Ein Jahr „Out in Church“ – ein Symptom unserer Zeit

30. Jänner 2023 in Kommentar


Es ist in der Tat ärgerlich, wenn der Inhaber der höchsten Lehrautorität in der Kirche völlig in formlosen Kontexten ungeschützt zuweilen sinnentleertes Zeug daher schwätzt - Der Montagskick von Peter Winnemöller


Bonn (kath.net)

Ein Jahr ist es her, da trat, bestens orchestriert und mit Rückenwind einer öffentlich-rechtlichen Sondersendung, die umstrittene Initiative „Out in Church“ ans Licht der Öffentlichkeit. Angesichts des grassierenden Fachkräftemangels auch in Seelsorge und Caritas hatte man in der Kirche längst begonnen, beide Augen zu verschließen und diskret zu übersehen, was streng nach bisherigem kirchlichem Arbeitsrecht zur Kündigung hätte führen müssen. Wer bei der Kirche, die nun einmal rein rechtlich ein Tendenzbetrieb ist, einen Arbeitsvertrag unterschreibt, muss sich den Tendenzbedingungen unterwerfen oder nach einer Alternative suchen. Soweit die Theorie.

Da wir aber inzwischen auch in den Bereichen, in denen die Kirche wirtschaftlich oder zumindest als Arbeitgeber unterwegs ist, einen Arbeitnehmermarkt haben, kann die Kirche – hier konkret die Diözesen oder die jeweils handelnde Körperschaft – ihre Tätigkeit einschränken oder einstellen oder sie ist auf die Mitarbeiter angewiesen, die bereit sind für sie zu arbeiten. Die Initiative „Out in Church“ traf insofern auf optimale Bedingungen, ihre Forderungen weitestgehend durchsetzen zu können. Wie weit die Forderungen gehen, konnte man an kirchlichen Mitarbeitern erkennen, die einige Zeit nach Beginn der Aktion öffentlich machten, dass es gar nicht um treue homosexuelle Partnerschaften geht. Es geht um ein Implementieren der gesamten LGBT- Agenda in das Lehren und Handeln der Kirche. Es geht, ganz konkret auch darum, dass letztendlich alle denkbaren Formen sexuellen Handelns – auch Promiskuität – in den Kanon des wohlwollend akzeptierten Sexualverhaltens aufgenommen wird.

Wie ärgerlich, dass der Papst sich gerade mal wieder – zuerst recht ungeschickt in Form eines Interviews, dann korrigierend in Briefform – so ganz anders über Homosexualität geäußert hat. Es ist in der Tat ärgerlich, wenn der Inhaber der höchsten Lehrautorität in der Kirche völlig in formlosen Kontexten ungeschützt zuweilen sinnentleertes Zeug daher schwätzt. Ein Interview ist als Papstäußerung letztendlich ein rechtliches und lehrmäßiges Nullum, das dennoch auf Grund der Position des Papstes höchste Aufmerksamkeit und Zurückhaltung erfordert. Franziskus plappert einfach drauflos, was die lateinamerikanische Sozialisation hergibt. Der alte weiße Europäer rollt vergeblich mit den Augen. Der Mann in weiß hat gesprochen. Die Kurie gibt sich Mühe, das zerschlagene Porzellan aufzuräumen.

Natürlich ist Homosexualität keine Sünde. Selbst ein deutscher Bischof fabulierte einst davon. Dass sich dieser inzwischen zum episkopalen Sprecher der kirchlichen LGBT- Bewegung gewandelt hat, ist natürlich ein Treppenwitz und ein Drama zugleich. Denn er hat nur den einen Irrtum durch einen anderen ersetzt.

Nein, eine Neigung kann keine Sünde sein. Sünde ist per Definitionem der willentliche und wissentliche Verstoß gegen ein göttliches Gebot oder gegen ein Gebot der Kirche. Im Zweifel gilt es im Forum Internum, d.h. in der Beichte und der geistlichen Begleitung zu klären, was Sünde ist und was nicht. Als Leitfaden zum Erkennen mag der Katechismus der Katholischen Kirche dienen. Denn auch wenn das Gewissen – gemäß Thomas von Aquin auch das irrende Gewissen – die moralische Letztinstanz für einen Menschen darstellt, so gilt dies jedoch immer unter dem Vorbehalt der sorgfältigen Gewissensbildung. Wurstigkeit im Umgang mit dem eigenen Gewissen ist ganz sicher keine exkulpierende Ausrede für sündiges Verhalten.

Weder päpstliche Interviewneigung noch existenzbedrohender Fachkräftemangel retten aber die Kirche aus dem lausigen Dilemma zwischen einer – mit öffentlichem Rückenwind segelnden – Lobby, die gerade erst erfolgreich die Bischöfe vor sich hergetrieben hat und dem göttlichen Gebot. Dabei haben sich die Bischöfe in diesem Fall nur zu gerne treiben lassen, haben ihnen nämlich „Out in Church“ und Co ein viel drängenderes Problem abgeräumt, als es öffentlich kommuniziert wird. Der schwule Pfleger im katholischen Krankenhaus war schon immer das allergeringste Problem. Der hochqualifizierte Chefarzt jedoch, der seine Gattin davonjagte oder von selbiger davongejagt wurde und erneut heiratete, musste zum Leidwesen aller Verantwortlichen seinen katholischen Chefarztposten räumen und sorgte für zufriedenes Händereiben bei evangelischen oder staatlichen Krankenhäusern, die ihm gerne einen Posten anboten. Schon seit Jahrzehnten fragt weder bei kirchlichen Angestellten noch bei Religionslehrern an staatlichen Schulen jemand allzu ernst nach der persönlichen Lebensführung. Die katholische Lehre kennt nur noch eine winzige Minderheit und eine weitaus kleinere Minderheit macht sie zum Maßstab ihres persönlichen Handelns. Das ist Fakt. Man frage mal Pfarrer nach ihren Kindergärtnerinnen. Allein, wenn es zum öffentlichen Ärgernis wurde, war man vielleicht zum Handeln gezwungen. Und die niedere Neigung zur Erpressung fand hier ihre Nahrung. Eine unerträgliche Situation! Das spart man sich jetzt einfach.

Was am Ende aller dieser gut gemeinten Reformen hinten runterfällt, ist die Ehrlichkeit und Redlichkeit kirchlichen Handelns. Selbst wenn man gerade in Limburg das sechste Gebot auch für nicht bei der Kirche beschäftige abgeschafft hat und damit eine wesentliche Diskriminierung für Laien ohne Arbeitsvertrag mit dem Krummstab aus der Welt geräumt hat, bleibt immer noch dieser lausige Katechismus. Denn am Ende steht man ja nicht vor seinem Bischof. Am Ende steht man – womöglich neben seinem Bischof – vor dem Herrn der Kirche und der hat bislang nicht erkennen lassen, das sechste Gebot streichen zu wollen. Ganz gleich, welche Veranlagung ein Mensch hat, gilt immer dem sechsten Gebot folgend, dass sexuelle Handlungen ihren ordentlichen Platz in der Ehe haben. Da gibt es keine göttliche Extrawurst. Für niemanden! Und während der kleine Mensch, der in seiner Zeit den Irrtümern seiner Zeit folgte und in den Sünden seiner Zeit lebte, die zu erkennen ihn keiner lehrte, vielleicht weitaus eher auf Barmherzigkeit hoffen darf, dürften hingegen die berufenen Hirten, die dem Herrn zudem geschworen haben, seine Lehre wahrhaftig zu verkündigen und auch gegen den Zeitgeist zu verteidigen, vielleicht in einer deutlich schwereren Position sein.

Man sollte das apostolische Amt nicht auf die leichte Schulter nehmen. Wenn selbst der Herr dem Petrus sagt, dass er für ihn und seine Brüder gebetet hat, dann ist die Lage ernst. „Simon, Simon, der Satan hat verlangt, dass er euch wie Weizen sieben darf. Ich aber habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht erlischt.“ (LK22, 31f.) Das gilt letztendlich für das ganze apostolische Amt. Liest man solche Sätze in der Bibel, dann verbietet sich jede Häme gegen Bischöfe, die ganz offen erkennbar in den Irrtum gefallen sind. In gleicher Weise ist es aber geboten, an der Wahrheit festzuhalten und im Gebet für die Hirten nicht nachzulassen.

Letzten Endes stehen wir vor dem Problem einer Kirche in zu tiefer Verflechtung in weltliche Strukturen. Entweltlichung könnte der Kirche tatsächlich helfen. Man könnte – was lange schon überfällig ist – alle kirchlichen Sozialbetriebe, wirklich alle bis zum letzten Gemeindekindergarten, aus dem Eigentum der Kirche in Stiftungen geben, die dem staatlichen Arbeitsrecht unterstehen. Das würde dem kirchlichen Arbeitgeber so manchen Eiertanz ersparen. Die Mitarbeiter hätten dann auch endlich die im Betriebsverfassungsgesetz garantierten Arbeitnehmerrechte, die ihnen die Kirche noch immer vorenthält. Es wäre vielen damit geholfen. Die Qualität der Arbeit müsste sich in keiner Weise verschlechtern, den Stiftungen einen christlichen Stempel mitzugeben, ist ein rein juristisches und damit lösbares Problem.

Und wie ein Bischof mit seinem Klerus umgeht? Das muss endlich wieder der Umgang eines Vaters mit seinen Söhnen werden. Das wird nicht ad hoc alle Probleme lösen, aber vieles verbessern. Auch für die Bischöfe.

 

Foto: (c) Peter Winnemöller privat


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