Wohin steuert die katholische Kirche in Deutschland

11. September 2022 in Kommentar


Ein Gastbeitrag von José Antonio Fortea, katholischer Priester, Theologe.


Speyer (kath.net)

Als man mich auf den Synodalen Weg in Deutschland ansprach, fragte ich mich, ob ich hierzu etwas sagen könne, was man nicht bereits unzählige Male gehört hat. Ich dachte darüber nach und nun besteht mein Beitrag in einigen Anregungen.

Wenn wir die Kirchengeschichte betrachten, stellen wir fest, dass ein Synodaler Weg dem Willen Gottes entspricht, aber nicht alle Konzilien führten zu einem guten Ergebnis. Heutzutage bezeichnen wir die Versammlungen, die “vom Weg abkamen”, als Ketzerkonzile. Damals jedoch hielt man sie wegen ihrer Mitglieder genauso für richtige Konzilien wie jene, die zu Definitionen führten, die zur Lehre der Kirche gehören. Um nur ein Beispiel zu nennen, das Zweite Konzil von Ephesus (im Jahre 449) wurde niemals als Ausdruck des Glaubens der Kirche angesehen, obgleich es beanspruchte, Glaubensartikel zu definieren.

Eine Synode, ein Konzil, jede kirchliche Versammlung kann auf übertriebene und unrechtmäßige Art und Weise gelenkt werden, es kann Druck ausgeübt werden; zudem muss man noch ergänzen, dass ein Regionalkonzil oder eine Provinzialsynode nicht notwendigerweise Ausdruck des Glaubens der Kirche sein muss. Eine Regionalsynode kann zwar des Beistandes des Heiligen Geistes sicher sein, jedoch nicht, dass das Endergebnis eine zweifelsfreie Formulierung des Glaubens der Kirche ist. In einem Konklave, zum Beispiel, ist der Beistand des Heiligen Geistes gewiss. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Kardinäle in jedem Fall auf die Stimme Gottes hören. So steht auch die Wahl eines Papstes nicht unbedingt im Einklang mit dem Willen Gottes.

Das Hören auf den Heiligen Geist ist deshalb absolut notwendig und davon hängt es ab, ob man am Ende dem Willen Gottes den Vorrang gibt.

Ich bedauere, dass ich die Vorstellung derjenigen korrigieren muss, die Synoden für etwas Absolutes halten, denn die Kirchengeschichte zeigt klar:

Nur den Universalkonzilien in Einheit mit dem Papst ist Unfehlbarkeit zugesichert. Dies sagt auch eine kontinuierliche Tradition der Kirche.

Es ist daher nötig, dass die Teilnehmer des Synodalen Weges in Deutschland sich ihrer eigenen Fehlbarkeit – sowohl persönlich als auch kollektiv – bewusst sind. Sie können sich nicht vom Gesamtzusammenhang der Wahrheit “befreien”, den wir hier vielleicht als die “Universale Synode” bezeichnen könnten. Eine Synode kann durchaus “kreativ” sein, jedoch innerhalb des Glaubens. 

Aber da wir uns nicht immer darüber einigen können, was nun zum Glauben gehört oder nicht,  ist es zumindest unerlässlich anzuerkennen, was Jesus Christus zum Schutz des Glaubens für die Kirche grundgelegt hat. Falls man diese “universale Kirchenordnung” jedoch nicht akzeptiert, beginnt eine Synode ihre Diskussionen nicht vom richtigen Startpunkt aus. Dann würde man nicht nur diese oder jene moralische oder biblische Frage beraten, es beträfe vielmehr das eigentliche Wesen der Kirche, ihre Befähigung, den christlichen Glauben zu bewahren.

Vielleicht wird manch ein Leser mich nun für einen Traditionalisten halten: keineswegs. Ich bin überzeugt, dass die Theologie vorankommen muss, jedoch durch ein tieferes Verständnis der Glaubenswahrheiten oder Dogmen. Ich glaube also an ein depositum fidei, einen Glaubensschatz (Glaubensgut). Falls man unter «Fortschritt» einen Umsturz der Säulen verstehen sollte, die unsere Verbindung mit einer unveränderlichen Wahrheit aufrechterhalten, so bin ich dafür nicht zu haben.

Ich bin Spanier und die Wahrheit ist in Deutschland und Spanien dieselbe. Offensichtlich ist die Wahrheit im Norden Europas nicht anders als die im Süden; ebenso wenig ist, was im 5. Jhd. wahr gewesen ist, es im 18. Jhd. nicht mehr. Der Synodale Weg – so demokratisch er auch sein mag – kann mich also zu nichts verpflichten. Alle Teilnehmer werden wohl akzeptieren, dass sie Teil einer größeren Familie sind und eine bestimmte Stimmenanzahl die Kirche auf 5 Kontinenten nicht verpflichten kann, etwas zu glauben oder nicht; die dort behandelten Fragen betreffen auf jeden Fall direkt die Frage der Wahrheit in der Kirche: Hat die Kirche, als sie universell dies oder jenes lehrte, sich geirrt?

Ich bin also dafür, dass wir vorankommen, jedoch in Einheit mit der Tradition. Man wäre leichtgläubig, wenn man sich nicht darüber klar würde, dass die moralischen Fragen, die auf dem Synodalen Weg debattiert werden, die Bedeutung des Lehramtes der katholischen Kirche direkt betreffen. Entweder wird man bei seinen Entscheidungen die “universale Familie”, die Weltkirche, berücksichtigen und akzeptieren, dass “Oberhirten” existieren, denen Christus eine besondere Aufgabe übertragen hat; oder viele Deutsche werden in denselben Fehler verfallen, wie einst die koptische oder armenische Kirche oder die Altkatholiken.

 

Zur Person:

Padre Fortea (José Antonio Fortea Cucurull), geb. 1968 in Barbastro, Spanien, katholischer Priester, Doktor der Theologie, gehört zur Diözese Alcalá de Henares, Er ist im Internet sehr aktiv (Videokanal mit über 260.000 Abonnenten; https://www.youtube.com/c/CanaldelPadreFortea), ein sehr produktiver – und thematisch vielseitiger Buchautor – in 10 Sprachen übersetzt; theologische Werke, aber auch in der Zukunft spielende Romane; sein neuestes Werk über den heiligen Apostel Paulus (El león de Dios (Der Löwe Gottes) umfasst 2400 Seiten. Er betreibt auch https://blogdelpadrefortea.blogspot.com/ , ist überdies Exorzist und gilt als einer der (weltweit) größten Experten auf dem Gebiet der Dämonologie. Seine “Summa Daemoniaca” gilt als Standardweri. Padre Fortea ist auch in Amerika – von Nord bis Süd – bekannt und wird oft eingeladen (als Gastredner, Prediger, bei Heilungsgottesdiensten).


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