15. Juli 2024 in Kommentar
Der legendäre Reichtum der Kirche wird nun wirklich zur Legende. Die Folgen werden drastisch und vor allem an der Basis spürbar sein. Der Montagskick von Peter Winnemöller
Linz (kath.net)
Zuerst sollte man Entwarnung geben. Noch müssen wir keine Kollekten abhalten, damit der Bischof einen neuen Kleinstwagen für seine Visitationsreisen bekommt und seinen ausgefransten Talar durch einen neuen ersetzen kann. Die deutschen Oberhirten werden wohl noch sehr lange in Luxuskarossen von ihren Fahrern durch die Weltgeschichte kutschiert werden. Trotzdem stehen in den Finanzabteilungen der Bistümer die Signale auf Sturm. Im vergangenen Jahr betrug das Kirchensteueraufkommen der deutschen Diözesen insgesamt 330 Millionen Euro weniger als im Vorjahr. Inflationsbereinigt liegen die Kirchensteuereinnahmen des Jahres 2023 rund 7 Prozent unter den Einnahmen des Jahres 2000. Nach vielen Jahren des fiskalischen Selbstbetruges mit sinkenden Kirchenmitgliederzahlen und stark steigendem Kirchensteueraufkommen, setzt nun so langsam der (erwartete) Realitätsschock ein. Dabei sind die deutschen Diözesen immer noch recht optimistisch. Man geht von einer Halbierung des Aufkommens bis 2060 aus. Das dürfte vermutlich deutlich schneller gehen.
Die berühmt-berüchtigten Boomer gehen in Rente, das bedeutet, dass sie als Kirchensteuerzahler ausfallen. Die nachwachsende Generation ist nicht nur zahlenmäßig erheblich kleiner, sie verfügt auch über keine nennenswerte Kirchenbindung. Schon die Großeltern der heutigen Grundschulkinder haben kaum noch eine Kirchenbindung, die Eltern sind fast durchgehend kirchenfern. Da wächst nichts nach. Mit dem Rückzug der Kirche aus der Fläche nimmt auch der zuweilen noch vorhandene kulturelle Link zur Kirche weiter ab. Viele Dörfer in vorwiegend ländlichen Regionen haben so gerade noch eine Sonntagsmesse, weil ein pensionierter Priester in der Gegend wohnt. Mit dem Sterben dieser Priestergeneration wird auch die liturgische Praxis in den Dörfern sterben und damit die letzte Bindung zur Kirche für viele verloren gehen. In den Stellenplänen vieler Bistümer wird kaum oder gar nicht zwischen Priestern und Angestellten im pastoralen Dienst unterschieden. Angestellte kann sich eine Diözese jedoch nur dann leisten, wenn die Einnahmen die Gehälter erwirtschaften. Priester sind keine Angestellten und haben keinen Anspruch auf ein Gehalt. Der Bischof nimmt sie in seinen Dienst und hat die Verpflichtung ihre Versorgung zu gewährleisten. Das ist ein Unterschied!
Man kann nun darauf warten, dass die ersten Bistümer beginnen, bei Neueinstellung von Gemeinde- und Pastoralreferenten die Bremse anzuziehen. Das wird nicht allzu schwer fallen, denn die Bewerberzahlen für diese Berufe geht schon seit längerer Zeit zurück. Auch wenn sich der Prozess schon länger abzeichnet und noch lange andauern wird, kann man sagen, dass das erste nominelle Absinken der Kirchensteuer einen Wendepunkt darstellt, der Signalwirkung hat. Inflationsbereinigt sinkt die Kirchensteuer schon länger. Das ist jedoch nichts im Vergleich zu einer tatsächlich kleiner werdenden Zahl.
Neben dem Sinken der Kirchensteuerzahler muss man auch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung einbeziehen. In den vergangenen Jahrzehnten hatten wir eine stetig prosperierende Wirtschaft. Diese erlitt durch die umstrittenen Coronamaßnahmen einen leichten Knick und zeigte eine gewisse Erholung danach. Man kommt jedoch nicht umhin, die Prognosen jetzt noch einmal deutlich nach unten zu korrigieren. Die derzeitige Bundesregierung wird mit ihrer Wirtschaftspolitik zu einer massiven Absenkung der Kirchensteuer beitragen. Die Wirtschaft unseres Landes und damit auch die Ertragssituation der Bürger wird in den kommenden Jahren einen in der Geschichte unseres Landes nie gesehenen Schrumpfungsprozess durchlaufen. Eine sich drastisch verschlechternde Einkommenssituation der Bürger wird die Einkommenssteuer sinken lassen, damit sinkt auch die Kirchensteuer, die als Annexsteuer dann eben auch sinkt. Mit zugleich weiter steigenden Abgaben, weil der Staat keinerlei Neigung zu Ausgabendisziplin zeigt, wird die Politik immer neue Anreize setzen, die Kirchensteuer einzusparen. Die Austrittszahlen aus wirtschaftlichen Gründen werden weiter zunehmen.
Zunehmen werden bei gleichbleibender Entwicklung auch die Zahl derer, die den amtlich verwalteten Glaubensverfall in kirchlichen Einrichtungen nicht weiter mitfinanzieren möchten. Der Synodale Weg und die Folgen werden sich auch im Kirchensteueraufkommen niederschlagen. Nicht wenige Gläubige werden sich von der faktischen Exkommunikation durch Kirchensteuerverweigerung nicht mehr abschrecken lassen. Man wird sich vor Ort oder in einer geistlichen Gemeinschaft oder Bewegung mit den Seelsorgern arrangieren. Ich fördere ein gutes Projekt mit meiner Spende und wir tun so als wäre das die Kirchensteuer. Es ist ohnehin nicht völlig auszuschließen, dass der staatliche Einzug der Kirchensteuer unterhalb eines gewissen Aufkommens für den Staat nicht mehr wirtschaftlich ist, da der Einzug prozentual zum Aufkommen vergütet wird. Auch hier beginnt mit dem Absinken eine neue Dynamik, die den Prozess weitaus progressiver gestalten könnte als sich kirchliche Behörden jetzt vorstellen.
Während ansonsten alle kirchliche Zahlen mit einer Pressemeldung öffentlich gemacht werden, wurde die Zahl des Kirchensteueraufkommens diesmal ganz leise und ohne Aufsehen zu erregen auf der Internetseite des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz online gestellt. Der Grund liegt genau in den psychologischen Effekt, den dieser Wendepunkt darstellt. Die kirchlichen Behörden und die staatlichen Finanzverwaltungen können längst hochrechnen, wie das Jahr 2024 ausfallen wird. Man darf gespannt sein, welche Dynamik der Verfall annimmt. Die Leisetreterei aus Bonn jedenfalls ist gut für laute Spekulationen.
Man sollte nun jedoch nicht der Illusion erliegen, es könnte in den seit Jahrzehnten aufgeblasenen Bistumsverwaltungen gespart werden. Tatsächlich könnten sich in dieser Situation die weitaus schlankeren Ostbistümer hier als Vorbilder erweisen. Im Westen wird man in der Fläche schon sehr bald die Kirche vielerorts nur noch als ein Relikt einer fernen Vergangenheit kennen, während in den Bistumsstädten die diözesanen Verwaltungspaläste noch für Jahrzehnte einen gespenstischen Glanz verbreiten können. In den Verwaltungen wird man noch auf viele Jahre neue Stellen einrichten. Auch damit entfernt sich diese Kirche immer weiter von den Menschen.
Eine andere Erscheinungsform der Kirche wird demgegenüber immer dynamischer und immer relevanter. Wir kennen die Dynamik der großen und kleinen Glaubenskonferenzen, die MEHR, die UNUM, Forum Altötting und vieles andere. Wir kennen die Dynamik vieler geistlicher Gemeinschaften und Bewegungen. Wir kennen die ungeheure Dynamik der Gemeinschaften der Tradition. Glauben doch in der Tat einige linkskatholische Verschwörungstheoretiker, dass die Piusbruderschaft die Kirche okkupieren wollen. Tatsächlich werden alle diese unterschiedlichen Charismen irgendwann große Teile der Aufgabe der Kirche übernehmen. Und dann ist es letztendlich egal ob der Priester vor Ort Charismatiker ist, die Messe in Latein hält oder noch einer von der Diözese ist, Hauptsache er verkündet das Evangelium und spendet die Sakramente. Der „Pfarrer“ aus der Piusbruderschaft liegt näher als wir denken.
Machen wir uns nichts vor, das „Haus voll Glorie“, das wir im Kirchenlied noch immer besingen, durften die Boomer vielleicht in ihrer Kindheit noch erleben bestaunen, doch unter dem vergoldeten Stuck war es auch damals schon eine Bruchbude. Der Niedergang der Kirche, der sich geistlich seit Jahrzehnten zeigt, in Kirchenaustritten seit Jahren bedrohlich wird, manifestiert sich nun final fiskalisch. Man sagt, der verstockte Klerus verstehe nur die Sprache des Geldes. Es ist vermutlich noch viel schlimmer. Man wird in der verfassten Kirche auch diese Sprache erst dann verstehen, wenn Kasse so leer ist, wie die Kirche im Hochamt. Folglich werden wir zumindest in den offiziellen Kanälen noch lange keine Umkehr erleben dürfen.
Das Signal lautet seit sehr langer Zeit schon, dass eine Neuevangelisierung unbedingt nötig ist. Nun kommt dies Signal auch in der Sprache des Geldes daher. Ob es wirkt? Vermutlich wird es hier oder da wirken, jedoch nicht in der Breite. Am Ende kommt es auf jeden von uns an. Dabei ist nicht entscheidend, ob wir uns persönlich für oder gegen die Kirchensteuer entscheiden. Es gibt keinen Grund zur Freude über den Schwund der Kirchensteuer. Es gibt aber auch keinen Grund darüber Krokodilstränen zu weinen. Wir müssen uns für den Glauben entscheiden, wie ihn die Apostel und Väter überliefert haben. Wir müssen Jesus in unser Leben lassen und erkennen, dass dieser der Christus, der Erlöser ist, den wir brauchen. Alles weitere wird uns der Geist lehren und zeigen.
Foto: Anbetung des Mammon (Gemälde von Evelyn De Morgan) - Gemeinfrei
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