Im Anfang war nicht das "Bischofswort"

2. August 2022 in Aktuelles


Otti's Optik: Von der Neigung deutscher Kirchenkommunikation zu scheitern - von Franz Norbert Otterbeck


Köln (kath.net)

Es gibt sie noch, die tapferen Eltern, die ihre lieben Kinder in konfessionelle Ferienfreizeiten schicken. Dann passiert sowas: "Unser Auftrag ist es nicht, die Kirche zu retten, sondern es geht um das Reich Gottes - ..." Wahrscheinlich wird die niederrheinische Lokalpresse inzwischen direkt aus der bischöflichen Pressestelle mit vorgefertigten, werbenden Zeitungsartikeln geflutet. Das Foto von Ann-Christin Ladermann legt das nahe. Es zeigt einen 'Why?bischof' im regenbogen-ähnlichen Messgewand, predigend. Er wird allmählich breiter und kahler, wie ich auf der 'Baustelle Kevelaer' feststellen durfte, vormals Deutschlands größter Wallfahrtsort. Aber das Foto von der Ferieninsel Ameland ist günstig aufgenommen, weit weg, vor jungem Publikum -  irgendetwas aufzählend. Das Originalzitat von Alfred Loisy lautet übrigens: "Jésus annoncait le Royaume et c'est l'église qui est venue." (Jesus verkündete das Gottesreich und es die Kirche, die gekommen ist.) Loisy meinte um 1900 damit: immerhin gekommen. Der Modernist war im vorläufigen wissenschaftlichen Weltbild des 19. Jahrhunderts gefangen, das Wunder für unmöglich erachtete, also speziell die Auferstehung Jesu für eine "Interpretation" seiner Gemeinde hielt. Jesus konnte also, wie schon von Ernest Renan dargestellt, nur ein imposanter Wanderprediger gewesen sein, der über seinen Auftrag irrte. Dieser Jesus ist nur Maßstab "pro Humanität", hat aber anderen maßgeblichen Menschen nichts an Rang voraus. Loisy sah allerdings zunächst noch einen modernen Gestaltungauftrag zugunsten der Kirche für weiter gegeben an. Damit also bricht der Prediger von Ameland, vordergründig. Doch sein Zitat geht weiter: " ... es geht um das Reich Gottes - und das ist vielfältig", betonte er; pünktlich zum C.S.D. in Berlin (23. Juli). Der Open-Air-Gottesdienst auf der Ferieninsel stand also zeitgemäß unter dem Motto: "Gott liebt das bunte Leben". Das Reich Gottes mit "Vielfalt" gleichzusetzen, genauer: nicht mit wirklicher Vielfalt, sondern mit einem hinausposaunten Bekenntnis zur Vielfalt, ohne Konsequenzen, außer: die "Einfältigen" zu exkommunizieren, soll zwar originell klingen, führt aber zu nichts.

Das jüngste Konzil hält hingegen fest, beispielsweise in 'Lumen gentium' Nr. 5, dass die Kirche nicht weniger ist als der Anfang und die Anwesenheit des Gottesreiches auf Erden, wörtlich: "Von daher empfängt die Kirche, die mit den Gaben ihres Stifters ausgestattet ist und seine Gebote der Liebe, der Demut und der Selbstverleugnung treulich hält, die Sendung, das Reich Christi-und-Gottes anzukündigen und in allen Völkern zu begründen. So stellt sie Keim und Anfang dieses Reiches auf Erden dar. Während sie allmählich wächst, streckt sie sich verlangend aus nach dem vollendeten Reich; mit allen Kräften hofft und sehnt sie sich danach, mit ihrem König in Herrlichkeit vereint zu werden." Mit den Gaben ihres Stifters ausgestattet! Wir leben heute in der abenteuerlichen Zeit, in der jeder, der ein passendes Konzilszitat ausfindig zu machen versteht, fast jeden deutschen Bischof ein wenig zu beschämen vermag. Allerdings die Unverschämtesten unter ihnen kratzt das nicht an, denn sie arbeiten ja für ein "Reich Gottes" eigenen Rechts. Von der Kirche leben sie, aber nicht mehr für sie. Richtig bleibt allerdings, Lohmann redet ja nie ganz falsch, dass nicht "wir" die Kirche retten werden. Die Kirche rettet uns, ausgestattet mit den Gaben ihres Stifters! Sie rettet uns auch vor den Zwerg-Rebellen, die sich auf "synodalen", eher heteronomen Wegen und mit anderen Experimenten in eine 'Neue Kirche' hineinretten wollen, losgelöst vom Anspruch und Zuspruch Christi, des Herrn.

Die deutsche Bischofskommunikation ist seit Jahrzehnten auf dem Pfad hin zur Erbärmlichkeit, weniger zum Erbarmen. Aber das gilt immer noch nicht überall und immer. Aus gegebener Veranlassung, wegen der Abtreibungspolitik, las ich mal wieder das Hirtenwort aus dem September 1982: "Wähle das Leben!" Irgendjemand aus der damaligen Bischofskonferenz konnte formulieren und hatte etwas mitzuteilen. Vielleicht war es Kardinal Höffner selber, der Vorsitzende. Sein Buch von 1962 über die Christliche Gesellschaftslehre, erschienen, als er Bischof von Münster wurde, ist für mich und viele weiterhin ein zentraler Leitfaden politischen Denkens. Auch darin wurde schon sehr viel Richtiges über die Vielfalt in der Geschöpflichkeit nach Gottes Willen gesagt. Bätzing, Marx + Co. sollten mal einen Blick da hinein riskieren, wenigstens ab und an.

Aber "das" Kommunikationsproblem der 'Deutsche Kirche GmbH + Co.' beginnt bereits bei den einfachsten Voraussetzungen. Die Beschäftigten im Sektor verstehen größtenteils die Sprache der Christen nicht mehr. Bei 'Unbefleckter Empfängnis' denken sie oft an die Vermeidung irgendeiner Besudelung, nicht aber an die Ausnahme vom Sündendrama der Menschheit. Bei der 'Ersten Heiligen Kommunion' meinen sie, dass die Kinder erstmals das 'Letzte Abendmahl' gedächtnisweise nachspielen dürfen, wenn auch liturgisch verfremdet. Die 'Firmung' (oder auch 'Konfirmation', in abweichenden Denominationen) ist eine Art sozialer Jugendweihe, nur mit weniger Geschenken als in der Ex-DDR üblich. Ehe gilt als Plattform für Treue und Verantwortung, wiewohl es in der 'Keimzelle der Gesellschaft' immer auch viel Untreue und Vernachlässigung gab. Die sakramentale Ebene wird in der Kirchenkommunikation kaum noch angesprochen. Familie ist ein Wunschtraum und überall brüchig, es sei denn, man öffnet sie für "Vielfalt": was auch heißen kann, dass zwei junge Frauen von der Caritas ein Mädchen großziehen, aus der Samenspende eines dänischen Wikingers, oder so. Die Dreigenerationenfamilie mit vielen Kindern war vielleicht arm, aber sehr vielfältig.

Wenn in 'Bischofsworten' wahlweise die Wörter 'entsetzt, erschrocken, erstaunt, irritiert, verstört, verwundert' u.v.a.m. vorkommen, könnte es sei, dass mal wieder ein Hinweis aus Rom kam, der daran erinnerte, an einige Fundamente des Glaubens kommunikativ zu erinnern. Beispielsweise daran, dass die fortschrittliche Neugestaltung der Zivilehe, als Angebot "an alle", neben ungezählten unverbindlichen Lebensmodellen, für die Kirche ohne Relevanz ist. Wer heute 40 Jahre oder mehr mit dem "Engagement" in der deutschen Kirche zu tun hatte, der wird sich erinnern, dass der Anteil geistlicher Kommunikation, über Glaubensfragen oder Persönliches, vielleicht den Promillebereich knapp verließ, mit fallender Tendenz. Womit gar nicht auf Alkohol angespielt werden soll, auch wenn der eine oder andere Pastor den Helfern beim Pfarrfest zum Dank schonmal ein paar Flaschen vom westfälischen Schnaps spendierte. Gott, Christus, Seine Kirche werden auch in 'Pastors Garten' zum Tabu.

Eine sprachlose, eiertänzelnde, ausklammernde Verkündigung ist an der Macht! Man muss aber nicht unbedingt Schimpfworte bemühen, um zu einer deutlichen und direkten Sprache zurückzukehren, im Angesicht der "communicatio in sacris". Die 'Letzten Dinge' scheinen jedoch nicht mehr relevant zu sein für die nationaldeutsche Verfremdung des Evangeliums. Das Land, in dem wir gut und gerne leben, ist sich selbst genug - und es hat den Segen seiner Bischöfe. Manches in der "deutschen Kirche" bleibt aber stets gleich: Man muss ausgrenzen. Früher wurde der Ketzer "verketzert", heute mancher Rechtgläubige. Von der 'Nachfolge Christi' wird als weit entfernt abgeurteilt, wer mit der Geistlichkeit nicht hinreichend devot kommuniziert. Der ihr unbequeme Christ sei der Feuerhölle verfallen? (Auch wenn sie "leer" ist?). Die berechnende Großspendensammlerin aber steht in Gunst, bis hin zu vorteilhaften Geschäften im klerikalen Nahbereich? Für sie könnte es dann demnächst erstmals ein Verfahren zur Seligsprechung schon zu Lebzeiten geben? Denn man hat es ja, das Ohr des Bischofs!

Jesus aber sagt: Bei Euch soll es nicht so sein. (Mk 10,43.)


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