Wir gucken aus dem Sommerloch in einen heißen Herbst

2. September 2024 in Kommentar


Es war ein kleines Sommerloch, aber auch darin war Zeit und Muße, nachzudenken, zur Ruhe zu kommen und Entwicklungen zu beobachten. Zwei akademische Treffen im Vergleich. Der Montagskick von Peter Winnemöller


Rom (kath.net)

Tatsächlich dürfte das Sommerloch in diesem Jahr nicht sonderlich groß gewesen sein. Der bevorstehende Untergang der Bundesländer Sachsen und Thüringen einerseits und kulturbereichernde Messerakrobaten anderseits ließen für die Medien keine Saure-Gurken-Zeit aufkommen. Die einen waren damit befasst, das Drama in seiner vollen Breite zu erfassen, andere sahen sich zu massiven Übertreibungen genötigt und im Mainstream war man damit befasst, die Messer und die Taten kleinzureden. Kaum ein Volksfest kam den Sommer über völlig ungeschoren davon. So eine wirklich nachrichtenarme Zeit hatten wir also in den durchwachsen warmen Monaten des diesjährigen Sommers nicht. Die feuerroten Wetterkarten der Fernsehsender straften sich mit Temperaturen, bei denen meist die 2 vorne stand, selbst lügen. Nessie war offensichtlich ebenfalls nicht in Schottland, sie tauchte jedenfalls nicht auf. So war es hoch an der Zeit, am Ende des Sommers noch einmal das teutonische Synodalnarrativ zu bedienen. Eben jene Dame, Claudia Lücking-Michel, die dereinst Papst Benedikt XVI. vorwarf, er habe bei der gründonnerstäglichen Fußwaschung den Kardinälen ein paar Tropfen Weihwasser auf die Füße getropft, während Papst Franziskus sinnlich, körperlich zugreife und sogar nackte Füße küsse, wärmte in einem Beitrag für eine Tagung in der Paulus-Akademie in Zürich, der auf Feinschwarz veröffentlicht wurde, sämtliche Narrative des umstrittenen Synodalen Weges noch einmal auf. Ein einziges Foto von einer Gründonnerstagsfeier mit Papst Benedikt XVI. reichte damals aus, um Frau Lücking-Michels wilde These zu widerlegen. Selbst ein niederländisches katholisches Nachrichtenportal berichtete über das „Sockengate“. Es war dermaßen peinlich, dass man künftig darauf verzichtete von „ZdK“-Vollversammlungen live zu streamen. Soviel zur viel geforderten Transparenz. Nun, die ganzen Märchen und Legenden des Synodalen Weges noch mal und noch mal und noch mal zu widerlegen ergibt keinen Sinn, denn die Leser hier wissen es. Diejenigen, die es nicht wissen wollen, werden auch in hundert Jahren noch dieselben Narrative pflegen. Und doch blieb ein Zitat von Lücking-Michel kleben:

„Kirche hat keine Zukunft, wenn die Frauen gehen.“

Hach! Das klingt wie Weihwasser auf Socken. Als einige Jünger die Rede Jesu nicht mehr aushalten, beriefen sie einen Synodalen Weg … Blödsinn! Ich bin zweitausend Jahre in der Zeit verrutscht. Pardon. Also: als sie die Rede Jesu nicht mehr aushalten und sich der Messias partout nicht zum Brotkönig machen lassen will, suchen sie das Weite. Und bevor die Apostel auf dumme Gedanken kommen konnten, Petrus hat ja auch gelegentlich seine eigenen Vorstellung zum Besten gegeben, ging Jesus in die Offensive: „Wollt auch ihr gehen?“ Petrus sanft angestupst kommt natürlich sofort auf den Punkt: „Wohin sollten wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens.“ Wirklich sehr tough! Aber eben natürlich als einer der ersten Apostel auch der totale Anfänger. Die Antwort hätte lauten müssen: „Herr, es sind auch einige Frauen gegangen und Kirche hat keine Zukunft, wenn …“ So schräg war aber der Humor des Apostelfürsten offensichtlich nicht, so verquer konnte nicht einmal Petrus denken, der wie gesagt durchaus schon mal seine eigenen Vorstellungen hatte und vom Herrn dafür in gebotener Form gescholten wurde.

Da wir gerade bei Petrus sind, jener Petrus bekommt vom Herrn den Auftrag die Kirche zu leiten. Das Petrusamt, das ist heute der Dienst des Papstes. Damit verbunden ist der Auftrag verbindlich zu lehren und zu leiten. Was über die Jahrhunderte in der Kirche unhinterfragt geglaubt wurde, stellte die Aufklärung in Frage. Dass diese Frage  berechtigt war, ergibt sich von selbst. Wie um alles in der Welt kann ein Mensch eine solche Machtfülle in seiner Person vereinen, wie es das Petrusamt vorgibt. In der Kirche geschehen oft seltsame Dinge. Im Jahr 1854 verkündet der Papst das Dogma von der Immaculata conceptio, der unbefleckten Empfängnis Mariens. Ja, kann denn der das? So fragte man sich zu Recht. Er kann, antwortete ein ökumenisches Konzil, nämlich das I. Vatikanische Konzil und erklärte, der Papst könne (unter bestimmten Bedingungen) eine unfehlbare Lehre verkünden. Ferner hat der Papst den Jurisdiktionsprimat, er ist derjenige der in rechtlichen Fragen die letzte Instanz in der Kirche ist. Während die Infallibilität (Unfehlbarkeit) zwar außerkirchlich bis heute die große Welle macht, ist sie geradezu langweilig, denn sie wurde zweimal vom Papst in Anspruch genommen. Der Jurisdiktionsprimat hingegen findet im päpstlichen Alltag viel häufiger statt. Ein Papst, der rechtlich redet, verkündet damit ein verbindliches Gesetz, ein Papst, der ein Papier zeichnet, verleiht dem Papier Rechtscharakter. Auch in Rom wird gerade herumsynodalisiert. Papa lo vult – Der Papst will es so. Wenn es der Nachfolger nicht mehr will, ist es zu Ende. Jurisdiktionsprimat!

Also können Synodalisten in Deutschland, in Rom und anderswo fordern und behaupten und sogar machen, was immer sie wollen. Der Papst kann alles zu jeder Zeit beenden. Wir haben es gesehen. Den Synodalen Rat wird es nicht geben. Etwas anderes wird es ebenfalls nicht geben: Zu Priesterinnen geweihte Frauen. Da kann sich die deutsche Damenriege des „ZdK“ noch so sehr echauffieren. Ordinatio sacerdotalis ist de fide.

Und nein, die Kirche wird nicht untergehen. Das steht auch in der Petrusbeauftragung: Die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwinden. Nun sind die Funktionärinnen aus Deutschland nicht einmal die Unterwelt. Auch wenn in Prag bei Erwähnung des Gottseibeiuns alle in Richtung Irme … nein, darüber reden wir nicht mehr. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Wie sollte also die Flucht der Frauen, die ja nur eine Flucht der frustrierten alten Weiber ist, der Kirche schaden?  

Es gibt genügend zeugnisstarke alte und junge Frauen in der Kirche, die sich einen feuchten Kehricht um die Synodalforderungen aus Frankfurt scheren. Und da kommt wieder ein ordentlicher, frischer Wind in das gerade stickig gewordene Sommerloch. Der Sommer ist auch die Zeit der Sommerakademien. In Aigen in Österreich, bei der diesjährigen Internationalen Theologischen Sommerakademie der Kardinal-Scheffczyk-Gesellschaft, stellte der Bischof von Görlitz, Wolfang Ipolt, fest: „Wir sind lau geworden. Die Würze des Evangeliums ist abhanden gekommen.“ Die Nachrichtenagentur CNA berichtet umfassend über die Akademie. Der Bischof analysierte seine These so, die maßgebliche Ursache für diese kirchliche Entwicklung sei weder der Missbrauchsskandal noch die Kirchensteuer. Christsein, so der Bischof, werde kaum noch als Jüngerschaft verstanden. Es genüge nicht, aus Tradition der Kirche anzugehören. „Nötig ist ein persönliches und entschiedenes Ja zum Glauben an Jesus Christus!“, forderte der Bischof. In die jeweils eigene Berufung finde der Mensch, „wenn er eine Beziehung zu Jesus Christus und den Weg in die Nachfolge gefunden hat.“ Bischof Ipolt macht es konkret. Die Teilnehmer der Internationalen Theologischen Sommerakademie forderte er auf: „Bieten Sie Orte der praktischen Einübung des Glaubens an.“

So wird ein Schuh daraus. Auf der Sommerakademie sprachen auch Pfarrer Gerhard Wagner und Pater Johannes Nebel FSO, der Leiter des Leo-Scheffczyk-Zentrums in Bregenz. Letztere mahnte an, Schrift und Tradition in rechter Weise zur Basis des Glaubens zu machen. Treue zur Lehre bezeichnete der Pater als Basis dafür, miteinander im Gespräch zu bleiben. Das pustet ordentlich den Mief aus dem langweiligen Sommerloch heraus und fordert etwas von uns. Der Ordensmann konkretisierte es so: „Kirchliche Tradition ist kontinuierliche Entwicklung, sie besagt kein stagnierendes Stehenbleiben“, so Nebel. „Meist bleibt es dem Wirken des Heiligen Geistes überlassen, wie sich das gutgeheißene Neue im Leben der Kirche verbreitet. Ein besonderer Fall von Entwicklungen der Tradition liegt darin, wenn sie von der kirchlichen Hierarchie verbindlich vorgeschrieben werden, hauptsächlich in dogmatischen Lehrentscheidungen, ansonsten in seltenen positiven Aufbrüchen. Beispiele sind die Einführung liturgischer Feste, etwa des Fronleichnamsfestes oder der Herz-Jesu-Verehrung. Ihnen geht ein mehr oder weniger langer Prozess der Reifung voraus.“

Dem setzte P. Nebel eine aktuelle, ungesunde Tendenz entgegen, die bei Vertretern der Hierarchie in neuerer Zeit vermehrt auftrete: nämlich in bestimmten Punkten nicht als Ergebnis der langen Prüfung eines Neuaufbruches, sondern aus eigener Initiative den Gang der Tradition durch ein entsprechendes Dekret in eine neue Richtung zu lenken. Eine solche Vorgehensweise der Hierarchie, neben der Beseitigung von Missbräuchen aus freier Initiative Änderungen zu dekretieren, scheine für die längste Zeit der Kirchengeschichte kaum nachweisbar zu sein, so der Ordensmann. Dann aber, beginnend mit Papst Pius X., und darauf in einer Aufeinanderfolge bedeutender und weitgehend heiliger Päpste sei sie immer prägender geworden. „Die treue Anhänglichkeit an deren Ergebnisse empfindet man heute allgemein als gut katholisch.“

Und damit das so bleibt, ist im Grunde jeder von uns gefordert, in seinem Alltag und in seinem Umfeld Zeugnis zu geben. Wir sehen hier zwei Pole, die sich nicht wie ein Dipol gleichberechtigt gegenüber stehen, sondern wir sehen zwei Zustände, von denen der eine das Heil verheißt, nämlich die Treue zur Lehre, während der andere nur Unheil und verderben bringen kann, selbst erfundene Reformen um jeden Preis zu erzwingen. Lassen wir um die obigen Sätze deutlich zu konterkarieren noch einmal Claudia Lücking-Michel zu Wort kommen: „Deswegen meine Bitte an alle Glaubens-Geschwister, nicht abwarten, sondern vorher ‚einfach machen‘: Glaube vorleben und Hoffnung miteinander teilen. Vieles passiert schon. Gut so. Bleiben wir dabei: Wortgottesdienste mit Kommunionfeier, Trauerfeiern und Beerdigungen, Taufe durch Laien. Ermutigung und Selbst-Ermächtigung, wo immer wir gegenseitig füreinander Kraftquellen erschließen können.“ Wer diese Sätze liest, kann es verstehen. Es geht einerseits um die (heilbringende) Treue zum Glauben und andererseits um die (unheilbringende) Selbstermächtigung eine „andere Kirche“ zu bekommen. Der dann natürlich auch ein anderer Glaube zugrunde liegen muss.

Am Ende des Sommerlochs, auf dem Absprung in einen heißen Herbst, jetzt alle einmal tief durchatmen und den Heiligen Geist bitten, seiner Kirche beizustehen. Die Weltsynode wird sicher langweilig, aber kein Spaziergang werden. Die Politik in Deutschland und Europa wird uns nicht zur Ruhe kommen lassen. Bitten wir auch in diesen Anliegen um die Führung des Geistes Gottes.

 

Bild oben: Auch Maria und die Apostel verlassen sich auf die Führung durch den Heiligen Geist, den der Herr uns als Tröster und Beistand gesandt hat. Foto: Pixabay


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