Wir sind längst mehr

11. September 2023 in Kommentar


Wer auf katholische Events geht, macht die erstaunliche Erfahrung, gar nicht allein zu sein. Der Montagskick von Peter Winnemöller


Linz (kath.net)

Vor einigen Wochen war es mal wieder so weit, es war einer dieser katholischen Events. Man kennt das da kommen zwischen wenigen Hundert und mehreren Tausend zusammen. Man hört Vorträge, betet miteinander, feiert täglich die Messe, erlebt ein- oder mehrmals einen Bischof am Altar, vielleicht sogar als Referenten und findet es für eine ganz kurze Zeit einmal ganz normal, normalkatholisch zu sein. Man muss sich nicht rechtfertigen, man muss sich nicht wehren, man muss nicht über die Basics des Glaubens diskutieren, sondern darüber, was sich daraus für uns im Alltag ergibt. Die anwesenden Damen äußern eher nicht den Wunsch sich zu klerikalisieren, die männlichen Laien übrigens auch nicht. Der Kleriker hingegen darf auch wie einer aussehen und muss nicht den Pseudolaien geben. Gerne darf er auch wie ein Kleriker handeln und mal eine Beichte hören oder einen Segen spenden oder gar – horribile dictu – obwohl es eine gemeinsame Messe gibt selber auch noch zelebrieren.

Wer mal Veranstaltungskalender wälzt und zusammenträgt, was es da so alles gibt und sich überlegt, dass alle diese kleinen und großen Veranstaltungen besucht bis gut besucht sind, könnte man kurz innehalten und nachdenken. Wo kommen die her? In den Gemeinden übers Land verteilt fällt das gar nicht so auf. Je nach Stimmung in der Gemeinde versuchen sie unter Radar zu bleiben. Manche lieben die Alte Messe. Das sind verräterische Orte, denn da kommen nicht etwas ein kleines Grüppchen alter, ewiggestriger Leute zusammen, da sind junge Menschen, junge Familien mit Kindern, da sind ganz bürgerliche und oft genug auch sehr wenig bürgerliche in genau einem vereint: Der Liturgie in einer ganz besonderen Form. Und viele dieser altrituellen Gruppen wachsen. Die Antwort auf das Motu proprio „Traditiones custodes“ war eine Rekordteilnehmerzahl an der französischen Wallfahrt von Paris nach Chartres. Ups! Aber nein, keine Polemik, keine Kampfparolen, eine Wallfahrt mit Gebet und Gemeinschaft in der Einheit mit einem Papst, der einen nicht mag. Na und?

Nimmt man einmal die Summe all derer zusammen, die so übers Jahr verteilt an solchen Veranstaltungen teilnehmen und rechnet die vermutete Dunkelziffer derer dazu, die aus Gesundheits-, Alters- oder sonstigen Gründen nicht teilnehmen, dann kommt in Deutschland eine beträchtliche Zahl zusammen. Die in der vergangenen Woche besprochene DBK- Broschüre zur Lage der Kirche in Deutschland zeichnet ja aller Propaganda oder allen Marketings zum Trotz, je nachdem, wie man es nennen möchte, ein eher düsteres Bild der Kirche. Die Rekordaustritte lassen sich nicht wegdiskutieren. Die spärlichen sonntäglichen Messbesucherzahlen ebenfalls nicht. Dennoch fällt es auf, dass eine Broschüre der deutschen Bischöfe die wachsenden Teilnehmerzahlen an Adoratio- Kongressen, Mehr- Konferenzen und anderen weniger großen und weniger bekannten Veranstaltungen so völlig ignoriert.

Es gibt einen Grund dafür: Sie passen nicht ins Bild der schönen neuen Synodalkirchenwelt. Sie passen nicht zu „ZdK“ und „Anderskatholisch“. Sie sind so gar nicht kompatibel mit all den sonderbaren pastoralen Reformen, die unterm Strich doch nur getarnte Abrissbirnen des traditionell Katholischen darstellen. Alle diese Veranstaltungen finden zudem komplett außerhalb der klassischen Verbandsstrukturen statt. Darin zeigt sich langsam immer mehr, wie sich ausgerechnet der Episkopat mehrheitlich von den wahren Reformen der Kirche, die wie schon so oft von den Laien kommen, abkoppelt. Während die sogenannten Reformkatholiken von der Stärkung der Laien fabulieren und nur deren Klerikalisierung anstreben, gehen Laien, die einfach nur „christifedeles laici“ sein wollen, frohen Mutes in den Weinberg des Herren.

Hier wird tatsächlich die Berufung der Laien gelebt, wie sie der Heilige Papst Johannes Paul II. in seinem nachsynodalen Apostolischen Schreiben aufzeigte und postuliert. Hier wird der Auftrag des Herrn, den der Heilige den Laien an Herz gelegt hat, angenommen.

Nun ist der Alltag nun einmal grau und es bedarf der festlichen Zusammenkünfte. Das Kirchenjahr bietet diese in großer Zahl. Doch angesichts einer schwindenden Volkskirche und dem Weg hin zu einer Kirche der kleinen Zellen, wird die Zusammenkunft bei Festen, Konferenzen und Kongressen immer wichtiger. Und bei diesen kann tatsächlich die Erkenntnis wachsen: Wir sind längst mehr. Mehr und jünger als die verbandlichen Reformer, die nur den Umbau der Kirche suchen und diese am Ende protestantisieren werden. Nichts anderes heißt doch „anders katholisch“.

Wir sind es, die zudem auch viel ökumenischer unterwegs als andere und wir selber von uns denken, denn auf dem „Marsch für das Leben“ und in vielen andere – nicht nur aber vor allem – bioethischen Fragen gehen wir Seite an Seite mit freikirchlichen Christen und anderen.

Es gibt also, auch wenn die leere Pfarrkirche am Sonntag mal wieder zum Heulen ist, wenn man vor der Predigt des modernistischen Pfarrers in die nächste Kneipe flüchten möchte, wenn die Gemeindereferentin mit Regenbogenschal eine ästhetische Katastrophe ist, keinen Grund zu verzweifeln. Schon lange war es zu ahnen, mehr und mehr wird es zur Gewissheit, der Heilige Geist (nota bene: nicht eine anonyme Geistkraft) baut die Kirche in Richtung Zukunft um.

Also runter vom Sofa, der eine mag die Mehr bei Johannes Hartl, der andere vielleicht eher den Adoratio bei Stefan Oster. Tickt man politisch, dann geht man auf den Marsch für das Leben. Mag man es kleiner, sucht man sich einen schönen kleinen Kongress. Es gibt viele davon. Es ist für jeden etwas dabei. Eines aber ist allen diesen Events gleich: Man trifft einen Haufen Freunde. Viele, die man schon kennt und sehr viele, von denen man bis dato gar nichts wusste. Und es wächst langsam die Erkenntnis, während die Amtskirche die Folgen des Synodalen Weges und ähnlicher Dinge auslöffeln muss, entsteht im Innern aber jenseits der Strukturen längst das Neue. Die Zahl wächst und ja, wir sind – ganz heimlich und leise – längst mehr.

Foto: (c) pixabay

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