Kardinal Fernández – eine Fehlkalkulation von Papst Franziskus?

16. Jänner 2024 in Weltkirche


Die ersten vier Monate der Amtszeit von Victor Fernández als Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre waren von einer ganzen Reihe von Problemen gekennzeichnet.


Vatikan (kath.net/jg)
Victor Manuel Fernández dürfte nicht die erste Wahl als Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre sein, schreibt Ed. Condon, Mitbegründer und Herausgeber der katholischen Plattform The Pillar.

Seine Tätigkeit als Ghostwriter einiger wichtiger Texte von Papst Franziskus, darunter des nachsynodalen Schreibens Amoris laetitia, ließ etliche Kirchenbeobachter vermuten, dass Fernández stets Favorit bei der Wahl für den Präfekten des Glaubensdikasteriums gewesen sei.

Diese Vermutung lässt allerdings einige Ereignisse unberücksichtigt, die vor der Berufung von Fernández stattgefunden haben, schreibt Condon.

Im Dezember 2022 sei die vatikanischen „Gerüchteküche“ mit der Vorhersage übergekocht, dass Heimer Wilmer, der Bischof von Hildesheim, der neue Präfekt des Glaubensdikasteriums werden solle. Nach seinen Informationen habe Franziskus die Berufung Wilmers tatsächlich erwogen, habe sich aber schließlich anders entschieden, da es viele Stimmen und gewichtige Argumente dagegen gegeben habe. Franziskus wolle seinen Stil und seine Vision von Seelsorge in der ganzen Kirche umsetzen. Diesem Ziel sei am Besten damit gedient, keine umstrittene Person an die Spitze des Glaubensdikasteriums zu setzen, schreibt Condon unter Berufung auf einen hohen Mitarbeiter der römischen Kurie, welcher dem Dikasterium für die Glaubenslehre nahesteht.

Fernández sei von Anfang an ein Kandidat gewesen, aber weder die erste noch die einzige Wahl. Franziskus sei davon überzeugt gewesen, dass Joseph Kardinal Tobin, der Erzbischof von Newark (USA), der richtige Mann für die Leitung des Dikasteriums sei, zitiert Condon einen hochrangigen Mitarbeiter des vatikanischen Staatssekretariats. Franziskus habe sich aber schließlich gegen dessen Berufung an die Kurie entschieden, weil er ihn in den USA belassen wollte. Der Verbleib von Tobins Stimme in der US-Bischofskonferenz sei eine Überlegung gewesen, Franziskus sehe ihn aber auch als möglichen Nachfolger für die Erzdiözese Washington. Der amtierende Erzbischof Wilton Kardinal Gregory ist 76 Jahre alt. Franziskus habe sich daher für Fernández entschieden, von dem er wusste, dass die Zusammenarbeit gut funktionieren würde.

Dieselbe Quelle aus dem Staatssekretariat wies darauf hin, dass Fernández nicht mit der Bearbeitung klerikaler Missbrauchsfälle betraut worden sei, weil es Kritik am Umgang Fernández’ mit Fällen dieser Art in der Erzdiözese La Plata gebe.

Sollte hinter der Berufung von Fernández so etwas wie ein „kalkuliertes Risiko“ stehen, in welcher die Nähe zu Franziskus mögliche Schwachstellen aufwiegen sollte, dann scheint dies mehr und mehr zu einer Fehlkalkulation zu werden, schreibt Condon.

Die Veröffentlichung der Erklärung Fiducia supplicans habe sofort und weltweit zu gegensätzlichen Reaktionen unter den Bischöfen geführt. Ganze Bischofskonferenzen und Kontinente hätten die Erklärung zurückgewiesen, während andere Bischöfe das Dokument sogar über die dort festgelegten Grenzen hinaus umgesetzt hätten. Fernández habe zuerst in einer Reihe von Interviews Stellung nehmen müssen, um die Kontroverse zu beruhigen. Schließlich habe er einen detaillierten Interpretationsrahmen veröffentlicht, von dem er zuvor geschrieben hatte, es werde ihn nicht geben. Auch in Rom gab es Schwierigkeiten. Kardinal Arthur Roche, der Präfekt des Dikasteriums für den Gottesdienst, hat sich offenbar beschwert, weil Fiducia supplicans veröffentlicht worden ist, ohne sein Dikasterium zu konsultieren.

Im Januar ist das Buch „La Pasión Mística“ wieder aufgetaucht, welches Fernández 1998 veröffentlicht hat. Der Kardinal sah sich gezwungen, sich von dem Werk zu distanzieren. Neben Kritik am Text selbst warf das Buch auch Fragen auf, ob Fernández überhaupt als Präfekt für das Glaubensdikasterium geeignet ist, da es in einigen Passagen die Sündhaftigkeit von außerehelichen geschlechtlichen Akten in Frage stellt und in anderen eine potentiell problematische Sexualisierung der Spiritualität enthält.

Für Papst Franziskus stelle sich auch die Frage, wie es um sein Vermächtnis bestellt ist. Mit 87 Jahren befindet er sich in den späteren Jahren seines Pontifikates. Sollte seine primäre Überlegung bei der Berufung des Präfekten für das Glaubensdikasterium die Festigung seiner theologischen Vision gewesen sein, die seine eigene Amtszeit überdauern soll, dann könnte er mit Fernández an der Spitze das Gegenteil erreichen. Franziskus hat mehr als jeder andere Papst das Kardinalskollegium diversifiziert und Bischöfe aus der „globalen Peripherie“ ernannt. Es sei eine Ironie des Schicksals, dass gerade in den peripheren Regionen, insbesondere in Afrika, die Opposition zu Fiducia supplicans am stärksten ausgeprägt ist. Damit einher gehe Kritik an Kardinal Fernández, schreibt Condon abschließend.

 


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