Prager Erzbischof: Pfarreien sollen geistliche Familie von Familien sein

30. Mai 2023 in Weltkirche


Erzbischof Graubner betont in Hirtenbrief Rolle der Pfarren als Orte der Gemeinschaft, des gläubigen Engagements und der Evangelisierung


Prag (kath.net/KAP) Der Prager Erzbischof Jan Graubner hat einen Hirtenbrief ausschließlich dem Thema Pfarre und Gemeinschaften gewidmet. Nach einem Jahr an der Spitze der tschechischen Hauptstadtdiözese und zahlreichen Pfarrbesuchen bietet er darin eine kurzgefasste theologische Begründung für die kirchliche Basisstruktur, gleichzeitig werden aber auch konkrete Probleme und Lösungswege angesprochen. Ein wichtiges Thema dabei ist die gestiegene Mobilität unter den Gläubigen. Demgegenüber empfiehlt der Erzbischof, sich dennoch in einer oder - wenn nötig - mehreren Pfarren zu beheimaten. Den Pfarren selbst legt Graubner nahe, positive Erfahrungen bewusst wahrzunehmen und mit anderen Pfarren auszutauschen.

Einleitend hält Graubner fest, er habe in den nunmehr abgeschlossenen Treffen mit den Pfarrgemeinderäten der einzelnen Vikariate zumindest einen gewissen Einblick in seine neue Diözese gewinnen können. Die Begegnungen hätten aber alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer bereichert; viele hätten erstmals ihre Nachbarn kennen gelernt, aber auch "gestaunt, wieviel Gutes sich in der Diözese tut". Die einzelnen Pfarren unterschieden sich "nicht nur der Größe und den äußeren Bedingungen nach, sondern auch nach ihrer Lebensfähigkeit". In diesem Bereich hätten "alle etwas zu lernen".

Jesus habe "nicht einzelne Christen geschaffen, sondern die Gemeinschaft der Kirche, in die er die Einzelnen beruft, um sie zu gestalten". Die Kirche habe "zu Pfingsten zu leben begonnen, als sie den Heiligen Geist empfing". Hier könne die "Nähe Gottes erfahren werden" und in ihrem Schoß wüchsen "Berufungen nicht nur zum Priestertum und zum geweihten Leben heran, sondern auch zum Laiendienst der Gemeinschaft sowie die missionarische Dimension, die ein Grundkennzeichen der Kirche ist".

Gestiegene Mobilität

Er wisse nun um die "Probleme städtischer Pfarren, von denen viele Menschen am Sonntag aufs Land fahren, oder die Pfarren am Land, wo bei Schönwetter die Teilnehmer am Sonntagsgottesdienst mehrheitlich die städtischen Wochenendgäste sind, aber auch um jene, die zur Messe immer woanders hingehen und in keiner Pfarre beheimatet sind". Der böhmische Primas bezog sich mit diesen Worten auf die frustrierten Prager, denen das kommunistische Regime vor allem zur Zeit der "Normalisierung" nach Niederschlagung des "Prager Frühlings" 1989 am Wochenende den Rückzug in ein Häuschen am Land gestattete.
Diesen "chalupari" legte Erzbischof Graubner nahe, sich im Winter einer und im Sommer einer anderen Pfarre anzuschließen. Auch jene, die aus beruflichen Gründen am Sonntag verschiedene Kirchen besuchen, sollten sich eine aussuchen, um "auf ihre Art eine Mitverantwortung zu übernehmen". Die Pfarrgemeinde solle "eine geistliche Familie von Familien sein, die einander kennen, beten, feiern, zusammenarbeiten und gern auch Leute von draußen aufnehmen". Er freue sich, dass er solche lebendigen Gemeinden in der Diözese vorgefunden habe, und freue sich, "dass sie noch mehr werden".

Zur Struktur der Pfarren sagte Graubner, sie seien "Ort der Evangelisierung nicht nur durch berufene Professionelle, sondern durch alle, die eine lebendige Erfahrung mit dem auferstandenen Christus erlebt haben. Die Freude an der Verkündigung Jesu Christi" führe sie dann "zu jenen, die das Evangelium nicht kennen oder sich aus verschiedenen Gründen von Gott entfernt haben". Pfarren, die zu klein sind, um Gemeinschaften für die Kinder oder die Jugendlichen zu bilden, bitte er "eng und langfristig mit einer anderen Pfarre zusammenzuarbeiten". Die jungen Menschen bräuchten für ihre Entwicklung die "Gemeinschaft der Gleichaltrigen, um mit ihnen etwas Schönes für die älteren Generationen oder die ungläubige Umgebung zu machen".
Am Ende der jeweiligen Treffen habe er versprochen, sich nach einem Jahr wieder zusammenzusetzen, und er werde dabei "vor allem schweigen und zuhören". Jede Pfarre solle dabei "eine Erfahrung vorstellen, die sie vorangebracht oder ihr Freude bereitet hat und von der sie glaubt, dass sie auch andere inspirieren kann". Zum Gebet für die Verlebendigung der Pfarren habe er eine "diözesane Gemeinschaft der Adoratoren mit dem Namen Eucharistische Stunde" ins Leben gerufen. Er würde sich freuen, so der Prager Erzbischof in seinem Brief an die "Väter, Schwestern und Brüder", wenn sie sich anschließen und ihn so versicherten, dass er "im Bemühen um die geistliche Erneuerung nicht allein" sei. Er danke "aufrichtig einem jeden für die Zusammenarbeit" und segne alle.

Pfarrkongress in Olomouc

Ebenso im Hinblick auf Pfingsten, den Geburtstag der Kirche, fand am 25. Mai in Erzbischof Graubners früherer Bischofsstadt Olomouc eine Konferenz über die "Aktivierung des Lebens in den Pfarren" statt. Der Apostolische Administrator der Erzdiözese, Weihbischof Jozef Nuzik, und der Prager Weihbischof Zdenek Wasserbauer wohnten der gesamten Konferenz bei. Am Nachmittag kamen auch Gäste aus dem Ausland zu Wort: aus der Slowakei der Kaschauer Weihbischof Marek Forgacs mit einer Erörterung des "Dienstes an der Pfarre, ohne auszubrennen", und aus Deutschland der Augsburger Pfarrer und Dekan Helmut Haug über die "Grundlagen der Cityseelsorge".

Graubner, der am 29. August das 75. Lebensjahr vollendet, ist nach beinahe dreißigjährigem Wirken als Erzbischof von Olmütz von Papst Franziskus am 13. Mai 2022 zum Erzbischof von Prag als Nachfolger von Kardinal Dominik Duka ernannt worden. Die Erzdiözese Prag umfasst so wie in Wien und Berlin sowohl den "Selbstverwaltungskreis" (das Bundesland) der Hauptstadt als auch den umschließenden Kreis, in diesem Fall den Mittelböhmischen Kreis.

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Erzbischof Graubner mit Papst Franziskus: Archivfoto


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