gleiche sein wie letztes Jahr, und so weiter. Es würde bedeuten, dass wir uns für ein paar Augenblicke an einem Strohfeuer wärmen und uns nicht mit unserem ganzen Wesen der Kraft des Ereignisses aussetzen, dass wir den Kern des Geheimnisses der Geburt Christi nicht erfassen“.

Und das Zentrum sei dieses: „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14). Dies werde in der Abendliturgie, mit der das Hochfest der heiligsten Gottesmutter Maria eröffnet werde, mehrmals wiederholt.: „sie ist die erste Zeugin, die erste und größte und gleichzeitig die bescheidenste. Der Größte, weil der Bescheidenste“.

Ihr Herz sei voller Staunen, aber ohne eine Spur von Romantik, Schnulzigkeit oder Spiritismus: „nein. Die Mutter bringt uns zurück zur Realität, zur Wahrheit von Weihnachten, die in diesen drei Worten des heiligen Paulus enthalten ist: „von einer Frau geboren“ (Gal 4,4). Das christliche Staunen rühre nicht von Spezialeffekten, von fantastischen Welten her, sondern vom Geheimnis der Wirklichkeit: „es gibt nichts Wunderbareres und Erstaunlicheres als die Wirklichkeit! Eine Blume, eine Erdscholle, eine Lebensgeschichte, eine Begegnung... Das faltige Gesicht eines alten Mannes und das frisch erblühte Gesicht eines Kindes. Eine Mutter hält ihr Kind im Arm und stillt es. Das Geheimnisvolle schimmert durch“.

Das Staunen Marias, das Staunen der Kirche sei voller Dankbarkeit. Die Dankbarkeit der Mutter, „die beim Anblick ihres Sohnes die Nähe Gottes spürt, spürt, dass Gott sein Volk nicht verlassen hat, dass er gekommen ist, dass er nahe ist, dass er Gott mit uns ist“. Die Probleme seien nicht verschwunden, die Schwierigkeiten und Sorgen fehlten nicht, aber wir seien nicht allein. Der Vater „hat seinen Sohn gesandt, um uns von der Sklaverei der Sünde zu befreien und unsere Würde als Kinder wiederherzustellen. Er, der Einziggeborene, „wurde der Erstgeborene unter vielen Brüdern und Schwestern, um uns alle, die wir verloren und verstreut waren, ins Haus des Vaters zurückzubringen“.

Diese Zeit der Pandemie habe das Gefühl der Verwirrung in der ganzen Welt verstärkt. Nach einer anfänglichen Phase der Reaktion, in der wir das Gefühl gehabt hätten, dass wir alle im selben Boot säßen, „hat sich die Versuchung des ‚Es rette sich werkabb’ ausgebreitet. Aber Gott sei Dank haben wir wieder reagiert, und zwar mit Verantwortungsbewusstsein“. In der Tat könnetn und müssten wir „Gott sei Dank“ sagen, „denn die Entscheidung für eine solidarische Verantwortung kommt nicht von der Welt: sie kommt von Gott, ja, sie kommt von Jesus Christus, der unserer Geschichte ein für alle Mal den Lauf seiner ursprünglichen Berufung aufgeprägt hat: alle Schwestern und Brüder, Kinder des einen Vaters zu sein“.

Rom trage diese Berufung in seinem Herzen. In gewissem Sinne fühle sich jeder zu Hause, „denn diese Stadt birgt eine universelle Offenheit in sich. Sie kommt aus seiner Geschichte, aus seiner Kultur; sie kommt vor allem aus dem Evangelium Christi, das hier tiefe Wurzeln geschlagen hat, durchtränkt vom Blut der Märtyrer“.

Aber auch in diesem Fall sollten wir vorsichtig sein: „eine gastfreundliche und brüderliche Stadt erkennt man nicht an ihrer ‚Fassade’, an schönen Reden, an hochtrabenden Veranstaltungen. Nein. Dies zeigt sich daran, dass denjenigen, die am meisten zu kämpfen haben, den Familien, die am stärksten von der Krise betroffen sind, den Menschen mit schweren Behinderungen und ihren Familien, denjenigen, die jeden Tag mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit fahren müssen, denjenigen, die in den Vorstädten leben, denjenigen, die von einem Misserfolg in ihrem Leben überwältigt wurden und soziale Dienste benötigen, usw., täglich Aufmerksamkeit geschenkt wird“.

Der Bischof von Rom ist sich sicher: „Rom ist eine wunderbare Stadt, die nie aufhört zu verzaubern“. Aber für diejenigen, die dort lebten, sei es auch eine anstrengende Stadt, leider nicht immer würdig für ihre Bürger und Gäste, „eine Stadt, die manchmal verwirft“. Die Hoffnung sei also, „dass alle, die dort leben und die, die sich zum Arbeiten, Pilgern oder für den Tourismus dort aufhalten, es mehr und mehr für seine Fürsorge bei der Aufnahme der Schwächsten und Verletzlichsten, für die Würde des Lebens und für das gemeinsame Haus zu schätzen wissen. Möge jeder erstaunt sein, in dieser Stadt eine Schönheit zu entdecken, die ich als ‚beständig’ bezeichnen würde und die Dankbarkeit hervorruft“.

Heute zeige uns die Mutter – die Mutter Maria und die Mutter Kirche – das Kind: „sie lächelt uns an und sagt: ‚er ist der Weg. Folgt ihm, habt Vertrauen’. Folgen wir ihm auf unserem täglichen Weg. Er gibt der Zeit Fülle, er gibt den Taten und den Tagen Sinn. Lasst uns Vertrauen haben, in den glücklichen Momenten und in den schmerzlichen: die Hoffnung, die er uns gibt, ist die Hoffnung, die nie enttäuscht“.

 


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