Hello Mainstream my old Friend!

28. August 2023 in Kommentar


Feigheit vor dem Zeitgeist wird sich rächen. Wer den Mainstream nicht gegen den Strich bürstet, wird am Ende stumm sein. Der Montagskick von Peter Winnemöller


Linz (kath.net)

Eigentlich besingen Paul Simon und Art Garfunkel die „Darkness“, die Dunkelheit, in der Paul Simon schon als Kind gerne Gitarre spielte. Das berühmte Duo besingt den „Klang der Stille“ und stellt dies in einen Kontrast zum lauten Getöse. Sie prangern an, dass die Menschen sich einem (lauten) Neongott zuwenden, den sie selbst gemacht haben und die Stille nicht mehr hören können. Der Text des Liedes ist sehr poetisch und chiffriert und somit offen für Interpretationen. Aber in seinen Chiffren wehrt sich ein solch poetischer Text auch gegen Überinterpretationen. So ist meine Assoziation von Mainstream und Darkness ganz sicher eine solche Überinterpretation des Liedtextes von Paul Simon, als persönliche Assoziation soll es hier dennoch den Auftakt für diesen Montagskick bilden.

Denn mein „Hello Mainstream my old Friend” war tatsächlich ein doppeltes Déjà-vu in den vergangenen Tagen. Es war ein doppeltes sich verzweifelnd fragen, warum Vertreter der Kirche auf jede noch so thumbe Mainstreamwelle springen und wenn man es ernst nicht, die einfachen Gläubigen im Regen stehen lässt. Egal ob Bischöfe oder Laienvertreter, ein klares, wenn nötig deutlich gegen den Zeitgeist gehendes Votum erwartet man leider vergebens. Am Ende wird die Stimme der Kirche verstummt sein.

Der gesellschaftliche Mainstream ist derzeit ein populistisch dominierter linksliberaler sehr flach verlaufender Denkweg, der sich vom Grundsatz her auf Grund seiner dekonstruktivistischen Basis gegen jede objektive Wirklichkeit verwahrt und eine solche bisweilen sogar als Kränkung ansieht. Ontologische Wahrheiten sind wesentlich objektive Wahrheiten, die nicht von Meinungen abhängen. Ein Mensch beispielsweise lässt sich – von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen – eindeutig einem der beiden existierenden Geschlechter, männlich oder weiblich, zuordnen. Das ist eine Wirklichkeit, die von Meinungen unabhängig ist, und diese Wirklichkeit auszusagen ist die Wahrheit. Der gesellschaftliche Mainstream hingegen hat sich in jüngerer Zeit der wirklichkeits- und wahrheitsfernen Genderideologie angeschlossen, nach der die Zahl existierender Geschlechter beliebig und größer Zwei ist. Ferner hat jeder Mensch das Recht hat, sich sein Geschlecht auch mehrfach, alternierend und in beliebig kurzer Zeit variierend selber zuzuschreiben. Und ist es auch Irrsinn, so hat es doch Methode.

Gesellschaftliche Trends bringen es so mit sich, normbildend zu wirken. Auch die Bildung von Rechtsnormen gehört dazu. So steht uns nun nach dem jüngsten Beschluss des deutschen Bundeskabinetts ein Gesetzgebungsverfahren bevor, in dem der Deutsche Bundestag ein Gesetz verabschieden soll, nach dem sich Menschen auf Grund eines Sprechaktes ein anderes Geschlecht zuweisen können. Damit wird rechtlich normierend eine Wirklichkeit etabliert, die der Wahrheit diametral entgegensteht. Jeder Mensch im Einflussbereich dieses Gesetzes kann in die Gefahr kommen, objektiv lügen zu müssen oder für das Aussprechen der Wahrheit bestraft zu werden. Das ist ein Novum! Wir kannten bisher Wahrheiten, die auszusprechen öffentlich in Acht und Bann geschlagen waren, verboten sie zu sagen, waren sie nicht. So konnte bisher jeder offen sagen, dass bei einer Abtreibung ein Kind sterben muss. Man geriet damit ins öffentliche Abseits, wurde dafür aber nicht bestraft.

Wer also künftig einen Mann in Frauenkleidern, der sich selbst in einem Sprechakt zur Frau erklärt hat, einen Mann nennt, gerät mit dem Gesetz und Konflikt und könnte bestraft werden. Das ist nichts anderes als die Gegenwärtigsetzung des Wahrheitsministeriums aus dem Roman 1984 von George Orwell. Denn so wie dort Wahrheiten angepasst und frühere Wahrheiten ausgelöscht werden, wird der Martin künftig Tessa heißen und niemals Martin geheißen haben und jeder, der behauptet, Tessa sei Martin und in Wirklichkeit ein Mann, bekommt Stress mit der Gedankenpolizei. Das hier gewählte Beispiel ist rein fiktiv. Jede Ähnlichkeit mit real existierenden Personen wäre rein zufällig.

Nun lautet für alle Christen das achte Gebot: „Du sollst kein falsches Zeugnis geben wider deinen Nächsten.“ Sicher wird keiner in die Hölle kommen, weil er aus bürgerlicher Höflichkeit die Transfrau von nebenan mit ihrem Wunschnamen anredet und ihr Phantasiegeschlecht zumindest vorgibt zu akzeptieren. Andersherum setzt sich der Gefahr der Verfolgung aus, wer öffentlich macht, dass da ein Mensch seine Mitmenschen arglistig täuscht und vorgibt zu sein, was er nicht ist. Jenseits der Grenzen bürgerlicher Höflichkeit gibt es eine Konfrontation mit der dekonstruierten Wirklichkeit, die auch Gefahren birgt. Da ist es noch beinahe harmlos, wenn Schwimmwettbewerbe von Frauen künftig von biologischen Männern dominiert werden. Anders sieht es beim Eindringen von Männern in Schutzräume für Frauen aus, die teilweise mühsam erstritten werden mussten. So ganz nebenbei fliegt die christliche Anthropologie in den Müll. Doch wen kümmert das schon?

Was interessiert das alles einen alten, weißen, katholischen Mann? Ich habe weder ein Interesse an Frauensauna noch an Frauenumkleiden (da ist es mir viel zu laut). Es ist eine viel tiefer gehende Frage, die jeden denkenden Menschen umtreiben muss. Es geht wirklich hier um sehr viel mehr als um den garantiert sehr wichtigen Schutz von biologischen Frauen vor übergriffigen biologischen Männern. Es geht um die Frage, ob der Staat wirklich beliebig mit der Wahrheit umgehen darf.

An dieser Stelle klingelte das obige Déjà-vu bei mir an. Die Präsidentin des umstrittenen „ZdK“ bejubelte den Kabinettsbeschluss, der zum Glück keine gesetzgebende Wirkung hat. Doch sie gab gleich zu erkennen, woher der Laienfunktionärswind weht. Die Kirche soll auch was ändern; und zwar gefälligst und sofort. Irme Stetter-Karp ist einfach nur auf ihr Funktionärssurfbord gesprungen, um die Mainstreamwelle zu reiten. Dass sie dabei einen unterirdischen Gesetzentwurf bejubelt hat, kümmert die Funktionärin wenig. Dass sie den Zwang zur Lüge toll findet, ist sprechend.

Viel entscheidender jedoch ist, dass kein einziger deutscher Bischof sich zu diesem Entwurf geäußert hat. Man mache sich bewusst, dass man über kurz oder lang auch die Kirche zwingen wird, ihre Taufbücher zu fälschen. Zwar wird derzeit noch beteuert, das habe keinen Einfluss auf Taufbücher, es gebe lediglich einen Vermerk. Doch schon das Offenlegungsverbot des Gesetzes zwingt die Kirche bei geändertem Geschlecht einen Sperrvermerk anzubringen.

Wer von Bischöfen unserer Tage eine klare Ansage erwartet, kann einfach nur enttäuscht werden. Sprechend in dieser Hinsicht ist die jüngst offengelegte Haltung des Erzbischofs von Berlin zur verbotenen Segnung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften. Im Erzbistum Berlin muss niemand mit Sanktionen rechnen, der dies tut, ließ der Erzbischof verlauten. Er selber wolle dies jedoch nicht tun und erst die kommende Synode abwarten, so der Berliner Oberhirte. Ist man ehrlich, so handelt es sich bei solch einer Haltung um nichts anderes als eine sehr ordinäre Feigheit. Findet es der Erzbischof richtig, warum tut er es nicht selber? Findet er es falsch, warum untersagt er es seinen Priestern nicht? Letzte offene Frage: Wenn Priester die es tun, keine Sanktionen zu erwarten haben, womit müssen Priester des Erzbistums Berlin eventuell rechnen, wenn sie sich weigern? Ob sie im Fall der Fälle auf Rückhalt von ihrem Bischof rechnen dürften?

Auch der Erzbischof von Berlin surft elegant auf der Mainstreamwelle und glaubt sich so in Sicherheit. Das ist eine trügerische Annahme. „Wer sich mit dem Zeitgeist vermählt, wird bald Witwer sein.“ Das wusste schon Søren Kierkegaard. Wer heute mit Mainstream schwimmt, wird morgen gnadenlos ersaufen. Wer heute der Unwahrheit huldigt, dem wird man morgen auch die Wahrheit nicht mehr glauben.


© 2023 www.kath.net