'Rote Linien dürfen nicht überschritten werden'

16. Mai 2024 in Weltkirche


Welcher Partei gebe ich meine Stimme? „Es gibt einfach Sachen, die sind in sich schlecht. Völkischer Nationalismus ist in sich schlecht, Abtreibung ist in sich schlecht.“ Tipps für die Europawahlen von Zisterzienserpater Isaak M. aus Neuzelle.


Köln (kath.net / pk) Wen kann ich als Christ mit gutem Gewissen wählen? Der deutsche Zisterzienserpater Isaak M. aus Neuzelle nahm die bevorstehenden Europawahlen am 9. Juni zum Anlass, um einige Kriterien zu definieren.

Die Aufgabe der Kirche sei es, unsere Freiheit als Christen zu wahren, und deswegen gebe die Kirche keine konkreten Wahlentscheidungen, sagte P. Isaak in einer Predigt am 14. Mai. Er zitierte Kardinal Joseph Ratzinger, der meinte, es sei nicht Aufgabe der Kirche, konkrete oder gar ausschließliche Lösungen für zeitliche Fragen zu entwickeln. Die Kirche müsse jedoch moralische Prinzipien wahren, gleichsam „Pflöcke setzen“ und sagen: „Bis hierhin und nicht weiter!“

Es gebe grundsätzlich eine Trennung zwischen Kirche und Staat, was bedeute, dass Staat und Kirche jeweils autonom seien und sich keiner in inhaltliche und organisatorische Belange des anderen einmischen dürfe. Dies betreffe jedoch nicht die moralische Ordnung, erklärte der Zisterzienserpater. Konkret dürfe der Staat „nicht Unrecht zu Recht erklären“. Hier müsse die Kirche ihre Stimme erheben.

Ein grundlegendes christliches Prinzip sei, dass wir eine unsterbliche Seele haben. Dies sei der Grund, warum der Einzelne, das Individuum der Gemeinschaft übergeordnet und nicht kollektiven Interessen untergeordnet sei. Soziale Konstrukte und Staaten sind vergänglich, die menschliche Seele jedoch unsterblich, und aus diesem Grund hat sie Priorität.

P. Isaak nannte einige „rote Linien, die nicht überschritten werden dürfen“. Wenn diese übertreten werden, „steht das Menschliche auf dem Spiel“. Es gebe die Tendenz, manche Entscheidungen als kleinen Schritt zu framen. Das Gefährliche sei, dass hinter dem kleinen Schritt ein Abgrund warte, der ethisch ein „slippery slope“ sei, ein rutschiger Abhang.

Konkretes Beispiel dafür ist das Thema Schutz des menschlichen Lebens. „Parteien, die Abtreibung und Euthanasie ausweiten möchten, sind für einen Christen nicht wählbar“, stellte P. Isaak fest. Johannes Paul II. habe in „Evangelium Vitae“ festgehalten, man könne durchaus das „geringere Übel“ bei Parteien wählen, etwa wenn diese sich für eine weniger liberale Abtreibungsgesetzgebung aussprechen. Nicht wählbar seien jedoch jene Parteien, die „den Sprung in den Abgrund vollziehen wollen“, denn ein Fortschritt in diese Richtung sei „menschenverachtend“.

Zweites wichtiges Kriterium sei der Schutz und die Förderung der Familie. Parteien, welche die Genderideologie propagieren, die einen vermeintlichen Fortschritt in die vermeintliche Liberalität wollen, seien „nur bedingt oder schwer wählbar“, weil es um „Prinzipienbrüche“ gehe, verwies P. Isaak auf eine Stellungnahme von Papst Franziskus über Gender.

Ehe und Familie beruhe auf der monogamen Ehe von Personen verschiedenen Geschlechts, stehe auch im deutschen Grundgesetz. „Es soll jeder leben können, wie er will, solange er keinem anderen schadet, aber dennoch ist unser Standpunkt, dass die Familie als Ort der Weitergabe des Lebens und als Keimzelle der Gesellschaft geschützt werden muss.“

P. Isaak sprach weitere „rote Linien“ an, auf die geachtet werden müsse, etwa Leihmutterschaft, reproduktive Medizin und die Freiheit der Eltern in Bezug auf die Erziehung ihrer eigenen Kinder. „Der Staat hat die Freiheit der Eltern in Bezug auf die Erziehung ihrer eigenen Kinder zu gewährleisten.“ Ideologie habe in der Schule nichts zu suchen, meinte er.

Auch die Religionsfreiheit sei gefährdet. „Wenn ich mich jetzt als Christ hinstelle und sage: Für mich besteht, ausgehend von der Bibel und dem, was ich biologisch sehe, eine Ehe, eine Familie aus einer dauernden Beziehung zwischen Mann und Frau, dann gibt es natürlich schon viele, die sagen: Das ist homophob, das ist transphob.“

„Natürlich gibt es Leute, die Homosexuelle und Transsexuelle ausgrenzen und niedermachen, und das ist menschenverachtend, das ist nicht gut!“, betonte P. Isaak. „Aber es ist nicht homophob und es ist auch nicht transphob, wenn ich mich hinstelle und sage: Eine Familie besteht aus Mann und Frau und Kindern, die dann nur aus einer Beziehung zwischen Mann und Frau entstehen können.“

Er nehme bei diesem Thema wahr, „dass die Religionsfreiheit in Europa an ihre Grenzen stößt“. Er frage sich etwa, ob ein Arzt in seiner Grundausbildung es noch aus Gewissensgründen ablehnen dürfe, eine Abtreibung durchzuführen.

Eine weitere rote Linie sei jene des Friedens. Friede sei „immer das Werk derGerechtigkeit und die Wirkung der Liebe“. Der kirchliche Friedensbegriff sei keineswegs „banal“. „Natürlich muss ich mich wehren und verteidigen können.“ Gleichzeitig müsse Gewalt und Terrorismus „radikal abgelehnt werden“. Grundsätzlich müsse jeder aufpassen, nicht in eine „Kriegsrhetorik“ zu verfallen in der Beurteilung der aktuellen Konflikte.  

Bei der Wahl des „geringeren Übels“ in Bezug auf den Lebensschutz müsse achtgegeben werden. Es gäbe ein „malum in se“ (Thomas von Aquin), also „in sich schlechte“ Dinge, etwa die Tötung unschuldigen Lebens. „Die ganze Degenerierung, die jetzt gerade stattfindet in Bezug auf Ehe und Familie, das sind wirklich in sich schlechte Sachen, die kann ich nicht schön reden.“

Dies sei genau so wenig schön zu reden wie ein „völkischer Nationalismus“, wenn manche das deutsche Volk nur auf „Blut und Genetik“ reduzieren wollen. „Das ist genauso dumm und falsch.“ Auch hier könne schwer gesagt werden: „Da müssen wir halt das kleiner Übel wählen.“

„Es gibt einfach Sachen, die sind in sich schlecht. Völkischer Nationalismus ist in sich schlecht, Abtreibung ist in sich schlecht.“ Für einen Christen gebe es bei diesen Fragen keinen Kompromiss.

P. Isaak zitierte Kardinal Ratzinger, der einmal vor falsch verstandener Toleranz warnte und davor, seine Meinung zurückzuhalten. „Wir müssen ganz klar das sagen, was in der Bibel steht, das, was wir am Herzen haben, und dann auch die Toleranz des anderen einfordern“, fasste der Zisterzienserpater zusammen.

 


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